Ein Exemplar des "lasttragenden Multifunktionsschlepper" im Heeresgeschichtliches Museum Wien (HGM).
Foto: Andreas Stockinger

Kennen Sie Oskar Hacker? Die Antwort wird mit absoluter Sicherheit ein bedauerliches Nein sein, mit diesem Namen können selbst Insider der historischen Automobilszene in Österreich wenig anfangen. Dabei wirken seine Erfindungsgabe, sein technisches Können, seine Spezialisierung auf den Begriff "Kettenantrieb" bis in die Gegenwart hinein. Eine österreichische Entwicklung, ein technischer Meilenstein, sie findet sich noch heute in Kettenfahrzeugen weltweit – zum Beispiel in den amerikanischen Schützenpanzern Typ M 113.

Außergewöhnliche Innovationen

Hacker hatte bereits mit 26 Jahren seine Liebe zu außergewöhnlichen technischen Innovationen entdeckt. Martin Pfundners Buch Die Auto-Österreicher berichtet von dem Versuch, Zweizylinder-Boxermotoren von BMW oder Coventry-Victor in Motorrädern, getauft Bison, unterzubringen. Finanziell ein Desaster, technisch vielversprechend: Irgendwie zieht sich diese Einstellung durch sein gesamtes Œuvre. Das Streben nach absoluter Perfektion, heute würde man aber vielleicht von "over-engineering" sprechen, zu wenig Rücksicht auf Kosten und oder Preisakzeptanz.

Nach dem Scheitern mit dem Motorrad wurde aber der schon damals wertgeschätzte Oskar Hacker von Austro-Daimler engagiert, das Thema hieß Entwicklung von Militärfahrzeugen, ein Bereich, wo Herstellungskosten nicht das wichtigste Kriterium darstellten.

Die technische Zeichnung zeigt den "lasttragenden Multifunktions-Schlepper Motormuli" in der Zweckwidmung Erdbohrungen.
Foto: Peter Mulacz

Mächtige Kettenfahrzeuge

Der Satz "Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze" trifft nicht für alle großen heimischen Könner der europäischen Automobilszene zu. Ferdinand Porsche bleibt weiterhin die Ikone, auch wenn man in Linz, 72 Jahre nach seinem Tod, die nach ihm benannte Straße umtauft, Hans Ledwinka, sein Name und Tatra sind ewig verbunden, hat das Glück, ohne Umtaufe auszukommen.

Die Erinnerung an Oskar Hacker steht, bescheiden, verdeckt von mächtigen Kettenfahrzeugen, in der Panzerhalle des Heeresgeschichtlichen Museums. Motormuli nennt sich der kleine Schlepper mit Kettenantrieb, unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg in Molln bei Steyr entstanden, wo Hacker mit einer Zivilproduktion dem neuen Geist entsprechen wollte. Als Schleppfahrzeug für die Forstwirtschaft gedacht, sollte es in den Wäldern sein Geld verdienen, aber auch in diesem Fall erwies sich der kommerzielle Erfolg als mehr als bescheiden und endete in der Insolvenz.

Das technische Konzept dagegen brilliert bis heute, speziell die aus dem Raupenschlepper Ost von Steyr übernommene Antriebstechnik war das Asset: eine neben dem Fahrer eingebaute Motor-Schaltgetriebe-Kombination. Das Fahrzeug verfügte über zwei Lenk-Kupplungshebel, Handgas, eine fußbetätigte Schaltkupplung sowie zwei fußbetätigte Lenkbremsen. Hacker hatte dieses Lenkgetriebe mit Stützkupplungen und Lenkbremsen, durch einen Hebel pro Seite betätigt, patentiert, später übernahm es Saurer aus der Konkursmasse für den Schützenpanzer.

Das Gerät war ein Fastalleskönner. Zu seinen Einsatzgebieten gehörten neben Erdbohrungen und Forstarbeiten auch der Posteinsatz oder als Schneefräse.
Foto: Rolf Urrisk

Bergab mit "Handbremse"

Ein kleines Abenteuer stellten Bergabfahrten mit dem immerhin sechs Tonnen schweren Muli dar. Bei Kurvenfahrten, die äußere Kette war schneller als die innere, musste sie daher ausgekuppelt werden, damit diese äußere Kette schneller lief und verbunden mit dem Bremsmanöver der etwas rasante Schwenk möglich wurde, vergleichbar mit dem Handbraketurn von Rauno Aaltonen im Mini. Der schnelle Start der Nachkriegsproduktion des Mulis war nur durch die Tatsache möglich, dass verstreute Teile des Raupenschleppers Ost in den ausgelagerten Produktionsstätten der Steyr-Werke rasch "organisiert" werden konnten. Der Motormuli bezog seine Gene aus diesem Raupenschlepper, den Steyr unter der Federführung von Oskar Hacker 1942 entwickelte.

Der Fuhrpark der Wehrmacht versank 1941/42 im russischen Schlamm, das scheint sich bis heute nicht geändert zu haben. Aktuelle Fernsehaufnahmen von der ukrainischen Front zeigen Pick-ups hilflos gegen den Schlamm. Damals jedenfalls musste so schnell wie möglich ein wendiges Kettenfahrzeug her, gefordert wurde ein vielseitiger Raupen-Laster, hauptsächlich für Infanterieverbände, da es von der Fahrgeschwindigkeit her mit 14 bis 17 km/h mit Panzerverbänden nicht mithalten konnte. Als Motor lieferte Steyr den 3,5-Liter-V8-Benziner mit 70 PS aus der 1500-A-Serie, Deutz baute seinen Wälzkammer-Diesel mit 65 PS ein. Der Antrieb erfolgte über ein Kettenlaufwerk, Sperrdifferenzial mit Einscheibentrockenkupplung und zwei Schalthebeln, vier Vorwärtsgänge, zwei Gleisketten zu je 65 Gliedern, ein Triebrad vorn, ein Leitrad, vier Einfach-Laufräder in Reihe, vorn und hinten beidseits je eine Viertelfeder, Scheibenbremsen (!).

Bei einer HGM-Veranstaltung "Auf Rädern und Ketten" war unter anderem auch jene Version zu sehen, die die Österreichische Post für den Buseinsatz in hochalpinem Gelände vorgesehen hatte.
Foto: Johannes Dori

Wenig Fahrluxus

Der Aufbau einfach mit vielen Varianten, wenig Fahrluxus, wurden über 27.000 Stück gebaut. Ein Geheimnis sei verraten: Erbeutete russische Kettenschlepper dienten als Vorlage der Konstruktion.

Alle diese technischen Details fanden im Motormuli ab 1946 ihren Eingang, den Motor lieferte Steyr – 80 PS stark für das Muli-Modell M 60, die Version M 100 bekam 100 PS, Marschtempo weiterhin bescheiden: 16 km/h.

Ein kleiner Einschub bezüglich RSO sei noch erlaubt. Im unmittelbaren Nachkriegsdeutschland wurden noch 1500 Exemplare für den Zivilbedarf gebaut.

Zurück zum Motormuli. Schon der Name spricht von Last und Plage. Im Konzept stand ursprünglich die wahlweise Verwendung von aufgeklappten Rädern oder Kettenantrieb, ein Rückgriff auf Oskar Kargers Entwicklungen für das Bundesheer der Ersten Republik: Die legendäre Karette 20 PS, heute noch in norwegischen Sammlungen anzutreffen, Tiroler Gebirgsjäger brachten sie im Kriege mit. Auch der Artillerieschlepper des Bundesheeres basierte auf dem gleichen Konzept.

Konstrukteur Oskar Hacker,
1898 bis 1961.
Foto: Heeresgeschichtliches Museum Wien (HGM)

Einsatzort Hochalpenstraße

Von dieser Idee blieb der Muli verschont, relativ wenige Fahrzeuge fanden Käufer, zwei Stück arbeiten noch heute als Schneepflüge bei der Großglockner-Hochalpenstraße, im Waldviertel dient ein Muli unverdrossen im Forstbetrieb. Das Bundesheer erprobte das Fahrzeug, doch es bewährte sich kaum als Zufahrzeug für Geschütze, einfach zu schwach.

Ein Thema für sich sind jene zwei Exemplare, welche die Post erwarb. Von den Lohnerwerken 1951/52 als Linienbusse mit einer Kapazität von nur zwölf Sitzplätzen gebaut und ausgeliefert, galten sie für den Einsatz in schneereichen Gebieten wie etwa des Arlbergs. Der Steyr-Diesel-Vierzylinder M 380 (80 PS), direkt auf das Kettenfahrwerk unter der Fahrgastzelle montiert, ließ jede Ausfahrt zum Lärmtest ausarten, da gab es für die Busse keine Zukunft. Einer landete im Telekombereich, zum Kleinlaster mit festem Fahrerhaus umgebaut, bestimmt für Bauarbeiten beim Einsetzen von Masten, sein weiteres Schicksal bleibt Geheimnis. Bus Nr. 2 lebt noch, restauriert, vor Jahren von Bundesheerexperten für Kettenfahrzeuge fahrbereit gemacht, besuchte auch er die Veranstaltung Auf Rädern und Ketten im Arsenal-Gelände, momentaner Ruheplatz: Postgarage Zell/See.

Oskar Hacker erlitt das Schicksal vieler toller heimischer Techniker: weitgehend vergessen. Doch seine Erfindungen leben weiter, in der Welt der modernen Kettenfahrzeuge. (Peter Urbanek, 11.4.2023)