Logan Roy, Vater und Medienmogul in der Serie "Succession", dargestellt von Brian Cox.

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Brian Cox als Familienpate Logan Roy in "Succession" und seine um Liebe und Anerkennung ringenden Kinder, gespielt von Jeremy Strong (li.), Sarah Snook und Kieran Culkin.

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Die Kinder waren bereit, zum Äußersten zu gehen. "Reich mir die Schrotflinte", sagte Kendall. "Wir können das austragen, das wird lustig", gab sich seine Schwester Shiv entschlossen. "Ich glaube, wir sind ein gutes Team", stimmte Bruder Roman zu und gab die Parole aus: Auf ihn mit Gebrüll. Am Ende standen sie da, und es war wie immer. Vor ihnen lag der Scherbenhaufen der eigenen Attacke. "Zwergenaufstand!", brüllte der Vater, gegen den es gegangen war und gegen den sie einmal mehr verloren.

Pfründe verteidigen

So endete die dritte Staffel der großartigen Familiendrama-Serie Succession. Ein Zurück zu alten Gewohnheiten schien keine Option. Insofern ist am Beginn der vierten Staffel Durchstarten angesagt. Veränderungen an, die Sachlage dahinter bleibt dieselbe: Der alte Medienmogul kämpft um seine Pfründe und muss sich gegen Freund und Feind zur Wehr setzen, allen voran gegen die eigenen drei Kinder. Die vierte Staffel der HBO-Serie ist zugleich die letzte, ab Montag sind wöchentlich neue Folgen auf mobilen Diensten von Sky zu sehen.

Succession ist nicht zuletzt ein Lied auf den Untergang des alten, weißen Mannes. Der Patriarch, der um den Machterhalt innerhalb der Familie kämpft und sein eigen Fleisch und Blut für seine Interessen missbraucht, gibt nicht kampflos auf.

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Film- und Serienväter in der von Showrunner Jesse Armstrong erfundenen Art sind in der Film- und Seriengeschichte nicht gerade zahlreich vertreten. Skrupelloser gegen die eigenen Kinder als Logan Roy war vor ihm in Serien in den 1980er-Jahren nur J. R. Ewing in Dallas.

Ein Umstand, der in dem Zusammenhang auffällt: Der Schurkenvater in Filmen und Serien ist meistens grundmies zu anderen, die Bambinis sind ihm heilig. Okay, Darth Vader möchte man nicht unbedingt als Vater haben, und Tywin Lannister war in Game of Thrones seinen Kindern nicht gerade ein erzieherisches Vorbild, aber davon abgesehen hat man es als Nachwuchs beim Filmvater öfter nicht ganz schlecht.

Bad Daddy neueren Typus

Das Beispiel eines Bad Daddys neueren Typus zeigt etwa Big Little Lies: Während der Papa, gespielt von Alexander Skarsgård, seine Ehefrau (Nicole Kidman) krankenhausreif schlägt, ist er seinen Kindern ein liebevoller Freund. Der berühmte Walter White belog und betrog in Breaking Bad zwar seine Frau und den schwerkranken Sohn. Er tat dies zunächst aus hehren Motiven, um deren Versorgung zu sichern. Erst später fand er selbst Gefallen am Brutalverbrechen. Einen patriarchalen Firmenboss erlebte man zuletzt in The Consultant mit Christoph Waltz. Die Schwarmintelligenz der Mitarbeiter darin erinnert an Succession: So mies kann der mächtige Boss gar nicht sein, als dass es nicht ein paar Stiefellecker gäbe, die ihn umschwärmen, immer auf der Suche nach Liebe und Anerkennung.

Weitaus öfter und als Idealbild sind grundgute Väter in Serien anzutreffen, solche, die für den Nachwuchs ihr Leben riskieren. CTU-Agent Jack Bauer tat dies in der Actionserie 24 mit totalem Körpereinsatz. Einen heldenhaften und obendrein hervorragend aussehenden und deshalb in sozialen Medien erotische Daddy-Fantasien befeuernden Beschützer sah man zuletzt in The Last of Us mit Pedro Pascal.

Starke Väter

Als Grund für das Fehlen negativ besetzter Vaterfiguren wird mitunter hoher Erwartungsdruck angeführt. Väter sollen eine starke und schützende Rolle in der Familie einnehmen und ihre Kinder vor jeglichem Schaden bewahren, lautet die Vorgabe. Solche Erwartungen würden oft in Medien, Filmen und somit auch in Serien verstärkt. So gedacht, stellt ein negativ besetzter Vater eine Bedrohung für das Familienbild dar. In dieser positivistischen Auffassung gilt es darum, ein solches Szenario aufgrund seiner Vorbildfunktion zu vermeiden.

Doch zurück zu Succession: Wären sie nicht selbst so abscheulich, die Roy-Kinder könnten einem fast leidtun. Sie sind unbehütet von klein auf, auch die Mutter ist von seltsamer Herzlosigkeit. Geld verdirbt, so der Grundansatz, einfach den Charakter.

"Logan ist nicht so schlimm. Ich habe sogar eine Menge Sympathie für Logan."

Die Schurkenhaftigkeit in Succession liegt ohnehin im Auge des Betrachters. Der Patriarch hat sich nichts vorzuwerfen, wie auch Logan-Roy-Darsteller Brian Cox in einem Interview anmerkt. Seiner Meinung nach ist Logan kein Bösewicht. Er ist einfach nur ein Mann, der etwas zustande bringt, der etwas geschaffen und sich erarbeitet hat. Und der jetzt alle Hände voll damit zu tun hat, dass seine privilegierten, nichtsnutzigen Sprösslinge das Unternehmen nicht ruinieren, das er aufgebaut hat.

"Logan ist nicht so schlimm. Ich habe sogar eine Menge Sympathie für Logan", sagt Cox und erzählt von einer bestimmten Szene, die er Anfang der Woche gedreht hatte. "Logan kommt auf die Straße und sieht, wie heruntergekommen New York ist. Überall gibt es Ratten, und ein Typ isst sein Abendessen aus einer Blechdose. Logan sieht das und fragt sich: Wie konnte das passieren? Wie sind wir in diesen Zustand geraten? Es ist eine Parallele zu seinem eigenen Leben: Er hat diese schrecklichen, anspruchsvollen Kinder, aber er selbst hat diesen Anspruch nicht; er hat Empathie, die seine Kinder nicht haben. Er glaubt, dass er alles, was er getan hat, auch verdient hat ... und er hat nicht unrecht."

Zyniker oder Romantiker

Und weiter: "Es wird immer gesagt, dass ein Zyniker ein desillusionierter Romantiker ist. Ich glaube, das stimmt und ist auch die Wurzel dessen, was Logan als junger Mann war. Er sieht, dass das Leben nicht so funktioniert, wie man es gerne hätte, sondern auf eine eher käufliche Art und Weise. Seine Kinder begreifen jedoch nicht, dass sie keinen Erfolg haben können, wenn sie nicht arbeiten, wenn sie sich nicht mit einer gewissen Integrität für das einsetzen, was sie tun, und er kann nichts dagegen tun. Das ist einfach die Natur der Sache."

Die neuen Folgen erzählen davon und lassen eine weitere Wahrheit im Umgang mit der Familienbande erspüren: Deren Gegenwart kann unerträglich sein. Aber es ist geradezu unvorstellbar, wenn sie nicht mehr ist. Denn dann sind die Zurückbleibenden allein. Das Kinderspiel ist zu Ende. Der Ernst des Lebens beginnt. (Doris Priesching, 26.3.2023)

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