Vizebürgermeister und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos), Brigitte Gstrein von der Wiener Kinder-und Jugendhilfe (links) und Hedwig Wölfl vom Kinderschutzverein Die Möwe bei der Pressekonferenz.

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Wien – Es sei das "strengste Kinderschutzgesetz Österreichs", das Wien für die städtischen und privaten Kindergärten erhalten werde. So lautete bereits im November 2022 nach Aufkommen zahlreicher Missbrauchsverdachtsfälle in Kindergärten und in einer Volksschule die Ansage von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos). Und dieses wurde am Montag im Rahmen einer großen Auftaktveranstaltung im Wiener Rathaus vorgestellt. Wiederkehr sprach von "Pionierarbeit", die die Stadt Wien hier geleistet hätte.

200 Kinderschutzbeauftragte

Begrüßt wurden bei der Veranstaltung in Summe 200 Kinderschutzbeauftragte, die künftig als Ansprechpersonen für Eltern und Angestellte in Kindergärten und Krippen fungieren – und dabei die Schnittstelle zwischen Stadt Wien und den Einrichtungen bilden sollen. Jeder Träger musste dafür eine Person ernennen. Eingerichtet wurde zudem eine Kompetenzstelle bei der Wiener Kinder- und Jugendhilfe (MA 11), bei der die Beauftragten Fortbildungen absolvieren können. Sollte ein Verdachtsfall in einem Kindergarten aufkommen, könne man sich als Mitarbeiterin oder Pädagogin auch direkt an die Stelle wenden, sagt dazu Brigitte Gstrein von der MA 11.

Das Herzstück des Kinderschutzgesetzes bilden sogenannte Kinderschutzkonzepte. Bis Ende 2023 muss jeder Kindergarten – städtisch und privat – ein solches Konzept ausgearbeitet haben. Auch Krippen sowie alle Tageseltern müssen ein solches künftig vorweisen. Sei dieses mangelhaft oder werde sich seitens der Einrichtung nicht daran gehalten, könne die Stadt einschreiten. "Die Palette reicht von einem Verbesserungsauftrag über einen Entzug der Fördergelder bis zu einer Entziehung der Bewilligung", sagte Wiederkehr. Die Konzepte selbst sollen präventive Maßnahmen sowie Meldeketten, wie in Verdachtsfällen vorzugehen sei, beinhalten. Laut Wiederkehr habe man "Standards für andere Bundesländer gesetzt".

Vereine noch ohne Konzepte

Tatsächlich ist Wien hier schon einen Schritt weiter als andere Länder – auch wenn der Ruf nach sogenannten Kinderschutzkonzepten per se nicht neu ist. Offizielle Kinderschutzorganisationen fordern sie seit langem. Nach dem Aufkommen der Causa Teichtmeister hatte die schwarz-grüne Regierung angekündigt, sie nun auch in Schulen verankern zu wollen. In Kindergärten, für die die Länder zuständig sind, ist eine Pflicht bislang nicht vorgesehen. Angesprochen auf verpflichtende Konzepte in Vereinen sieht hier Wiederkehr die Zuständigkeit beim Bund. Dort wurde bislang jedoch nur ein Gütesiegel ins Rennen gebracht.

Dass Wien nun verstärkt auf Kinderschutz setzt, hat Gründe: Vergangenes Jahr wurden zahlreiche Missbrauchsverdachtsfälle in Kindergärten publik – sowie Wiens zweifelhafter Umgang damit. Viel zu spät und viel zu wenig seien Eltern etwa bei einem Verdachtsfall in einer Volksschule informiert worden, lautete die Kritik damals von der Kinder- und Jugendanwaltschaft. "Die Verdachtsfälle im letzten Jahr waren ein Anlass für uns weiterzuarbeiten", hieß es von Wiederkehr.

Mit dem Ergebnis zeigt sich Hedwig Wölfl von der Wiener Kinderschutzorganisation Möwe zufrieden: "Nichts löst so viel Ekel, Erschütterung, Hass und Racheideen aus wie Berichte von Kindermissbrauch. Umso wichtiger ist es, klar und sachlich reagieren zu können." Mit den vorgestellten Kinderschutzrichtlinien könne dies nun gelingen, sagte sie. (etom, 27.3.2023)