Caroline Baas (als zweite Eliza) zwischen Higgins und Pickering.

Foto: Luzia Puiu

Ob Johanna Mikl-Leitner sich in jüngerer Vergangenheit den Spielplan des niederösterreichischen Landestheaters zu Gemüte geführt hat? Dann könnte ihr dort George Bernard Shaws Pygmalion ins Auge gefallen sein, und sie könnte sich vom Phonetiker Professor Higgins und der Blumenverkäuferin Eliza Doolittle ermuntert gefühlt haben, zu hoffen, dass mit bloß genug Anleitung sogar aus der FPÖ eine akzeptable Dame wird.

Das Musical My Fair Lady machte das Stück von 1913 weltberühmt, und musikalisch legt es auch Ruth Brauer-Kvam in ihrer Inszenierung an. Die Musik steuert ihr Mann Kyrre Kvam bei, und man wünschte, er hätte nicht nur einige Nummern dafür komponiert, sondern würde einen die ganzen knapp zwei Stunden dauernden Soundtrack liefern. Denn er trompetet, spielt Klaviertöne ein, singt betörend. Los geht es aber mit exakt wummernden Beats: Zu ihnen wird auf der Bühne ein Darsteller nach dem anderen per Fingerschnippen des auf Feldforschung befindlichen Higgins mitten in einer Verrenkung eingefroren und sondert in feinstem Englisch einen Stehsatz ab. How do you do?

Hochsympathisch

Körperkomik ist neben Sprachkomik eine Stütze des hochsympathischen Abends. Drei verschiedene Elizas illustrieren die Fortschritte der habituellen Verfeinerung: Elizas proletarische Herkunft verrät sich zuerst bei Darsteller Tim Breyvogel in einem schaurig danebenliegenden Satzbau, der klingt wie direkt von Ernst Jandl geborgt. Als Nächstes wird Caroline Baas mit puppenhaften Bewegungen konzentriert "Es grünt so grün ..." formulieren, zuletzt Fanny Krausz tadellos Klavier spielen und einen Platz in der ihr neuen feinen Welt einfordern.

Einerseits ergibt das einige reizende Szenen, ein auf den ersten Blick in Eliza sich verliebender Erbe (Julian Tzschentke) verwuzelt sich dann in einen Vorhang. Oder eine Teerunde sitzt auf einem Rundmöbel so Rücken an Rücken, dass sich alle dauernd recken müssen, um einander beim Sprechen anzusehen.

Gehetzt

Man fühlt sich aber andererseits etwas durch die Geschichte gehetzt, ohne dass dabei viel Gefühl für die Charaktere aufkommt. Die Komödiantik von Higgins (Julia Kreusch) und seinem Herausforderer Pickering (Tobias Artner) ist etwas zu platt und laut. Fortlaufend ohne Mehrwert und Witz in den Text eingestreute englische Wörter wirken eher affektiert als atmosphärisch.

Monika Rovan hat den Figuren zwar schöne Kostüme entworfen und übergroße Sprechtrichter, mit denen sie gelegentlich herumtoben. Man würde Eliza 110 Jahre nach ihrem allerersten Auftritt aber etwas mehr emanzipatorische Kraft wünschen, als ihr die inhaltlich ziellos bleibende Inszenierung zutraut. Die Musik ist da einen Tick frischer. (Michael Wurmitzer, 28.3.2023)