Wir sind fleißig dabei, unseren Planeten zu ruinieren – und einen zweiten haben wir nicht. Wir steuern auf eine Klimakatastrophe zu. Gletscher schmelzen, Pole tauen ab, der Meeresspiegel steigt. Das Trinkwasser wird knapp, und Dürren sorgen für Existenznöte. Jeden Tag sterben zuhauf Tierarten aus. Mit Appellen wie diesen machen Umweltaktivistinnen und Fachleute seit Jahren auf die Klimakrise aufmerksam. Sie sollen uns verdeutlichen: Es ist dringend. Verdammt dringend. Die Menschheit muss handeln, damit auch die nächsten Generationen noch ein lebenswertes Leben haben.

So weit, so eindringlich. Dennoch ändert sich kaum etwas – obwohl sich 42 Prozent der in einer Umfrage befragten Österreicherinnen und Österreicher mehr Klimaschutzmaßnahmen wünschen. Woran hakt es also?

Der Eisbär, dessen Lebensraum durch den Klimawandel bedroht ist: Er sei als Symbol nicht mehr stark genug, sagen Kommunikationsexperten. Weil er zu weit weg sei und die Menschen nicht dazu bringe, ihr eigenes Verhalten zu ändern.

Das haben wir diejenigen gefragt, die sich mit guter Kommunikation auskennen. Markus Wieser und Alexander Hofmann sind Geschäftsführer der Werbeagentur Heimat Wien, die auch für soziale und Umweltschutzorganisationen arbeitet. Moritz Arnold ist Managing Director und Leiter der Abteilung Corporate Affairs bei Grayling, einer international tätigen PR-Agentur. Mit seinem Team kommuniziert er Nachhaltigkeitsthemen für Organisationen aus unterschiedlichen Sektoren.

Eine Art Schockstarre

Die befragten Experten sind sich einig: Das Klima hat ein PR-Problem. Wäre das Klima sein Kunde, würde Arnold ihm ein "Rebranding" empfehlen: eine radikale Änderung der Kommunikationsstrategie. Die rein wissenschaftliche, warnende Erzählung sei erschöpft "und hat offenkundig nicht die Wirkung, die es bräuchte, um Verhaltensweisen zu ändern". Auch wenn Wissenschafterinnen und Wissenschafter keinesfalls aufhören sollten zu mahnen, brauche es eine andere Kommunikation.

DER STANDARD

Das Wachrütteln mit Fakten funktioniere psychologisch nicht mehr, bei den meisten Menschen führe es vielmehr zu einer "Schockstarre". Kaum jemand reagiere auf schlimme Fakten, indem er sein Verhalten ändert. Eher entstehe ein Gefühl der Machtlosigkeit – oder Menschen würden eine rein symbolische Handlung setzten. So könnte jemand aus schlechtem Gewissen für einen kurzen Weg das Auto stehen lassen und das Rad nehmen. "Er löst damit sein schlechtes Gewissen, ändert jedoch sein Mobilitätsverhalten außer dieses eine Mal nicht."

Aussagen wie "Es ist fünf vor zwölf" oder "Wir haben keinen Planeten B" wiederum würden zwar gut auf Demoplakaten und als Metapher funktionieren, aber kaum jemanden dazu bewegen, sein Leben umzukrempeln.

Müde von schlechten Nachrichten

Alexander Hofmann spricht dabei von einer "Alarm-Fatigue": Die Menschen werden ob der Warnmeldungen müde. Sie schalten ab, meiden Nachrichten. "Wenn man die Probleme zu drastisch darstellt – auch wenn es der Realität entspricht und die Kommunikation korrekt ist –, kommt man irgendwann zu einem Punkt, wo es den Menschen zu viel wird." Ein bisschen Hoffnung brauche der Mensch immer.

Bei jeder Kommunikation gehe es darum, "was das Gegenüber annehmen kann und was bei ihm hängen bleibt". Die Wissenschaft müsse und wolle sehr korrekt kommunizieren – "die Aufgabe ist aber nicht nur die wissenschaftliche Korrektheit, sondern bei den Menschen durchzukommen". Botschaften müssten simplifiziert, reduziert und auf eine zwischenmenschliche Ebene gehoben werden, empfiehlt Hofmann.

Werde in der Werbung ein Produkt angepriesen, müsse nicht nur dargestellt werden, was es kann, sondern auch, welchen Mehrwert es bietet. Umgelegt auf den Klimaschutz heiße das: Es muss deutlich gemacht werden, was er den Menschen bringt. Denn im Grunde sei auch er nichts Uneigennütziges – geht es doch darum, dass die Menschheit weiterhin ein gutes Leben führen kann. "Dass es darum geht, unseren Lebensraum zu schützen, schafft die Kommunikation bei dem Thema ganz selten zu vermitteln."

Mit positiven Beispielen voran

Es müsse zudem gezeigt werden, was bereits gut läuft, ist Markus Wieser überzeugt. Mittlerweile hätten die allermeisten bereits verstanden, dass die Klimakrise real und eine große Herausforderung ist, der dringend begegnet werden muss. "Wir müssen einander nicht ständig erklären, wieso es noch schlimmer ist als gedacht. Mir fehlt in der ganzen Diskussion ein hoffnungsvoller, zukunftsfreudiger Blick." Wieser wünscht sich mehr positive Beispiele, Lösungen und Optimismus.

Den negativen Zugang kritisiert er auch bei den Protesten der Klimaaktivisten, die sich auf die Straße kleben. Erstens sei das, worauf sie hinweisen sollen, allen bewusst. Zweitens würden die Proteste vor allem zu Widerstand führen. "Viel charmanter wäre es doch, wenn man sich entlang eines Radwegs aufstellen würde und jeden Radfahrer, der vorbeikommt, beklatschen und bejubeln würde." Das wäre ein "viel freundlicheres und positiveres Bild und effektiver, als Menschen den Weg abzuschneiden", ist sich Wieser sicher.

Wir können etwas ändern und sind viele

Es gelte, Fakten greifbar zu machen und an die Lebensrealität der Menschen anzupassen, sagt Arnold. Informationen, wie viel Tonnen CO2 ausgestoßen würden, seien teils "viel zu abstrakt." Besser: aufzuzeigen, wo jeder und jede einzelne mit seinem oder ihrem Verhalten einen Unterschied machen kann – ein Begriff, der in der Psychologie unter "Selbstwirksamkeit" firmiert. Außerdem müsse signalisiert werden, dass man nicht allein ist, dass sich die Gesellschaft beim Klimaschutz auf einer Art gemeinsamen Mission befindet. Der Klimaschutz werde so zu einer Art sozialer Norm.

Gelingen könne das mit Botschaften wie: "Bereits mehr als jeder zehnte Mensch in Österreich hat seine Ernährung auf vegetarisch umgestellt und belastet damit nicht nur das Klima um 70 Prozent weniger, sondern senkt auch sein Risiko für Herzkreislauferkrankungen um ein Drittel. Würden das noch mehr Menschen tun, ließen sich die Auswirkungen der Klimakrise in Österreich begrenzen."

Diese Empfehlungen gelten auch für Politikerinnen und Politikern: "Auch sie müssen die Chance spüren, dass sie beispielsweise mit einem längst benötigten Klimaschutzgesetz aktiv Veränderungen schaffen und so – überspitzt gesagt – Helden und Heldinnen der Klimakrise für Österreich werden."

Der Eisbär hat ausgedient

Neben den Worten müssen jedoch auch die Bilder überdacht werden. Der Eisbär eignet sich nicht mehr als Symbol für die Klimakrise, sind sich die befragten Experten einig. "Der ertrinkende Eisbär ist nicht mehr stark genug. Er ist zu weit weg, hat wenig Relevanz für das persönliche Umfeld der meisten Menschen in Österreich", so Arnold.

"Wir haben uns daran sattgesehen", sagt auch Hofmann, wobei er betont: "Grundsätzlich ist es gut, Problemen ein Gesicht zu verpassen, ein Symbol für etwas zu finden." Der Eisbär jedoch sei nicht unbedingt dazu geeignet, Eigenverantwortung auszulösen. "Er führt vielleicht zu einer Spende. Aber bringt er Menschen dazu, ihr Verhalten zu ändern? Das bezweifle ich", erklärt Hofmann. "Ich ändere mein Verhalten dann, wenn ich das Gefühl habe: Mein Leben, wie ich es kenne, ist bedroht."

Die Klimakrise müsse also "nahbar und begreifbar gemacht werden", sagt Wieser. Gelingen könne das womöglich mit Bildern von ausgetrockneten Seen oder Schnee aus Schneekanonen auf einer sonst grünen Wiese. Auch der Wassermangel in Teilen Europas mache viele Menschen betroffen. Aus solchen Nachrichten könnten wirksame Botschaften entstehen, "das ist ein weites Spielfeld für Kreative", meint Wieser. Eine Ortstafel von "Weiden am See", auf der der See durchgestrichen ist, wäre womöglich so eine Symbolik, die viele zum Nachdenken bringen könnte.

Personalisierte Botschaften

Der Experte hebt jedoch hervor: Man könne nicht nach der Devise "One size fits all" vorgehen und mit einer einzigen Symbolik arbeiten. "Wichtig wäre zu schauen, welche Menschen anhand welcher Lebenssituationen welche Erfahrungen und Beobachtungen machen – und welche Symbole jeweils die richtigen sind."

Auch Arnold ist sich sicher: Ohne Personalisierung geht es nicht. "Die Gesellschaft fragmentiert zunehmend. Es gibt nicht mehr die eine Botschaft, die eine große Wendung bringt." Während man die einen stärker über die Ernährung erreicht, erreiche man andere vielleicht über Reisen, Mobilität oder Tierschutz. "Ich räume ein, wie jede sehr gute Kommunikation ist das relativ aufwendig – das Wissen liegt aber auf dem Tisch, man müsste es nur anwenden. Und es geht schließlich um viel." (Lisa Breit, 6.4.2023)