"Ich bin kein typischer Politiker", sagt SPÖ-Chef David Egger im Interview. Im Gegensatz zu Wilfried Haslauer (ÖVP) und Marlene Svazek (FPÖ) habe er keine Parteiakademie durchgemacht.

Foto: Birgit Probst

Der Salzburger SPÖ-Spitzenkandidat David Egger nennt die eigene Partei einen alten Öltanker, der modernisiert werden soll. Wer im Bund die Rolle der SPÖ-Chefin oder des SPÖ-Chefs übernehmen soll? Damit wolle er sich erst nach der Landtagswahl am 23. April beschäftigen, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Inhaltlich stehe er hinter einem restriktiven Asylkurs. Ein Werbeverbot für Impfungen oder Holocaust-Verharmlosungen seien rote Linien.

STANDARD: Wie sehr ärgert es Sie, dass ausgerechnet vor der Landtagswahl die Führungsdebatte im Bund hochkocht?

Egger: Natürlich ist es unangenehm. Ich nenne es ein negatives Nebengeräusch. Die Ehrenamtlichen, die draußen unterwegs sind, werden damit konfrontiert und können gar nix dafür. Ich würde nicht sagen, dass es schadet. Aber ich hätte es mir vom Timing her besser vorstellen können, dass diese Debatte aus dem Bund losgetreten wird. Aber es ist nicht zu ändern. Ich werde damit leben, und ich werde mich zu hundert Prozent auf Salzburg fokussieren.

STANDARD: Und für wen als SPÖ-Chefin oder SPÖ-Chef werden Sie stimmen?

Egger: Es gibt 73 potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten. Aber ich habe mich ganz ehrlich noch nicht einmal damit befasst. Ich glaube, wir haben in Salzburg andere Probleme zu lösen als den internen SPÖ-Wettkampf.

STANDARD: Aber bisher haben Sie sich ja eher dem Doskozil-Lager zugerechnet.

Egger: Zugerechnet wurde ich zum Lager Doskozil eher von den Medien, nicht von mir selbst. Inhaltlich bin ich bei Hans Peter Doskozil, was den Mindestlohn angeht, die Anstellung pflegender Angehöriger oder auch den aktiven Wohnbau, den er betreibt. Da kann man einiges für Salzburg übernehmen. Ich habe eine inhaltliche Nähe zum Burgenland. Aber wer am Ende des Tages an der Spitze stehen soll, das sollte der oder die Beste sein. Ich werde mich erst nach der Landtagswahl mit irgendeiner Führungsdebatte auseinandersetzen.

STANDARD: Dann zurück nach Salzburg: Die Umfrage von Hajek weist der SPÖ einen Absturz auf 17 Prozent und damit auf Platz drei hinter der FPÖ aus. Das zu einem Zeitpunkt, wo eigentlich die ÖVP in den Negativschlagzeilen war und alle Kernthemen der SPÖ in Zeiten der Teuerung sehr drängend erscheinen. Geben Sie dafür nur dem Bund die Schuld, oder ist das auch ein bisschen Ihrer Unbekanntheit geschuldet?

Egger: Die Bekanntheitswerte sind ja nicht so schlecht. Aber Umfragen sind Umfragen. Die sind gestern schlecht, morgen vielleicht schon wieder besser. Es ist es eine Momentaufnahme, und ich bin der Letzte, der irgendjemandem die Schuld gibt. Ich habe gelernt, dass man selbstreflektiert sein und bei sich selbst anfangen soll. Meine Oma hat immer gesagt: Vor der eigenen Haustür kehren. Natürlich wäre es unmenschlich, wenn ich sagen würde, das berührt mich nicht.

STANDARD: Und wenn Sie jetzt selbst reflektieren: Was hat die SPÖ falsch gemacht, warum hat sie keine besseren Ergebnisse?

Egger: Es war ein Auf und Ab bei den Umfragen. Wir lagen zwischenzeitlich bei 24 Prozent, aber ich möchte kein Umfragenkommentator sein, ich konzentriere mich auf die Lösungen. Vielleicht war es der Schlingerkurs der SPÖ, wir haben nicht genug Kante gezeigt. Da spreche ich die Asyl- und Migrationsdebatte an und die Meinung zum Schengen-Veto zu Bulgarien und Rumänien. Da gab es zu viele Meinungen.

STANDARD: Was ist Ihre Meinung zum Asylkurs?

Egger: Ich stehe hinter einem restriktiven Asylkurs. Es wird keinen Millimeter an den Menschenrechten gerüttelt, das ist ein absolutes No-Go. So ein Rechtsruck wie in Niederösterreich ist für mich eine rote Linie, die überschritten wird, wenn in Pausenhöfen nur noch Deutsch gesprochen werden darf. Ein größerer Blödsinn kann einem nicht einfallen. Für den Asyl- und Migrationskurs haben wir seit 2018 ein Papier, das eine gerade Linie vorgibt. Integration vor Zuwanderung, das Asylrecht gilt. Aber alle, die bei uns straffällig werden mit körperlicher Gewalt bis hin zum Mord, denen gehört die Gastfreundschaft entzogen. Wir haben einen Arbeitskräftemangel. Diejenigen, die sich bei und eine Existenz aufbauen, sich einbringen und bei uns Steuern zahlen wollen, denen ist das zu ermöglichen. In jedem Betrieb fehlen die Leute. Ich verstehe nicht, warum wir keine effektive Arbeitsmigration betreiben.

STANDARD: Sie haben kurz Niederösterreich angesprochen und den Rechtsruck mit dem dortigen FPÖ-Chef Landbauer. Die SPÖ selbst hat im Wahlkampf zwar davor gewarnt, die KPÖ zu wählen, weil sonst Schwarz-Blau komme, aber gleichzeitig die Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen nicht ausgeschlossen. Wie passt das zusammen?

Egger: Ich möchte überhaupt nicht über Regierungskonstellationen reden. Wir haben ganz klar rote Linien. Dass man wie die FPÖ in Niederösterreich verbietet, für Impfungen zu werben oder aus den Reihen der FPÖ irgendwer den Holocaust verharmlost oder leugnet, das wird es mit der SPÖ Salzburg sicher nicht geben. Das wäre auch ein Ausschlussgrund für mich.

STANDARD: Wenn Sie eingeladen werden zu Koalitionsverhandlungen, was wäre Ihr Wunschressort als Landesrat?

Egger: Das ist das Letzte, über das ich mir Gedanken gemacht habe, weil es nicht um Posten geht, sondern darum, Inhalte umzusetzen. Aber das Wohnbau-Ressort liegt mir nahe. Weil das Wohnen mehr als die Hälfte von jedem Gehaltszettel wegfrisst. Das ist ein Versäumnis der letzten 20 Jahre. Der freie Markt regelt das nicht. Wir brauchen einen staatlichen Eingriff, einen aktiven Landeswohnbau, bei dem Grundstückspolitik betrieben wird und man mit gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaften 1.000 Wohnungen pro Jahr baut. Aber auch Soziales und Gesundheit liegen nahe.

STANDARD: Die SPÖ hat immer wieder das aktuelle Modell der Wohnbauförderung kritisiert. Welches Modell soll eingeführt werden?

Egger: Salopp gesagt, zurück zum alten Darlehensmodell mit Annuitätenzuschüssen. Da hat man es noch geschafft, wenn man arbeiten geht, sich Eigentum zu leisten. Und dieser Traum, der ist ja beinahe schon zerplatzt mittlerweile, wenn man nicht etwas erbt.

STANDARD: Doch bei diesem Modell war das Problem, dass die Mieten in geförderten Wohnungen stark stiegen.

Egger: Es war natürlich nicht perfekt. Dieses Modell gehört optimiert. Da muss man schauen, was ist jetzt zeitgemäß. Mein Zugang ist, dass Menschen, die hart arbeiten, dann nicht abhängig von den Bankensystemen sind, sondern das Land die gewisse Sicherheit gibt.

In der Dreierkoalition sei ein alter Politikstil ausgeübt worden, sagt David Egger. "Ständig wird die Verantwortung abgeschoben, anstatt vor der eigenen Haustür zu kehren. Das bin ich nicht."
Foto: Birgit Probst

STANDARD: Jetzt hat in den letzten zehn Jahren das Wohnbauressort bisher immer ein Juniorpartner innegehabt, der nicht viel ausrichten konnte. Warum soll das jetzt anders werden?

Egger: Das war diese Dreier-Dirndl-Konstellation. Da hat immer jeder im Kreis herum den anderen die Schuld gegeben. Ich würde ja, aber die anderen wollen nicht. Der ÖVP-Krösus mit den fünf größten Ressorts und mächtigsten Landesräten will nicht. Die ÖVP hat wieder gesagt, die Grünen verhindern hintenrum den Klimaschutz. Ich finde das einen alten Politikstil. Ständig wird die Verantwortung abgeschoben, anstatt vor der eigenen Haustür zu kehren. Das bin ich nicht.

STANDARD: Ein bestimmendes Wahlkampfthema ist die Salzburg AG, was soll da jetzt passieren?

Egger: Das Einfachste wäre, eine Dividende abzuschöpfen. Das wäre die erste, schnellste, effektivste Möglichkeit, die sozial gerecht gestaffelt die Haushalte entlastet. Wenn man immer nur Geld drüberschüttet, wird das jedoch nicht die Inflation bekämpfen. Das heißt, wir bräuchten eigentlich Eingriffe in den Preisgestaltungsprozess. Da muss sich Haslauer am Anfang des Tages, wenn er in den Spiegel schaut, fragen, bin ich jetzt auf der Seite der Salzburg AG und Aufsichtsrat, oder bin ich Landeshauptmann und handle im Sinne der Salzburgerinnen und Salzburger.

STANDARD: Wie weit soll man bei der Salzburg AG gehen? Wäre es eine Option, dass das Land das Unternehmen wieder zurückkauft?

Egger: Auch die SPÖ war dabei. Aber dieser Syndikatsvertrag und diese Aufteilung, bei der die Oberösterreicher mit 26 Prozent drinnen sind, war aus heutiger Sicht ein schwerer Fehler. Gesundheit, Soziales, Infrastruktur – das muss das Land bewerkstelligen. Insourcing statt Outsourcing. Wenn es irgendwie die Möglichkeit gäbe, auf der Stelle zurückzukaufen. Die Oberösterreicher sehen das als kleinen Gelddrucker, den sie irgendwo im Keller stehen haben. Auf der einen Seite macht die Salzburg AG Millionengewinne, auf der anderen gibt es einen Investitionsrückstau beim öffentlichen Verkehr.

STANDARD: Es gab einige kritische Stimmen zu Ihrem Plakat, auf dem das Wort "Politiker" durchgestrichen ist. War es klug, für die Wahlkampagne auf eine externe Agentur zu verzichten?

Egger: Ja, absolut. Weil wir so tolle Leute bei uns im Haus haben. Das Potenzial war ja fast ungenutzt. Ich bin kein typischer Politiker. Der Unterschied zu Marlene Svazek und Wilfried Haslauer ist, dass ich keine Parteiakademien durchgemacht habe, sondern ich bin ein Quereinsteiger und in der Kommunalpolitik groß geworden. Die SPÖ hat diesen neuen Blick von außen gebraucht. Ich bin für alle offen, die sich konstruktiv einbringen. Wir modernisieren unsere Partei. Es ist ein etwas in die Jahre gekommener Öltanker, der bald in im neuen Glanz erstrahlen soll. Weg vom Öl hin zu solarbetrieben. (Interview: Stefanie Ruep, 3.4.2023)