Er hatte seine eigene Festnahme für Dienstag vor zehn Tagen angekündigt. Zu dieser kam es nun noch nicht, aber die Anklage gegen Donald Trump ist seit diesem Donnerstag tatsächlich da.

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Der ehemalige US-Präsident Donald Trump ist im Zusammenhang mit einer angeblichen Schweigegeldzahlung an eine Pornodarstellerin angeklagt worden. Das berichtete die "New York Times" am Donnerstag, mehrere weitere US-Medien bestätigten die Meldung. Trump ist der erste frühere US-Präsident der Geschichte, gegen den Anklage erhoben wird. Vorausgegangen war der Anklage die Abstimmung einer Grand Jury. Dabei handelt es sich um ein Laiengremium, das bei nichtöffentlichen Fällen über die Frage zu befinden hat, ob Beweise der Staatsanwaltschaft für eine Anklageerhebung ausreichen.

VIDEO: Nach der Anklageerhebung gegen Donald Trump versammeln sich wütende Anhänger vor dem Anwesen des Ex-US-Präsidenten in Florida. In New York gehen Gegner Trumps auf die Straße – sie empfinden Genugtuung.
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Die bisher unter Verschluss gehaltene Anklageschrift wird vermutlich in den kommenden Tagen veröffentlicht, berichtete die "New York Times". Hintergrund sind Ermittlungen des ermittelnden Bezirksstaatsanwalts von New York, Alvin Bragg. Stellungnahmen seines Büros lagen zunächst nicht vor. Es hieß lediglich, weitere Details würden mitgeteilt, sobald ein Termin für die Anklageverlesung bestimmt ist. Trumps Anwältin Susan Necheles teilte der Nachrichtenagentur AFP mit, die Anklageerhebung werde für Dienstag erwartet.

Trumps Anhänger protestierten vor seinem Wohnsitz in Florida, nachdem der Ex-Präsident seine Festnahme angekündigt hatte.
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Der Rechtspopulist Trump, der bei der Präsidentschaftswahl 2024 erneut antreten will, bestreitet alle Vorwürfe und bezeichnet die Ermittlungen als politisch motivierte "Hexenjagd". In einem Statement auf seinem Nachrichtendienst Truth Social nannte er sich "vollkommen unschuldig" und sprach von "politischer Verfolgung und Wahlfälschung in größtem geschichtlichem Ausmaß". Sein Sohn Donald Jr. drohte in einem Podcast den Gegnern seines Vaters mit dessen Anhängern: "Wartet nur, bis sie euch holen gehen – denn das werden sie tun!" Er fügte hinzu, die Anklage würde "Mao, Stalin und Pol Pot die Schamesröte ins Gesicht bringen".

Dunkle Andeutungen

Trump Sr., der Ex-Präsident, hatte schon vor knapp zwei Wochen in sozialen Medien seine Festnahme angekündigt und damals auch seine Anhänger für diesen Fall zu Protesten aufgerufen. Zahlreiche Unterstützer protestierten vor Trumps Wohnsitz in Florida. Seither war zwar eine solche Festnahme nicht erfolgt, dafür ist der Ex-Präsident bei mehreren Reden aufgetreten und hat dabei immer wieder auch Andeutungen gemacht, die jenen vor dem Sturm auf das Kapitol vom Jänner 2021 ähnelten. Damals hatte Trump ja seine Niederlange bei der Präsidentenwahl 2020 in Abrede gestellt und Anhänger zu Protesten vor dem Kapitol ermuntert. Diese drangen daraufhin – während einer Sitzung zur Bestätigung des Wahlergebnisses – gewaltsam in den US-Parlamentssitz ein. In der Folge verloren mindestens fünf Menschen ihr Leben, mehrere Dutzend wurden verletzt. Gegen Trump wurde ein Impeachment-Verfahren eröffnet, das allerdings in einem Freispruch endete.

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Für die Anklageerhebung zuständig ist die Grand Jury in New York. Die Beratungen des aus 23 Bürgern bestehenden Gremiums sind geheim. Mit einer Entscheidung war ursprünglich erst gegen Ende April gerechnet worden, nachdem sie zuvor offenbar mehrfach verschoben worden war.

Die Ermittlungen drehen sich um Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels.
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Zahlungen verschleiert

Bei den Ermittlungen geht es dem Vernehmen nach um eine Schweigegeldzahlung von 130.000 Dollar (rund 120.000 Euro) an die Pornodarstellerin Stormy Daniels vor der Präsidentschaftswahl 2016. Der Pornostar mit dem bürgerlichen Namen Stephanie Clifford gibt an, 2006 eine Sexaffäre mit Trump gehabt zu haben, was dieser bestreitet.

Die Zahlung an sich ist nicht illegal, angeklagt werden könnten aber eine Fälschung von Geschäftsdokumenten oder illegale Wahlkampffinanzierung. Die Zahlung soll nämlich aus Wahlkampfgeld finanziert worden sein.

Trump und sein Anwalt Michael Cohen – der mittlerweile selbst in Haft war und gegen seinen früheren Chef aussagt – sollen versucht haben, dies zu verschleiern. So wurde die Ausgabe zuerst von Cohen getätigt, und dann unter dem Titel "Anwaltkosten" abgerechnet. Die beiden Vorwürfe würden in diesem Fall auf die Fälschung von Unternehmensdokumenten sowie auf die Annahme einer illegalen Wahlkampfspende lauten. Allerdings: Die Anklageschrift ist noch nicht veröffentlicht, Überraschungen sind daher möglich.

Trump selbst erklärte mehrfach seine Unschuld und schrieb auf seiner Social-Media-Plattform Truth Social, es habe weder eine Affäre mit Daniels noch irgendwelche Geldzahlungen gegeben. Dem Staatsanwalt Bragg wirft er parteiisches Handeln vor, außerdem verdächtigte er den afroamerikanischen Juristen öffentlich des Rassismus. Zudem nannte er den Staatsanwalt ein "Tier".

Trump soll mithilfe seines Anwalts, Michael Cohen (Bild), versucht haben, seine Schweigegeldzahlung zu verschleiern.
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Drohungen gegen Staatsanwalt

Außerdem wurde Bragg seit dem Bekanntwerden der möglichen Verhaftung Trumps mit mehreren Drohungen und Einschüchterungsversuchen konfrontiert. Am Freitag wurde Medienberichten zufolge eine pulverförmige Substanz mit einem Drohbrief in dem Postfach seines New Yorker Büros gefunden. Beamte konnten feststellen, dass die Substanz nicht gefährlich war. Republikaner im Abgeordnetenhaus kündigten an, ihn zu einer Aussage vor einem Ausschuss vorzuladen.

Eine Anwältin Trumps teilte in einer erste Reaktion mit, sie könne die Angaben über die Anklage bestätigen. Ein weiterer Sprecher Trumps sagte, es handle sich um "eine Anklage ohne Verbrechen, weil es kein Verbrechen gab". Sein Sohn Eric verglich das Vorgehen mit "einem Dritte-Welt-Land".

Der Ex-Präsident vor einem Gericht

Wie es nun genau weitergeht, ist offen. An sich sind für solche Fälle Prozeduren vorgesehen, hieß es im Vorfeld. Trump wehrte sich gegen alle, versuchte aber auch, diese als politisches Kapital für sich zu nützen: erkennungsdienstliche Erfassung samt Abnahme der Fingerabdrücke und Anfertigung von Polizeifotos; Verlesung der Anklageschrift; Entscheidung über eine Kautionszahlung durch einen Richter oder eine Richterin. Häufig werden Beschuldigten dabei auch Handschellen angelegt – für Trump gleichzeitig eine Horrorvorstellung und eine Chance zur medienwirksamen Inszenierung als Opfer einer linken Justiz.

Erwartet wird, dass Trumps Anwälte und die New Yorker Staatsanwaltschaft sich darauf verständigen, dass der Ex-Präsident persönlich erscheint. Der für den Schutz von Präsidenten und Ex-Präsidenten zuständige Secret Service (der kein Geheimdienst ist, wie der Name suggerieren würde, sondern eine Sicherheitsbehörde) dürfte sich dann eng mit den örtlichen Polizeibehörden abstimmen. Eine Anwältin Trumps sagte dem Sender CNN, ihr Mandant werde sich vermutlich in der kommenden Woche den Behörden stellen.

Trump lebt in Florida in seinem Anwesen Mar-a-Lago. Nach dem Recht Floridas kann der Gouverneur in einer Auslieferungsangelegenheit eingreifen, wenn diese angefochten wird. Es ist unwahrscheinlich, dass dieser Fall eintritt.

Viele weitere Verfahren

Ein Prozess und eine Verurteilung, bei der dem Republikaner womöglich mehrere Jahre Haft drohen, könnten seine Pläne für einen erneuten Wahlantritt gefährden – mit Blick auf die Unterstützung seiner Partei und der republikanischen Basis. Allerdings könnte Trump sich auch als Opfer darstellen und so versuchen, weitere Sympathien zu gewinnen oder zumindest Ressentiments zu schüren. Rein rechtlich dagegen dürfte Trump auch als verurteilter Straftäter bei der Präsidentenwahl 2024 antreten, wie Rechtsexpertinnen und Rechtsexperten betonen.

Allerdings wird gegen Trump auch in einer ganzen Reihe weiterer Punkte ermittelt. So wird unter anderem seine Verstrickung in den Kapitolssturm von 2021 untersucht. Zudem ist in Georgia ein Verfahren wegen seines Versuches anhängig, das dortige Wahlergebnis manipulieren zu lassen. Darüber hinaus geht ein Sonderermittler des Justizministeriums Vorwürfen nach, Trump habe strenggeheime Dokumente nach seiner Amtszeit bei sich zu Hause gehortet und auch nach Aufforderung der zuständigen Stellen bewusst nicht herausgegeben.

Pence beschuldigt "politischen Staatsanwalt"

Führende Republikaner haben die Anklage scharf verurteilt. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, warf dem zuständigen Oberstaatsanwalt von Manhattan am Donnerstag (Ortszeit) vor, "unser Land in einem Versuch der Einmischung in unsere Präsidentschaftswahl irreparabel beschädigt" zu haben.

Der ehemalige US-Vizepräsident Mike Pence nannte die Anklage gegen den Ex-Präsidenten einen "Skandal".
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Der frühere US-Vizepräsident Mike Pence übte scharfe Kritik: "Ich finde, das ist ein Skandal", sagte er zu CNN. "Dies wird nur dazu dienen, dieses Land weiter zu spalten." Dass ein ehemaliger Präsident der USA auf beispiellose Weise in einer Wahlkampffinanzierungsangelegenheit angeklagt werde, sei skandalös, beklagte Pence. Niemand stehe über dem Gesetz, auch nicht Ex-Präsidenten, betonte Pence. Doch in diesem Fall hätte es nie zu dieser Anklage kommen dürfen.

"Das ist eine schlechte Entscheidung eines politischen Staatsanwalts", meinte Pence, der von 2017 bis 2021 Trumps Stellvertreter war. Ihm werden ebenfalls Ambitionen für eine Präsidentschaftsbewerbung nachgesagt. Seine Entscheidung dazu sei noch nicht gefallen, sagte der Republikaner.

Selbst Trumps größter parteiinterner Konkurrent, Ron DeSantis, kritisierte das Vorgehen. "Wenn das Rechtssystem als Waffe eingesetzt wird, um eine politische Agenda voranzutreiben, wird die Rechtsstaatlichkeit auf den Kopf gestellt", schrieb der Gouverneur des Bundesstaates Florida auf Twitter. Es wird erwartet, dass DeSantis ebenfalls als Präsidentschaftsbewerber für die Wahl im November 2024 antritt. (red, mae, mesc, APA, 30.3.2023)