SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner sammelte 100 Frauen als Unterstützerinnen, darunter die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures.

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Hundert Frauen für Pamela Rendi-Wagner: Die SPÖ-Chefin hat sich ihren Spin für die rote Mitgliederbefragung überlegt. Während ihre aussichtsreichsten Kontrahenten, Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler, auf Kommunalpolitik und auf Masse setzen, trommelt die erste weibliche Vorsitzende der SPÖ die Frauen in der Partei zusammen. Es ist ein wirkmächtiges Symbol, das Rendi-Wagner für ihre Kandidatur gewählt hat: Die Frauen in der Sozialdemokratie, sie stehen zusammen.

Von den 73 Bewerbungen, die für den Vorsitz der Bundes-SPÖ eingetrudelt sind, kamen nur vier von Frauen. Außer Rendi-Wagner soll keine davon überregional bekannt sein. Und so spielt die Verteidigerin die Feminismuskarte. Unique Selling Point nennt man das im Marketing-Jargon – also ein Alleinstellungsmerkmal, durch das sich ein Angebot deutlich vom Rest abhebt. Ganz neu ist diese Strategie Rendi-Wagners nicht: Bereits in den vergangenen Wochen hatten sich führende Sozialdemokratinnen – etwa die zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures – demonstrativ hinter die Parteichefin gestellt. Doch auch angriffig gegenüber jenen, die Rendi-Wagner stetig angriffen, wurden die Frauen.

Doskozils Schatten

Es war ein Medientermin zum 8. März – Frauentag. Da gab sich die rote Frauensprecherin Eva-Maria Holzleitner fast schon entnervt. Eigentlich wollte sie über die feministischen Positionen der Sozialdemokratie sprechen. Doch ihre Themen wurden, wie so oft, überschattet – von Doskozil und dessen Kritik an der Parteichefin. Holzleitner attestierte der SPÖ ein Gleichstellungsproblem: Denn eine "so lange Periode an medienöffentlicher Schelte" sei ihr "in der Form noch nicht bekannt gewesen". Das sei wohl auch darauf zurückzuführen, dass die SPÖ, "was Geschlechtergerechtigkeit betrifft, noch nicht das Ende der Fahnenstange" erreicht habe.

Doch stimmt das? Hat die SPÖ, die sich selbst den Feminismus auf die Fahnen heftet, ein Problem mit ihren Frauen?

Acht SPÖ-Landesparteichefs, eine SPÖ-Landesparteichefin

Die nackten Zahlen deuten zumindest an: ja. Auf höchster politischer Entscheidungsebene liegt die SPÖ knapp daneben: Von 40 Nationalratsabgeordneten sind 19 Frauen, also rund 48 Prozent; 42 Prozent der roten Bundesratssitze werden von Frauen belegt. In den Landtagen finden sich bei den Roten 43 Prozent weibliche Abgeordnete. Unter den Genossinnen und Genossen, die eine Ortschaft anführen, sind nur noch 13 Prozent Bürgermeisterinnen zu finden. Und innerhalb der höchsten Parteistrukturen? Da sind neben der Bundesparteichefin von neun Landesparteichefs acht Männer. Wobei Vorarlberg mit Gabriele Sprickler-Falschlunger eine SPÖ-Vorsitzende hat, die sich eigentlich 2018 zurückziehen wollte. Ende 2021 sprang sie nach internen Querelen als Interimslösung ein, bis jemanden anderer für die Spitze gefunden ist.

"Möglicherweise haben viele Frauen in der SPÖ mitgekriegt, wie Rendi-Wagner runtergeschrieben wurde."

Politikwissenschafterin Birgit Sauer

In den Chefetagen der Partei sind die Frauen also zwar angekommen, allerdings nur vereinzelt. Doch warum streben aktuell nur so wenige Frauen den Parteivorsitz an?

Der Politikwissenschafter Anton Pelinka hat diesbezüglich "eine Hypothese", wie er sagt. Das Fehlen weiblicher Parteiprominenz bei den 73 Bewerbungen könnte taktische Gründe haben. Weibliche Parteimitglieder, die Rendi-Wagner unterstützen – vor allem organisierte Frauen –, hätten sich wohl bewusst zurückgehalten: "Man kann vermuten, dass so versucht wird, der derzeitigen Parteivorsitzenden nicht durch weitere Frauenkandidaturen zu schaden", sagt Pelinka dem Standard.

Tatsächlich weist in diese Richtung, dass jetzt hundert Frauen Unterstützungserklärungen für die Parteichefin abgegeben haben. Setzen sich viele Frauen für eine Frau ein, so zeugt das von Solidarität. Möglicherweise drückt aber auch aus, dass mehrere gleichzeitig kandidierende Frauen als unbotmäßige weiblich-weibliche Konkurrenz interpretiert werden könnten.

Entmutigte Genossinnen

Eine andere Ursache des geringen Kandidatinnenanteils im Hinblick auf den roten Vorsitz vermutet die Politikwissenschafterin mit einem Schwerpunkt auf Genderfragen, Birgit Sauer. "Möglicherweise haben viele Frauen in der SPÖ mitgekriegt, wie sehr Rendi-Wagner von Partei und Medien beschädigt und runtergeschrieben worden ist. Das dürfte so manche entmutigt haben", sagt sie.

Zwar seien Frauen in der Politik generell mit Misogynie konfrontiert: "Die Norm ist nach wie vor männlich, Politikerinnen weichen von ihr ab." In der SPÖ jedoch kämen weitere Hürden hinzu. Der Kampf um Mandate sei hier auch historisch immer härter als in anderen Parteien gewesen, denn Positionen würden vielfach als Versorgungsposten vergeben. In der britischen Labour Party, so Sauer, hätten Männer vor wenigen Jahren schließlich bewusst auf Posten verzichtet, um Frauen sicher zu 50 Prozent zu beteiligen. Das Gleiche, so Sauer, stehe auch in Österreich an.

Pelinka pflichtet ihr bei: "Das Mann-Frau-Problem innerhalb der SPÖ ist meines Erachtens wirkmächtiger als die vieldiskutierte Auseinandersetzung zwischen links und rechts." Das Gleiche, so Sauer, gelte auch nach außen hin. Die Politikwissenschafterin fände es sinnvoll, Gleichstellung und Empowerment von Frauen zu zentralen Forderungen der SPÖ zu machen. Mit einem solchen Schwerpunkt könne die Partei bewusst viele derzeitige Nichtwählerinnen ansprechen, "die etwa als Alleinerzieherinnen ihre Familie durchbringen, mit der Teuerung kämpfen und besorgt in die Zukunft schauen". Für diese Wählerinnengruppe hätten die Mitte-rechts-Parteien überhaupt kein Angebot. (Irene Brickner, Oona Kroisleitner, 3.4.2023)