Die ÖH-Wahlen finden vom 9. bis 11. Mai an Unis, FHs, PHs und Privat-Unis statt. In der Vorbereitung tun sich Probleme auf. (Im Bild: Die Auszählung bei der Wahl 2021)

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Die Tage vor Ostern sind an den Hochschulen eigentlich keine Phase hektischer Betriebsamkeit. Auch die Verteilerinnen und Verteiler von Flugblättern im Wahlkampf für die Österreichische Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft (ÖH) haben seit dem Wochenende Pause: Die Ferien haben begonnen, sodass sich kaum Studierende in die Nähe der Hörsäle wagen. Dennoch hört man derzeit in Gesprächen mit Studierendenvertretern eine Floskel besonders oft: "Wir arbeiten unter Hochdruck."

Dahinter stehen offenbar erhebliche Irrtümer im vorläufigen Wählerverzeichnis, das am Samstag erst mit zwei Tagen Verspätung zur Einsicht freigegeben wurde – und das nur mehr heute, Dienstag, beeinsprucht werden kann. Das Wählerverzeichnis sollte im Idealfall alle Studierenden enthalten, die fristgerecht, bis 21. März, inskribiert waren und ihren ÖH-Beitrag eingezahlt haben. Da auf drei Ebenen (Bundesvertretung, Hochschulvertretung und Studienvertretung) gewählt wird, sollten auch diese Angaben im Register richtig drinnen stehen.

Kritik an Verzögerung und Kommunikation

Wenn Ungereimtheiten jetzt nicht rechtzeitig entdeckt werden, ist es zu spät. Dann könnten manche Studierende bei den Wahlen von 9. bis 11. Mai eine böse Überraschung erleben, weil sie etwa im Verzeichnis an der falschen Hochschule oder im falschen Studium registriert sind. Die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG) und die Junos – beide Fraktionen stehen auf ÖH-Bundesebene in Opposition zur linken Koalition aus VSStÖ, Gras und Flö – zeigen sich angesichts dieses Szenarios alarmiert.

Durch die Probleme und Verzögerungen bei der Übermittlung der Daten aus dem Verzeichnis sei das Einsichtsrecht für die Wahlberechtigten massiv beschnitten worden, kritisiert Junos-Spitzenkandidat Lukas Schobesberger. Hinzu komme, dass kandidierende Listen nicht ordentlich prüfen konnten, ob die Unterstützungserklärungen auch wirklich von Wahlberechtigten stammen. "Wir haben kein Interesse daran, dass es dazu kommt, aber es steht bei diesem Prozedere natürlich eine Wahlanfechtung im Raum."

AG-Kandidatin Viktoria Feichtinger sagte am Dienstagvormittag, dass ihre Fraktion an mehreren Fachhochschulen trotz zwischenzeitlicher Verbesserungen immer noch zahlreiche Datenfehler bei Stichproben entdeckt habe: "Das Problem ist, dass vermutlich viele Fehler unentdeckt bleiben, weil ja nur die wenigsten Studierenden überhaupt fünf Wochen vor der Wahl Einsicht nehmen." Feichtinger vermisst diesbezüglich eine offensivere Kommunikation der Bundes-ÖH.

Bundes-ÖH versichert Korrekturen

Auf STANDARD-Anfrage erklärt die Bundes-ÖH, dass dieses Jahr tatsächlich bereits eine "besonders hohe Zahl" an Einsprüchen gegen fehlerhafte Daten im Verzeichnis erhoben worden sei. An sich seien Beanstandungen aber auch in der Vergangenheit nicht unüblich gewesen, zumal "es sich bei der ÖH-Wahl um die komplexeste Wahl in Österreich handelt". Laut Gesetz sind die Einsprüche binnen drei Tagen von den zuständigen Wahlkommissionen zu behandeln – bis zum 7. April müssen alle fraglichen Fälle also entschieden werden, was bei einer größeren Menge natürlich schwieriger wird. Fristgerecht gemeldete Fehler würden aber "selbstverständlich korrigiert", versichert die Bundes-ÖH.

Doch woran hapert es dieses Jahr überhaupt? Der Hauptgrund dürfte in der neu organisierten elektronischen Aufbereitung der Wahlregister liegen. Während in der Vergangenheit stets das Bundesrechenzentrum mit der Erstellung beauftragt wurde, kam mit "Brainformance" nun erstmals eine private Firma zum Zug. Beschlossen wurde die Umstellung im Dezember 2022 von der bundesweiten ÖH-Wahlkommission, in der die drei stimmenstärksten Fraktionen (VSStÖ, Gras, Aktionsgemeinschaft) vertreten sind, die allesamt für "Brainformance" votiert haben.

Allerdings nicht ohne gewichtige Warnungen: Mit Bernhard Varga hat jener Mann, der sich mit der Abwicklung von ÖH-Wahlen auskennt wie kein anderer, ausdrücklich von einem hastigen Wechsel abgeraten. Varga saß in den vergangenen drei Jahrzehnten als Nominierter des Wissenschaftsministeriums stets der bundesweiten Wahlkommission vor und tut das auch diesmal. Im STANDARD-Gespräch erzählt er: "Es war für mich eine Premiere, dass ich in der Kommission überstimmt worden bin. Die neue Firma ist zwar gut und engagiert, aber ich weiß, wie komplex das System ist und wie viel Aufwand beim Bundesrechenzentrum für die Abwicklung notwendig war."

Erfahrener Vorsitzender überstimmt

Es sei schlicht eine "riesige Herausforderung", die EDV-Systeme von Unis, FHs, PHs und Privat-Unis zusammenführen, erklärt Varga. Dazu käme noch der administrative Sonderfall der Lehramtsstudien, die auf Verbundregionen aufgeteilt sind und für die es spezifische Regelungen gibt. Angesichts dessen habe er dafür plädiert, 2023 noch einmal auf das schon eingespielte Bundesrechenzentrum zu setzen und den Wechsel mit mehr Vorlaufzeit anzugehen. Er sei mit dieser Position aber allein geblieben.

Die Bundes-ÖH begründet die Entscheidung für einen privaten Anbieter mit dem Ziel, "die Kosten der ÖH-Wahlen langfristig deutlich zu senken". Die Firma Brainformance will auf STANDARD-Anfrage nicht zu den aktuellen Vorgängen Stellung nehmen.

Keine Fristverlängerung von Polaschek

Im Wissenschaftsministerium heißt es, dass man die ÖH zwar bei der aktuellen Behebung von Problemen unterstütze, jedoch selber keine Eingriffsmöglichkeit habe. Theoretisch wäre es noch möglich, dass Minister Martin Polaschek (ÖVP) geschwind eine neue Verordnung erlässt, um die auslaufende Einspruchsfirst auszudehnen. Das stehe allerdings "nicht zur Debatte", sagt ein Ministeriumssprecher. Denn es müsste aufgrund der neuen Fristen dann auch die Wahl selbst verschoben werden, argumentiert er. Das Ministerium sei aufgrund der Zusicherungen der ÖH guter Dinge, dass sich im Endeffekt alles ausgehen werde. (Theo Anders, 4.4.2023)