Die Forschung mit menschlichen Embryonen ist streng reglementiert. Bisher dürfen Embryonen nur in den ersten 14 Tagen nach der Befruchtung im Reagenzglas kultiviert werden, um mit ihnen zu experimentieren.

Das Wissen um die Entstehung der Organe im Menschen ist dadurch limitiert. Künstlich aus Stammzellen hergestellte Embryonen können eine Alternative bieten. Ob für sie dieselben Regeln gelten sollen, ist bislang unklar. Bei Mäusen gelang es bereits, embryonenähnliche Gewebestrukturen, sogenannte Embryoide, aus Stammzellen herzustellen.

Langschwanzmakaken sind als Primaten dem Menschen ähnlicher als die häufig für Experimente verwendeten Mäuse.
Foto: AP Photo/Keystone, Georgios Kefalas

Nun berichtet eine Gruppe von Forschenden der Universität der chinesischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Tsinghua, "embryoartiges" Gewebe aus Affenstammzellen hergestellt zu haben. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal "Cell Stem Cell" publiziert.

Eine von vier Stammzellen entwickelte sich

Das Team begann damit, embryonale Stammzellen von Makaken einer Reihe von Wachstumsimpulsen auszusetzen. Dabei bildeten sich sogenannte Blastoiden, einfache Embryoide, die eine ähnliche Struktur wie natürliche Blastozysten hatten. So bezeichnet man den Embryo einige Tage nach der Befruchtung. Er bildet dabei eine Blase und erlaubt die Bildung innerer und äußerer Zellen. Eine von vier embryonalen Stammzellen nahm diese Entwicklung.

In der Folge entwickelten sich Strukturen, die den drei Keimblättern von Embryonen ähneln. Gensequenzierung der RNA zeigte, dass die genetische Aktivität ebenfalls der von echten Embryonen im Alter von acht bis neun Tagen entsprach.

Die Entwicklung der Embryoide in einem Diagramm der Forschenden.
Bild: Cell Stem Cell/Li et al.

Danach versuchte das Team, die Blastoiden in der Gebärmutter von Affenweibchen zu platzieren. Bei drei von acht Affenweibchen gelang die Implantation. Dort löste sie für Schwangerschaften typische Hormonreaktionen aus, berichten die Forschenden. "Das Embryo-ähnliche System bietet neue Instrumente und Perspektiven für die weitere Erforschung von Primatenembryonen und der Reproduktionsmedizin", sagt Studienautor Quian Sun. Sein Kollege Zhen Liu ergänzt: "Da Affen evolutionär gesehen eng mit dem Menschen verwandt sind, hoffen wir, dass die Untersuchung dieser Modelle unser Verständnis der menschlichen Embryonalentwicklung vertiefen wird."

Durchbruch erst mit Schwangerschaft

Unabhängige Fachleute betonen allerdings, dass es sich dabei nicht um eine Schwangerschaft handelte. "Um das Entwicklungspotenzial beurteilen zu können, ist eine Übertragung der im Labor hergestellten Embryoide in die Uteri von Leihmüttern wichtig", sagt Rüdiger Behr vom Leibniz-Institut für Primatenforschung DPZ in Göttingen. Er erinnert daran, dass in vitro hergestellte Embryoide in den ersten Tagen ihrer Entwicklung immer große Ähnlichkeit mit echten Embryonen aufweisen.

Von einem Durchbruch könne man erst sprechen, wenn eine echte Schwangerschaft ausgelöst wird. "Es ist denkbar, dass, wenn sich Embryoide wirklich einmal zu vollständigen Organismen entwickeln sollten, man zum Beispiel aus Blutzellen einen neuen Organismus heranwachsen lassen könnte. Dies wäre ein neues Verfahren des Klonens", sagt Behr. Doch noch sei nicht auszuschließen, dass es fundamentale Unterschiede zwischen Embryoiden und Embryonen gebe.

Auch sei die erreichte Entwicklungsstufe nicht mit jener der Mäusestudie von 2022 vergleichbar, so Behr. Es bildete sich weder ein Gehirn noch ein Herz, wie es bei den Mäusen der Fall gewesen war.

Lernen für den Menschen

Malte Spielmann vom Institut für Humangenetik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein spricht von einem kleinen Fortschritt. "Ein wirklicher Meilenstein wird es sein, wenn synthetische Embryonen die Organogenese erfolgreich durchlaufen können. Dies würde die Tür öffnen, vollständig synthetische Organe herzustellen und diese im Labor zu untersuchen", sagt Spielmann. Behr erklärt, dass dann die Bedeutung für den Menschen zunehmen werde: "Das, was wir von künstlichen Affenembryonen lernen können, gilt mit großer Wahrscheinlichkeit auch für uns Menschen. Wenn sich künstliche Affenembryonen zu vollständigen Organismen entwickeln würden, würde das mit großer Wahrscheinlichkeit auch auf künstliche menschliche Embryonen zutreffen."

Die Forschenden aus China hoffen jedenfalls, mit ihrer Arbeit eine notwendige öffentliche Diskussion zur Forschung mit künftigen menschlichen Embryoiden anzustoßen. (Reinhard Kleindl, 7.4.2023)