In Nils Strunks "Zauberflöte" trifft die Musik Mozarts auf Leonard Cohen: Tim Werths nimmt sich als schlitzohriger Filou Papageno Prinzessin Pamina (Lilith Häßle) an.

Foto: Marcella Ruiz Cruz

Hereinspaziert, hereinspaziert, so haben Sie die Zauberflöte noch nie gesehen. Als Zirkus, echt jetzt? Als Zirkus, echt jetzt! Und das kommt so: Wir schreiben das Jahr 232 nach Mozarts Tod, und das "Kratky-Baschik Zaubertheater" ist pleite. Ein Hit muss her, und wenn man sich als abgewrackte Unterhaltungstruppe mit Überlebenswille schon an einem Werk vergreifen muss, dann gleich am allergrößten: der Zauberflöte also.

Für Richard Wagner war sie der Urknall der deutschen Oper, für Quentin Tarantino die Blaupause jedes Hollywood-Epos. Für Mozart und Librettist Emanuel Schikaneder? Ein Reißer für die Vorstadtmassen nach dem Erfolgsrezept "Unterhaltung first, Tugend second".

Der Schauspieler und Multiinstrumentalist Nils Strunk mag also mit seiner Bearbeitung, die er jetzt in die kuschelige Manege des Burgtheater-Kasinos gezaubert hat, gar nicht so weit weg sein vom ursprünglichen Werk. "The Opera, but not the Opera" lautet der Untertitel, "Mozart und Schikaneder hätten sich im Grabe mitgedreht", sagen die Macher selbst über das Stück.

Dilettantismus und Eleganz

Die Macher, das sind neben Strunk, der den Abend mit Band am Klavier begleitet, der Autor Lukas Schrenk und ein sechsköpfiges Schauspielensemble, das jeweils in Doppelrollen auftritt. Optisch tut sich eine schillernde Welt der Jahrmarktbühnen, Stegreiftheater, Varietés und der 20er-Jahre Revue-Ästhetik auf, die gespielten Dilettantismus mit Eleganz verschmilzt und tausend Einfallstore für popkulturelle Referenzen bietet (Bühne: Annaliese Neudecker, Kostüm: Anne Buffetrille).

So stoßen im Libretto zum guten alten Schikaneder nicht nur Strunk und Schrenk hinzu, Textspenden kommen auch von Beyoncé, Freddie Mercury oder Falco. Musikalisch hat sich Strunk teils mit einem Trick Mozarts beholfen: das Ausgangsmaterial in Dur einfach in Moll umgedichtet, und schon wird aus Papagenos süßlichem "Der Vogelfänger bin ich ja" ein böses "I‘m the birdman, catching all the birds I can".

Burgtheater Wien

Blues und dunkler Pop im Stil von Tom Waits und Leonard Cohen waren Inspiration für den Sound, aber auch die resche Räudigkeit von Brecht-Couplets vermeint man zu hören. Nur anfangs hegt man als Freund der Original-Zauberflöte die Befürchtung, die heilig verehrte Oper würde auf dem Altar der Blödelei geopfert, spätestens aber ab der Hälfte des Zweistünders wird deutlich: Strunk und Konsorten wahren größten Respekt vor dem Werk, treiben die Parodie nur so weit, dass Mozart nicht zu leiden hat, etwa wenn Katharina Pichler die berühmt-berüchtigte Arie der Königin der Nacht mit reichlich Schmäh, aber immerhin auch mit den richtigen Tönen schmettert.

Ironisches Ja zu Prinzessinnenstoff

Auf den "Prinz befreit Prinzessin und besiegt das Böse"-Stoff lässt sich das Ensemble ironisch-bejahend ein, mit Augenzwinkern eben und einem zeitgemäßen alternativen Ende ohne Moralüberschuss. Tamino und Pamina (Gunther Eckes und Lilith Häßle) überzeugen in ihrer Rolle als Paar mit Anlaufschwierigkeiten, Tim Werths glänzt als schlitzohriger Filou in der Doppelgestalt des Zirkusdirektors und Papagenos. Annamária Láng (Papagena/Monostatos) sowie Wolfram Rupperti als Sarastro komplettieren den starken Gesamtauftritt.

Mit der Zauberflöte als Kleinkunst-Revue zeigt das Burgtheater, dass es auch Unterhaltung im Stil der Rabenhof-Bühne kann. Und bei aller Freude mit dieser gewitzten Bearbeitung steht am Ende doch auch die Erkenntnis: Mozarts Originalwerk ersetzt das nicht. Als Ergänzung aber ist es ein Heidenspaß. (Stefan Weiss, 7.4.2023)