"Ich bin schon so ein Mensch: Hab ich eins, will ich drei. Hab ich drei, will ich fünf. Hab ich fünf, will ich zehn." Eva Dichand
Foto: APA / Picturedesk / Hans Klaus Techt

Vor dem Lift hing lange ein Porträt von Eva Dichand, dann wurde es gegen eine Fotografie von David LaChapelle getauscht. Für das Bild ließ der Künstler eine avantgardistische Party inszenieren, die aus dem Ruder läuft. Junge, halb nackte Menschen feiern eine Orgie in einem Salon, doch die Terrassentüre wurde aufgebrochen. Von außen dringen schmutzverschmierte, dunkel gekleidete Menschen in den Raum. Das Fußvolk crasht das Fest der Bourgeoisie.

Im Verlagsgebäude der Heute hängen zwischen 50 und 100 zeitgenössische Kunstwerke an den Wänden. Genau hat niemand nachgezählt. Eva Dichand, die Geschäftsführerin und Herausgeberin der Gratiszeitung, sammelt mit größter Leidenschaft Kunst und dekoriert ständig um. Regelmäßig sehe man sie mit einem Handwerker durchs Haus laufen, der ihr einen Werkzeugkoffer hinterherträgt. Doch die Nägel schlage sie selbst in die Wand, erzählt jemand, der für sie arbeitet. "Sie weiß, dass sie es besser kann."

Anpackerin und Vollblutgeschäftsfrau

Ist die Anekdote nicht wahr, wurde sie gut erfunden. Denn egal, wen man fragt, genau so wird Eva Dichand beschrieben: als eine in der Oberschicht angekommene Anpackerin; eine Vollblutgeschäftsfrau – irgendwo noch das Mädchen von einst aus der HTL Graz, Abteilung Hochbau, aber eigentlich Medienmagnatin und Multimillionärin.

Alle paar Wochen lädt Dichand die Heute-Redaktion zu einer "Publisher’s Happy Hour". Sie verschickt dafür eine Mail an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Dachgeschoß des nobel sanierten Innenstadt-Altbaus in der Wiener Walfischgasse stehen dann Sekt, Wein, Brötchen und Softdrinks bereit. Der ausgegebene Dresscode: "Style Student". Dichand trinke dort Spritzwein aus einem Plastikbecher und plaudere mit allen. Die letzte Einladung ging für den 30. März hinaus, 17.30 bis 20 Uhr. Zu dieser kleinen Verlagsparty kam es allerdings nie. Man könnte sagen: Sie wurde von der Staatsanwaltschaft gecrasht. Es war der Tag der Hausdurchsuchung.

Bitte wieder ein Bikini-Contest!

Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wirft Eva Dichand vor, gemeinsam mit ihrem Mann Christoph Dichand, dem Chef der Kronen Zeitung, Sebastian Kurz und sein Umfeld mit guter Berichterstattung bestochen zu haben. Im Gegenzug habe das Paar Inserate und Mitsprache bei einer Reform des Privatstiftungsgesetzes gefordert. Alle drei Genannten bestreiten das vehement. Am energischsten wehrt sich Eva Dichand. Die Vorwürfe seien "FALSCH", hämmerte sie in Großbuchstaben in ihr Handy und via Twitter an die Pinnwand der Medienbranche. Auch in den Redaktionen von Kronen Zeitung und Heute wird beteuert, dass ihr Journalismus nie käuflich gewesen sei.

"Natürlich stehe ich mit ihr regelmäßig in Kontakt", sagt Clemens Oistric, Online-Chefredakteur von Heute, dem STANDARD. "Aber sie mischt sich nie ins Tagesgeschehen oder die politische Berichterstattung ein." Die "Frau Doktor", wie Eva Dichand in ihrem eigenen Haus genannt wird, habe Interesse für digitale Trends, Lifestyle und internationale Themen. "Kürzlich hat sie die Idee geäußert, man könnte im Sommer wieder einen Bikini-Contest mit Leserabstimmung ins Leben rufen", erzählt Oistric.

Mehr als eine Society-Lady

Eva Dichand ist mehr als eine Society-Lady – auch wenn sie sich auf Instagram gerne so inszeniert. Auf der Fotoplattform betreibt sie neben ihrem eigenen auch einen Account für ihren Hund. "Mr. Cupcake", eine französische Bulldogge, zeigt sich dort in Hundekostümchen von Burberry, im Urlaub auf einer Luftmatratze, kuschelnd mit seinem Frauchen oder auf der Piste, eingepackt in ein Mäntelchen von Moncler. Falls Sie es nicht wussten: Ja, es gibt auch Luxusklamotten für Vierbeiner.

Auf ihrem eigenen Account postet Dichand Bilder von Kunst, sich selbst in glamourösen Kleidern, auf Fashion-Shows, Veranstaltungen und Partys. Gleichzeitig führt sie ein Medium, hat drei Kinder, einen Mann, sie ist Vorsitzende des Universitätsrats der Med-Uni Wien, stellvertretende Vorsitzende des Albertina-Kuratoriums, hat Immobilien in Wien, Paris und Gstaad, seit 20 Jahren sammelt sie Kunst. Angeblich trinkt sie jeden Tag Kräutertee, und natürlich macht sie Sport. Jetzt ist sie ins Visier der Justiz geraten. Wer ist die Frau?

Eva Dichand mit Ex-Kanzler Sebastian Kurz beim Törggelen.
Foto: Imago, Starpix/Picturedesk, Toppress

Gerüchte, Gerüchte, Gerüchte

Für dieses Porträt habe ich versucht, Eva Dichand zu treffen. Sie wollte leider nicht. Dichand fühlt sich von der aktuellen Berichterstattung über sie denunziert, außerdem ist sie derzeit gar nicht in Wien. Vieles, was andere über Eva Dichand erzählen, kann man hingegen nicht schreiben. Es sind Gerüchte, die niemand bestätigen will oder kann – und wie es mit Gerüchten so ist, stimmt zumeist bestenfalls die Hälfte. Fest steht: Eva Dichand ist gefürchtet, beneidet, hochgeschätzt und verachtet, ungeniert präsent und dennoch schwer greifbar. Versuchen wir also eine Annäherung.

Geboren wird sie in Graz als Eva Kriebernegg. Ihre Mutter ist Apothekerin, der Vater Zivilingenieur. Nach der Matura sucht sie sich ein Studium, das es in Graz nicht gibt, um rauszukommen. Sie belegt Handelswissenschaft an der Wirtschaftsuni Wien, dissertiert über Immobilien-Offshore-Modelle in Osteuropa, arbeitet für eine Bank, eine Investmentfirma. 2002 heiratet sie Christoph Dichand – und wird plötzlich Teil einer Mediendynastie, der die Politik zu Füßen liegt.

Eva Dichand mit dem früheren "Krone"-Kolumnisten Tassilo Wallentin auf dem Opernball.
Foto: Imago, Starpix/Picturedesk, Toppress

De-facto-Mehrheitseigentümerin

Christoph Dichand ist der jüngste Sohn von Hans Dichand, dem Gründer der Kronen Zeitung, und der findet an seiner Schwiegertochter schnell Gefallen. Beim Mittagessen, erzählt Eva Dichand in einem Interview, habe er oft darüber gesprochen, dass Gratiszeitungen das Modell der Zukunft seien.

2004 gründet Wolfgang Jansky, zuvor Pressesprecher des SPÖ-Politikers und damaligen Wohnbaustadtrats Werner Faymann, die Heute – ganz im Sinne Hans Dichands. Es ist ein kompliziertes Konstrukt aus Privatstiftungen und Treuhandverhältnissen. Offiziell tritt Eva Dichand ab 2005 als Geschäftsführerin in Erscheinung. Weitere sieben Jahre bleibt unklar, wem Heute tatsächlich gehört. Erst 2012 – unter dem Druck neuer Offenlegungspflichten – deklarierte sich Dichand als De-facto-Mehrheitseigentümerin über eine Privatstiftung. Heute hält sie über zwei Stiftungen knapp ein Viertel der Anteile, Mehrheitseigentümerin von Heute.at ist inzwischen die Schweizer Mediengruppe Tamedia.

"Verlieren ist keine Option"

Das Geschäft läuft von Anfang an gut – es werden üppige Inserate gebucht. Zu Beginn vor allem auch von Stadtrat Werner Faymann. In den ersten zehn Jahren lukriert Heute Inserate im Wert von 84 Millionen Euro. Die Hälfte davon kommt von der Stadt Wien und ihren Betrieben, hat Dossier einst berechnet.

Dichand wird als getriebene Managerin beschrieben. Sie tickt da ganz anders als ihr Mann, der als ruhig und zurückhaltend gilt. "Verlieren ist für sie keine Option", sagt jemand, der Eva Dichand beruflich kennt. Sie selbst hat einmal über sich gesagt: "Ich bin schon so ein Mensch: Hab ich eins, will ich drei. Hab ich drei, will ich fünf. Hab ich fünf, will ich zehn."

In den vergangenen Jahren sei sie entspannter geworden. Als die Kinder – heute alle im Teenageralter – noch klein waren, habe sie für die Karriere hingegen viel geopfert. Zur Feministin hat sie ihre Geschichte nicht werden lassen. "Ihr Motto lautet eher: Frauen in der westlichen Welt können alles erreichen, wenn sie sich bloß genug anstrengen", erzählt jemand, der sie gut kennt.

Sie gehe oft auf Abendveranstaltungen, stehe aber trotzdem immer früh auf, heißt es über Eva Dichand. Hier zu sehen mit ihrem Mann Christoph Dichand in der Albertina.
Foto: Imago, Starpix/Picturedesk, Toppress

Mehr Kardashian, mehr Klum

Im Dezember 2021 steht Dichand mit mehreren Mitarbeitern auf der Terrasse des Verlagshauses und stößt mit ihnen auf Weihnachten an. Ein paar Tage zuvor wurde bekannt, dass Heute in der täglichen Onlinereichweite die Krone überholt hat – oder anders gesagt: Eva Dichand ihren Mann. Man habe sie selten so stolz erlebt, wird erzählt.

Aber hat Dichand publizistisches Interesse? Nein, oder: nicht wirklich. Das sagen zumindest viele, die man fragt. Dichand sei beseelt, eine erfolgreiche Zeitung zu machen – im geschäftlichen Sinn, nicht im journalistischen.

Akribisch beobachte sie im Alltag, ob die Ausgabeboxen der Heute so stehen, dass sie für Passanten gut erreichbar sind. Wenn nicht, verrücke sie den Ständer im Notfall gleich selbst. Manchmal fordere sie "mehr Kardashian, mehr Klum" auf der Homepage, das interessiere die Leute. Auf der Seite drei der Zeitung war früher immer eine "Nackerte" abgebildet. Eva Dichand setzte dann durch, dass am Mittwoch stattdessen ein Nackter gedruckt wird. Die Legende sagt, sie habe ihn jede Woche handverlesen ausgewählt.

Höflichen Anrede, direkter Umgangston

Selten schrieb sie Kommentare: Während der Pandemie sprach sie sich etwa gegen Schulschließungen aus. Den Rest erledige die Redaktion in Eigenregie, wird betont. Selbst langjährige Mitarbeiter sind mit ihr per Sie.

Abseits der höflichen Anrede gilt Dichand aber als direkt und wenig zimperlich. So viele Filter sie auf Instagram verwendet, so wenige hat sie im echten Leben. "Ihr fehlen gewisse Schranken, die andere haben", sagt ein Weggefährte. "Oder eigentlich: Sie hat eine echte Scheiß-mir-nix- und Hau-drauf-Mentalität." Das zeigt sich nun auch an Chat-Nachrichten mit der Politik, wenn sie etwa – unglücklich mit dem Inseratenvolumen des Finanzministeriums – an den damaligen Spitzenbeamten Thomas Schmid schrieb: "Wir können auch anders."

Dichand verschickt kaum Nachrichten ohne Rechtschreibfehler. Nicht weil sie Rechtschreibung nicht beherrscht, sondern weil sie tippt und ohne zu lesen abschickt. Sie twittert und sagt, was ihr in den Sinn kommt.

"Haben alle Kurz bestochen? ;-)"

Dichand hat eine seltene Gabe: Es scheint ihr egal zu sein, was andere von ihr denken.

Ein Beispiel dafür ist, wie sie sich auf ihrem Twitter-Account selbst beschreibt. Dort steht: "Eva Dichand. Herausgeberin HEUTE," – am Ende mit Beistrich, ohne dass danach noch etwas folgen würde. Es ist, als hätte man auf seiner Visitenkarte den eigenen Namen falsch geschrieben. Aber wozu ändern? Scheiß drauf.

Viele, die sie kennen, sagen – nicht ganz neidlos: Sie macht sich einfach wenig aus der Meinung anderer. Aktuell ist sie im Kampf-und-Verteidigungs-Modus. "Wie jämmerlich", kommentierte sie einen Text des Falter über die Ausweitung der Inseratenaffäre. Einen Kobuk-Artikel, der davon handelt, dass nicht nur der Boulevard üppig Inseratengeld kassierte, teilte sie mit den Worten: "Vielleicht haben ja alle Medien Kurz/Schmid bestochen ;-)"

Eigentlich gilt Eva Dichand als extrem diszipliniert – aber offenbar nur ohne Handy. (Katharina Mittelstaedt, 8.4.2023)