Die WKStA zeichnet die Beziehung der Dichands zu Schmid anhand von Chats nach und sieht rote Linien des Strafrechts überschritten.

Foto: Toppress/Schöndorfer

Wenn "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand etwas nicht passt, nimmt sie sich kein Blatt vor den Mund – selbst, wenn es sich bei ihrem Chatpartner um einen Spitzenpolitiker und Ex-Minister handelt. Sie sei "ziemlich geschockt, dass ihr Fellner so viel Geld zukommen lässt", schrieb Dichand im Juli 2019 an Gernot Blümel (ÖVP), zuvor Kunst- und Kulturminister, später Finanzminister. Fellner erhalte ein Drittel seines Umsatzes als Förderung, das "gibt es auf der ganzen Welt nicht. Ein echter Witz. Findet mein Mann auch", schrieb Dichand an Blümel. Das sei "inhaltlich wirklich der letzte Dreck, medienpolitisch/inhaltlich falsch und ein politischer Witz." Man dürfe nicht immer allem nachgeben, schließt Dichand.

Die Reaktion von Blümel, damals einer der mächtigsten Politiker des Landes: "Hi Eva! (…) Tut mir wirklich leid wenn da was nicht passt!! Sorry!!" Danach ging er mit ihr die Daten durch und entschuldigte sich, wenn die aktuelle Förderung "zu größerer Unzufriedenheit führt". Er werde sich noch beim Rundfunkregulator RTR "schlau machen", um zu wissen, wie diese "genau die Vergabe begründet".

WKStA: "Unverblümte" Kritik

Der Chat zeige, wie "unverblümt" Dichand Blümel kritisiere, weil das Gesetz angeblich auf Fellner abgestimmt sei, heißt es im Bericht der WKStA. Die Nachricht ist ein Indiz für die Macht des Verlegerpaars Dichand, deren mutmaßlicher Missbrauch nun strafrechtlich untersucht wird. Die Ermittler hegen schwere Verdächtigungen gegen "Heute"-Verlegerin Eva Dichand und "Krone"-Chef Christoph Dichand: Die beiden sollen Sebastian Kurz und sein Umfeld mit guter Berichterstattung bestochen haben, um im Gegenzug Inserate und Mitsprache bei der Reform des Privatstiftungsgesetzes zu erhalten. Alle drei Genannten bestreiten das vehement und es gilt die Unschuldsvermutung.

Doch es gibt jemanden, der sie schwer belastet: Thomas Schmid, einst mächtigster Beamter im Finanzministerium, dann Chef der Staatsholding Öbag. In der Position war er, als Blümel ihm die eingangs erwähnte Beschwerde von Eva Dichand weiterleitete. Und auch sonst war Schmid immer mittendrin statt nur dabei.

Dichand: "Könntest auch meine Wohnung haben"

In ihrer Auswertung zeichnet die WKStA die Beziehung der Dichands zu Schmid anhand von Chats nach. Die ersten Nachrichten stammen von März 2014, da waren alle noch per Sie. Im Oktober 2015 erbat Eva Dichand von Schmid die Handynummer des damaligen Außenministers Sebastian Kurz (ÖVP), den sie zum Lunch in New York treffen wollte. Wenig später ging es für Christoph Dichand, Sebastian Kurz und Schmid zum gemeinsamen Wandern auf die Rax. Später, 2017, bedankte sich Schmid beim "Krone"-Erben Dichand für "Ihre Freundschaft und Hilfe all die Jahre".

Unter Türkis-Blau wurde die Freundschaft offenbar enger. "Ich koche nicht schlecht", warb Schmid im Oktober 2018 bei Eva Dichand dafür, mit ihm und Gernot Blümel zu Abend zu essen. Tags darauf bot Dichand Schmid an, in ihrer Wohnung in Paris zu übernachten ("könntest auch meine Wohnung haben"). Im Sommer 2019 geht es gemeinsam nach Sardinien, mit Christoph Dichand nach Äthiopien, gemeinsam auch auf den Opernball.

Vergangene Woche schrieb Eva Dichand dann auf Twitter nicht einmal mehr Schmids Namen richtig ("Schmitt").

Gab es zwischen den Dichands und Schmid eine Freundschaft oder ging es auch um Geschäftliches? Das ist der Kern der Ermittlungen. Die WKStA sieht in Chats eindeutige Belege für den materiellen Charakter der Beziehung und rote Linien des Strafrechts überschritten.

"Blöder OGH-Spruch"

Zum einen ist da das Thema Stiftungen; da beschwerte sich Eva Dichand im März 2017 über einen "blöden OGH-Spruch über Stiftungen und Kunstwerke", nämlich "dass die nicht beim Begünstigten hängen dürfen". Denn "leider verursacht das Hängen eh nur Kosten (Versicherung) usw". Schmid sei "dran, Gespräche laufen sehr gut". Dichand organisierte in dieser Zeit einen Termin im Finanzministerium ("bei euch") zum Thema Stiftungen, mit anderen Wohlhabenden und dem einen oder anderen ÖVP-Spender.

Der Entwurf, den das Justizministerium dann vorlegte, soll Dichand nicht gepasst haben, sie sei wegen "Transparenzregelungen sauer", erklärte Schmid dem damaligen Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), und sie mache "Terror". Das Finanzministerium lehnte den gemeinsam mit dem Justizressort erarbeiteten Entwurf in Folge ab.

Ein weiterer "Deal" soll sich beim Thema Inserate zugetragen haben, vermutet die WKStA. Entscheidend seien da jene Wochen gewesen, bevor Kurz die ÖVP übernommen habe. Da sei es terminlich Schlag auf Schlag gegangen: Am 17. März 2017 habe Schmid Eva Dichand getroffen, am 21. März dann "Österreich"-Manager Helmuth Fellner. Eine Woche später soll sich Schmid dann mit Kurz’ wichtigsten Berater Stefan Steiner, am 7. April mit dem damaligen Außenminister selbst. Die WKStA denkt, dass bei diesen Terminen die künftig üppigen Inseratenvergaben an "Österreich", "Krone" und "Heute" besprochen wurden.

"Mega auf Schiene"

Tatsächlich gibt es in weiterer Folge Termine zwischen der Kommunikationsabteilung im Finanzministerium und Managern von "Heute" oder "Österreich". An Kurz meldet Schmid, die Dichands seien "Mega auf Schiene". Sie würden "halten", ebenso die Fellners, man müsse nur Themen wie RTR, Stiftungen oder Presseförderung im Auge behalten. Chats aus dieser Zeit legen nahe, dass das Team rund um Kurz auch in die Berichterstattung eingreifen und Themen platzieren konnte, etwa bei der "Krone" oder bei "Österreich".

Für die ÖVP lief es jedenfalls dann perfekt: Bei der Nationalratswahl 2017 landete Sebastian Kurz’ türkise Partei auf Platz 1. Heute spricht der damalige SPÖ-Chef und Kanzler Christian Kern davon, dass die Wahl "ohne Ende manipuliert" worden sei.

Unter Türkis-Blau stiegen die Inserate dann noch einmal rasant an. Oder, wie es Eva Dichand Ende 2018 formulierte: "Das ist ok. Nur News Gruppe bekommt zu viel". Auch an einem Privatstiftungsgesetz wurde im Finanzministerium gebastelt, es gibt auch ein "Stifterfrühstück" mit Dichand und Co.

Mit dem Ibiza-Video nahm Letzteres ein jähes Ende; die Corona-Pandemie trieb die Ausgaben für Inserate bei allen Medien im Frühjahr 2020 auf neue Rekordwerte.

Breitflächige Ermittlungen

Dann wurde es langsam immer enger für das Team Kurz: Die WKStA entdeckte bei Schmid zigtausende Chats aus dem Inneren von Finanzministerium und Volkspartei; der Ibiza-U-Ausschuss drehte sich von FPÖ zu ÖVP. Dann folgte die Hausdurchsuchung bei Blümel, im Mai 2021 setzte es Ermittlungen wegen des Verdachts auf Falschaussage gegen Kurz – auch da denkt die WKStA, dass in der "Krone" noch auffällig positiv für den Kanzler geschrieben wurde. Die Redaktion der größten heimischen Tageszeitung bestreitet Interventionen übrigens, genauso wie die "Heute"- und "Heute.at"-Chefredaktion.

Im Oktober 2021 half Kurz dann aber selbst die angeblich auffällig positive Berichterstattung nichts mehr. Die WKStA durchsuchte Büros in der ÖVP und bei "Österreich", die Causa "Inserate" war geboren. Es sollte anderthalb Jahre und ein Geständnis von Schmid dauern, bis die Causa auch auf die Dichands übergreifen sollte, am Donnerstag gab es Hausdurchsuchungen beim "Heute"-Verlag AHVV sowie bei zwei Medienagenturen in Wien. Jetzt werden die Herausgeber der drei großen Boulevardmedien in Österreich der Bestechung beschuldigt – und der Ex-Kanzler der Bestechlichkeit. (Michael Nikbakhsh, Fabian Schmid, 3.4.2023)