Ein bei der Militärübung am Samstag eingesetztes chinesisches Kriegsschiff.

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Washington/Taipeh/Peking – China hat dem staatlichen TV-Sender CCTV zufolge am zweiten Tag seiner Militärmanöver rund um Taiwan Angriffe auf wichtige Ziele auf der Insel geübt. Das Militär habe "gemeinsame Präzisionsschläge" gegen "Schlüsselziele auf der Insel Taiwan und in den umliegenden Gewässern" simuliert, berichtete CCTV. Taiwans Verteidigungsministerium entdeckte am Sonntag neun Kriegsschiffe und 58 Militärflugzeuge rund um die Insel. Die USA hatten Peking zuvor zur Zurückhaltung aufgerufen.

Der chinesische Sender CCTV berichtete, Peking habe am zweiten Tag des für drei Tage geplanten Militärmanövers Dutzende Armeeflugzeuge eingesetzt, um "in den anvisierten Luftraum zu fliegen". Bodentruppen führten demnach zudem Übungen mit "Präzisionsschlägen mit mehreren Zielen" durch.

Das taiwanische Verteidigungsministerium erklärte, bei den bis 12 Uhr Ortszeit (6 Uhr MESZ) rund um die Insel entdeckten chinesischen Militärflugzeugen handle es sich sowohl um Kampfjets als auch um Bomber. Die Bewegungen des chinesischen Militärs würden durch ein gemeinsames Überwachungs- und Aufklärungssystem überwacht.

USA mahnen China zu Zurückhaltung

Ein Sprecher des US-Außenministeriums hatte zuvor angesichts der Manöver gesagt, Washington beobachte Chinas Handlungen genau. "Wir haben stets zur Zurückhaltung aufgerufen und dazu, den Status quo nicht zu ändern", ergänzte er. Die Kommunikationskanäle mit Peking blieben offen. Zugleich betonte der Ministeriumssprecher, dass die USA "über ausreichende Ressourcen und Fähigkeiten in der Region verfügen, um Frieden und Stabilität zu gewährleisten und unsere nationalen Sicherheitsverpflichtungen zu erfüllen".

Europa sollte nach Ansicht von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Fall von Taiwan eine eigene Strategie verfolgen. "Das Schlimmste wäre zu denken, dass wir Europäer bei diesem Thema zu Mitläufern werden und entweder dem amerikanischen Duktus oder einer chinesischen Überreaktion folgen müssen", zitierte ihn das Magazin "Politico". Europa sollte nicht zur Eskalation des Konflikts beitragen, sondern seine eigene Position verfolgen als dritter Pol zwischen den USA und China, sagte Macron in einem Interview mit "Politico" und der französischen Zeitung "Les Echos" während seines dreitägigen Besuchs in China diese Woche.

Die USA unterstützen Taiwan seit Jahrzehnten beim Aufbau seiner Verteidigungsfähigkeit, bekennen sich aber nicht ausdrücklich dazu, der Insel im Falle eines Angriffs militärisch beizustehen. Mit anderen Ländern in der Region, darunter Japan, haben die USA hingegen einen Verteidigungspakt geschlossen.

Angespannte Lage

Taipeh steht unter wachsendem Druck durch Peking. Seit der Spaltung zwischen China und Taiwan im Jahr 1949 betrachtet Peking die Insel als abtrünniges Gebiet, das es wieder mit dem Festland vereinigen will – notfalls mit militärischer Gewalt.

Chinas Armee bezeichnete die dreitägige Militärübung nahe Taiwan als eine "Warnung" an "separatistische Kräfte". Staatlichen chinesischen Medien zufolge soll dabei auch die Einkreisung Taiwans geübt werden. Taipeh verurteilte das Manöver und warf Peking vor, die regionale Sicherheit zu gefährden.

Insider: "Es ist sehr provokant"

Reuters berichtete unter Berufung auf einen Insider, dass Chinas Militär Angriffe aus der Luft und vom Meer aus auch auf "ausländische militärische Ziele" simuliert habe. "Taiwan ist nicht ihr einziges Ziel", sagte der Insider, der mit der Sicherheitslage in der Region vertraut ist. "Es ist sehr provokant." Er äußerte sich unter der Bedingung der Anonymität, da er nicht befugt war, mit der Presse zu sprechen.

Die Angriffe auf ausländische Ziele seien in den Gewässern vor Taiwans Südwestküste abgehalten worden. Zudem stünden sich an der Mittellinie in der Straße von Taiwan etwa zwanzig Kriegsschiffe gegenüber – je die Hälfte aus China und Taiwan, sagte der Insider weiter. Sie verhielten sich aber nicht provozierend. Die Mittellinie gilt seit Jahren als nicht offizielle Grenze zwischen China und Taiwan. Chinas Flugzeugträger "Shandong", den Taiwan seit vergangener Woche überwache, befinde sich mehr als 400 Seemeilen vor der Südostküste Taiwans und halte Übungen ab.

Ein taiwanesisches F-16-Kampfflugzeug.
Foto: REUTERS/Ann Wang

Zhao Xiaozhuo von der Chinesischen Akademie der Militärwissenschaften sagte der staatlich unterstützten chinesischen Zeitung "Global Times", es sei das erste Mal, dass China offen über simulierte Angriffe auf Ziele in Taiwan spreche. Am wichtigsten sei dabei die Infrastruktur. Als Beispiel nannte Zhao in dem Bericht Landebahnen, militärische Logistikeinrichtungen und mobile Ziele. Auf diese konzentriere sich das Militär, "um sie notfalls auf einen Schlag zu vernichten".

"Autoritärer Expansionismus"

Die Übung erfolgt wenige Tage nach dem US-Besuch der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen, die am Mittwoch in Kalifornien Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, getroffen hatte. Tsai warf Peking am Samstag einen "autoritären Expansionismus" vor. Sie stellte klar, dass Taiwan "weiterhin mit den Vereinigten Staaten und anderen Ländern (...) zusammenarbeiten wird, um die Werte von Freiheit und Demokratie zu verteidigen". (APA, red, 9.4.2023)