Joe Biden will es noch einmal versuchen – eine Mission mit ungewissem Ausgang.

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Noch typischer Joe Biden geht eigentlich kaum. "Ich habe vor, zu kandidieren, (...) aber wir sind noch nicht bereit, es anzukündigen", sagte der Präsident in einem Interview mit NBC und kündigte damit, natürlich, nach jeder Medienlogik seine Kandidatur für die Präsidentenwahl 2024 trotzdem an – bereit oder nicht.

Biden, der seine Worte nicht immer im Griff hat, und bei dem man nie sicher weiß, ob er das, was er jetzt gerade gesagt hat, nun absichtlich so formuliert hat oder ob er soeben versehentlich ein Geheimnis verraten hat. Die Bedenken über sein Alter und seinen Geisteszustand wird die Art der Verkündigung jedenfalls nicht gerade ausgeräumt haben – doch sie wären wohl ohnehin wieder hochgekocht.

Viele Zweifel

Joe Biden wäre, wenn er seiner Noch-Nicht-Ankündigung Taten folgen ließe, und dann auch wiedergewählt würde, im Jänner 2025 bei seiner zweiten Vereidigung 82 Jahre alt. Er wäre damit der mit Abstand älteste Mensch, der je zum US-Präsidenten angelobt wurde. Vielen Wählerinnen und Wählern ist damit unwohl. Bei den Midterm-Wahlen im vergangenen November haben Demoskopen auch nachgefragt, ob eine zweite Kandidatur des Präsidenten denn erwünscht sei. Eine große Mehrheit war dagegen – sogar unter jenen Menschen, die Kandidatinnen und Kandidaten der Demokraten ihre Stimme gegeben hatten. Nie zu vergessen sind auch die biologischen Tatsachen: Auch wenn Biden nach allen Angaben seiner Ärzte derzeit in gutem körperlichen Zustand ist – wird er wiedergewählt, ist er bis zum Alter von 86 Jahren Präsident. Niemand weiß, wie es ihm dann geht.

Das freilich, lässt sich auch über viele jüngere Kandidatinnen und Kandidaten mit ähnlichem Recht sagen. Und erst recht über jenen Mann, der vermutlich Bidens Konkurrent wäre: Donald Trump. Auch er zählt schon stolze 76 Lenze, im Fall einer Wiederwahl wäre auch er bis zum Alter von 82 Jahren im Amt.

Die beste schlechte Wahl

Überhaupt ist Trump wohl noch der beste Grund dafür, wieso eine neue Kandidatur Bidens sinnvoll erscheint. Glaubt man allen verfügbaren Umfragen, ist der Präsident trotz seiner unübersehbaren Defizite in den Augen vieler Wählerinnen und Wähler noch der chancenreichste unter den möglichen demokratischen Gegnern des rechtsextremen Herausforderers. Vizepräsidentin Kamala Harris, Infrastrukturminister Pete Buttigieg, Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom: Sie alle würden in Befragungen, die ihre Kandidatur als fiktives Szenario voraussetzen, gegen Trump verlieren. Biden hingegen liegt in etwa gleichauf mit Trump. Der Amtsbonus zieht immer noch, ebenso wie jene aus der Ferne schwer verständliche Fähigkeit Bidens, Mitte-Wähler für sich einzunehmen.

Die neue Kandidatur des alten Präsidenten ist für die USA und ihre Demokratie zweifellos ein großes Risiko. Er begeistert die eigene Basis kaum – und denkt man an kommende Auftritte bei Wahlveranstaltungen oder TV-Diskussionen kann einem durchaus etwas schwummrig werde. Allerdings: Nach allem, was bisher über das demokratische Kandidatenfeld für 2024 bekannt ist, muss man dem Amtsinhaber zugestehen, dass er womöglich immer noch die beste schlechte Wahl für die Demokraten ist. Das ist ein trauriges Zeugnis für die Partei und eine sehr riskante Aussicht für die Zukunft des Landes. Vielleicht liegt das am Ende aber nicht an Biden, sondern einfach am Zustand der USA. (Manuel Escher, 10.4.2023)