Es gibt in der europäischen Politik kaum einen Bereich, der so umstritten und unfertig ist wie die "gemeinsame Migrationspolitik" – samt offener Grenzen im Inneren und EU-Grenzkontrollen nach außen. Fast alle Staaten haben Probleme und sind mit den EU-Institutionen selten einig – je nach nationaler Betroffenheit bzw. Belastung.

Will weiterhin die Grenzkontrollen zu Ungarn und Slowenien: Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bei einem Besuch des Grenzübergangs Klingenbach/Sopron im November des Vorjahres.
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Die Gemeinschaft ist 24 Jahre nach Schaffung des "Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" weit weg von ihren Zielsetzungen. Die sehen vernünftige Trennung von regulärer Zuwanderung, Asyl für Flüchtlinge und Kampf gegen illegale Migration und Schleppermafia vor. Das gelingt aber nicht.

Die Folge: Seit der Migrationswelle 2015 kontrollieren einzelne Staaten Teile ihrer Grenzen. Deutschland fing damit an, Österreich zog seither in rot-schwarzen, türkis-blauen und schwarz-grünen Koalitionen immer wieder nach. Insofern ist es wenig überraschend, wenn Innenminister Gerhard Karner im Mai zum x-ten Mal die Fortsetzung der Kontrollen an den Grenzen zu Ungarn und Slowenien beantragen will.

Die EU-Kommission dürfte zustimmen. Sie hat im Dezember erklärt, dass Österreich von irregulärer Migration besonders betroffen ist. Das Grundproblem aber bleibt. Vertrauen zwischen Staaten wird durch Kontrolle ersetzt – nicht im Sinne der Erfinder der offenen Gemeinschaft. Sogar die Schweiz hält ihre Grenzen offen. Karner wäre gut beraten, kreativere Lösungen zu finden als nur "Grenzen dicht!". Die gibt es. (Thomas Mayer, 11.4.2023)