Der Weg in die Mitgliederbefragung ist nun endlich vorgezeichnet: Frühestens am Abend des 22. Mai wird der SPÖ-Anhang wissen, wer die Partei führen soll.

Foto: APA / Roland Schlager

Es sind seltsame Zeiten in der SPÖ. Früher, da hat es kaum einen Politikkonsumenten geschert, wenn die Wahlkommission der Partei getagt hat. Diesmal aber, am Dienstag dieser Woche, sorgten bereits die noch laufenden Beratungen für Schlagzeilen. Verschiedene Onlinekanäle lieferten dem Publikum die Präsentation der Ergebnisse dann live ins Haus.

VIDEO: Rendi-Wagner, Doskozil und Babler im Rennen um SPÖ-Vorsitz übrig.
DER STANDARD

Treiber ist der ungeklärte Führungsstreit: Seit sich die SPÖ zu einer Mitgliederbefragung entschieden hat, erfreuen sich Sitzungen diverser Parteigremien regen Interesses. Beinahe über einen Monat zogen sich die Diskussionen über die Regeln – viel zu lange, wie selbst Beteiligte kritisierten. Die Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner unterstellte Bundesgeschäftsstelle habe den Prozess "suboptimal vorbereitet", hatte Michaela Grubesa, Vizevorsitzende der Wahlkommission, im Gespräch mit dem STANDARD kritisiert.

Nun scheinen die Bedingungen, unter denen 148.000 Mitglieder abstimmen dürfen (siehe Fahrplan unten), aber endlich geklärt – und nicht nur das. Kommissionsleiter Harry Kopietz konnte auch verkünden, wie viele Kandidatinnen und Kandidaten tatsächlich zur Wahl stehen.

Gestrauchelt an der Hürde

Neue Namen muss sich die Parteibasis dabei nicht einprägen. Denn von den 73 Anwärterinnen und Anwärtern, die sich ursprünglich um den Platz an der Spitze bewarben, blieben doch nur die drei aussichtsreichen übrig: Parteichefin Rendi-Wagner, Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler.

Viele, erläuterte Kopietz, seien an jener Hürde gescheitert, zu der sich die SPÖ angesichts der anschwellenden Flut an Kandidaturen doch noch durchgerungen hatte: Voraussetzung waren Unterstützungserklärungen von zumindest 30 Parteimitgliedern. Dass sich damit jemand schwertue, der in der Partei nicht verankert ist, sei nicht verwunderlich, kommentierte Kopietz. Andere wiederum hätten sich nach anfänglich bekundetem Interesse gleich gar nicht mehr gemeldet.

"Bundeskanzlerin Rendi-Wagner"

Auf dem Fragebogen an das Parteivolk wird Rendi-Wagner vor Doskozil und Babler an erster Stelle aufscheinen – allerdings als SPÖ-Vorsitzende und nicht als "amtierende Bundeskanzlerin", wie Kopietz zweimal irrtümlich verkündete.

Das wird das Misstrauen in den 74-Jährigen nicht gerade dämpfen. Längst zweifeln Rendi -Wagner-Gegner an der Unvoreingenommenheit des Wahlkommissionsleiters. Bei seiner Korrektur versuchte Kopietz auch gar nicht den Anschein des Freud’schen Versprechers auszuräumen. Dass die Parteichefin zur Kanzlerin avanciere, werde hoffentlich einmal passieren, bekannte er freimütig. Gleichzeitig versprach Kopietz jedoch, sich persönlich bei der Mitgliederbefragung der Stimme zu enthalten – als Zeichen der Äquidistanz.

Auch externe Beobachter sollen Manipulationsgerüchten vorbeugen. Michael Umfahrer, Präsident der Notariatskammer, soll den Prozess ebenso begleiten wie ein IT -Experte. Die Auszählung obliegt laut Plan dann der parteinahen Firma ITZ, weiters ist das auf Drucksorten spezialisierte Unternehmen Dataform eingebunden. Abstimmen können die Mitglieder über zwei Kanäle: entweder per Post oder per Internet. Sollte das jemand – ob absichtlich oder nicht – doppelt versuchen, zählt der papierene Fragebogen. Im Zweifelsfall schlägt Analog also Digital.

Angedrohte Klage

Trotz Kopietz' Versicherungen ist der erste Verdacht von Unregelmäßigen jedoch bereits gekeimt. An der Hürde sei er nicht gescheitert, sagt Berthold Felber, einer der 73 ursprünglichen Kandidaten: Er sei seit 51 Jahren SPÖ-Mitglied und habe exakt 32 Unterstützungserklärungen aufgeboten, also um zwei mehr als vorgegeben. Zwar stehe nicht neben jedem Namen eine Mitgliedsnummer, räumt der burgenländische Produzent von Kabelbäumen ein, aber das sei aus Datenschutzgründen ohnehin problematisch und außerdem schwierig zu überprüfen: "Ich wurde erst unlängst von jemandem verständigt, dass seine Nummer falsch ist."

Abgesehen davon sei es für potenzielle Kandidaten wie ihn schwer, im "gut organisierten" Burgenland überhaupt an Unterschriften von Mitgliedern zu kommen. Da stünden schon die meisten unter dem "Diktat" von Landeshauptmann Hans Peter Doskozil. "Darüber hinaus weiß ich gar nicht, wer Mitglied ist. Ich bin gegen eine Mauer gelaufen."

Felber will das Prozedere der Mitgliederbefragung nun rechtlich anfechten. Der fast 69-jährige Unternehmer hält es für unrechtmäßig, dass die sozialdemokratischen Führungsgremien nachträglich eine Hürde in den Bewerbungsprozess eingebaut hatten. Ein Anwalt sei bereits eingeschaltet, erzählt Felber dem STANDARD.

Babler könnte Stichwahl erzwingen

Gewisse Unsicherheiten gibt es auch bei der Frage, wann denn ein Ergebnis der Mitgliederbefragung vorliegen wird. "Wenn alles gutgeht", schränkte Kopietz ein, dann wird der rote Anhang am Abend des 22. Mai wissen, wer in Zukunft die österreichische Sozialdemokratie anführen wird. Oder zumindest ein gewisses "Stimmungsbild" davon haben, wie die Parteigranden dieser Tage nicht müde werden zu betonen. Aber: "Es könnte natürlich länger dauern."

Es ist nicht ausgeschlossen, dass der rote Kampf um die Führung jedoch sogar noch am Sonderparteitag am 3. Juni weitergeht. Per Statut ist jedes Parteimitglied berechtigt, erst dort die eigene Kandidatur bekanntzugeben und die 650 Delegierten darüber entscheiden zu lassen. Auch eine Stichwahl wäre am Parteitag somit möglich, erläuterte Kopietz.

Realistisch ist dies für den Fall, dass Babler als Zweiter aus der Mitgliederbefragung hervorgeht. Denn während Rendi-Wagner und Doskozil versichert haben, bei noch jeder so knappen Niederlage alle Ambitionen ad acta zu legen, tat der Traiskirchener dies nicht. Stattdessen kündigte er an: Erreiche niemand eine Mehrheit von mehr als 50 Prozent, gebiete es der Respekt vor den Mitgliedern, in eine Stichwahl zu gehen. (Gerald John, Jan Michael Marchart, 11.4.2023)