Markus Braun, früherer Vorstandschef von Wirecard und Hauptangeklagter.

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München – Der frühere Wirecard-Vorstand um Markus Braun hat nach Angaben des Wirtschaftsprüfers KPMG eine Sonderprüfung der Vorwürfe gegen den Zahlungsabwickler kurz vor dessen Pleite faktisch blockiert. Informationen über das fragwürdige Asiengeschäft seien über Monate hin "sehr, sehr zäh" geflossen, sagte KPMG-Vorstand Sven-Olaf Leitz am Donnerstag im Betrugsprozess gegen Braun und zwei weitere Manager.

Das Unternehmen habe den Wirtschaftsprüfern sogar den Zugang zu seinen aktuellen IT-Systemen verwehrt. "Da war für uns klar, dass die Untersuchung keinen Zweck hat", sagte Leitz, einer der Verantwortlichen für die von Wirecard selbst in Auftrag gegebene Prüfung. Er habe Braun gesagt, dass KPMG das Vertrauen in die Zusammenarbeit mit Wirecard verloren habe. Dieser habe den Prüfern daraufhin mit rechtlichen Schritten gedroht und sie damit unter Druck zu setzen versucht.

Braun beharrt weiter auf Existenz des Drittpartnergeschäfts

Die Wirtschaftsprüfer hatten in der von Wirecard selbst angestoßenen Sonderuntersuchung keinen Nachweis für die Existenz angeblich milliardenschwerer Treuhandkonten in Asien gefunden. Das war der Anfang vom Ende von Wirecard, das im Juni 2020 Insolvenz anmelden musste. Die Staatsanwaltschaft geht ebenso wie der Insolvenzverwalter davon aus, dass das Geschäft – das laut Leitz von 2016 bis 2018 mehr als 90 Prozent der bilanzierten Gewinne von Wirecard ausmachte – nie existiert hat. Braun beharrt dagegen auch vor Gericht darauf, dass es das Drittpartnergeschäft gegeben habe und dessen Erlöse nur beiseitegeschafft wurden.

Bis zuletzt habe Braun versucht, den vorläufigen Bericht der Wirtschaftsprüfer zu verändern und die Ergebnisse umzudeuten, sagte Leitz. Noch in der Schlussbesprechung habe er gesagt: "Sie konnten uns ja nicht nachweisen, dass wir das Geld nicht haben." Der für das Asiengeschäft verantwortliche und seit der Pleite flüchtige Vorstand Jan Marsalek, den Leitz nach eigenen Angaben bei der Besprechung zum ersten Mal gesehen hatte, habe in Anspielung auf den nordkoreanischen Diktator gefragt: "Wer soll das Geld denn sonst haben? Kim Jong-il oder wer?"

1,9 Milliarden Euro unauffindbar

Auch in einer Ad-hoc-Mitteilung an die Anleger habe Braun die Ergebnisse der KPMG-Untersuchung verzerrt dargestellt. "Der Inhalt war für uns nicht tragbar", sagte Leitz. Das habe er ihm schriftlich und in einem Telefonat klarzumachen versucht und auch Aufsichtsratschef Thomas Eichelmann informiert. Braun habe ihm gesagt, er nehme die Mitteilung "auf seine Kappe". Die Staatsanwaltschaft wirft dem Ex-Vorstandschef neben Betrug auch Irreführung des Kapitalmarktes vor.

In der Sonderprüfung wollten die Prüfer nachvollziehen, wie die Gelder von den Kunden der Händler, die ihre Geschäfte über angebliche Drittpartner von Wirecard abwickelten, in die Systeme von Wirecard flossen. Die "Financial Times" hatte Zweifel daran geschürt, dass es die Geschäfte gab, die Wirecard als Umsatz verbuchte und für die der Abwickler Provisionen kassierte. Die Erlöse sollten auf einem Treuhandkonto in Singapur und später in Manila auf den Philippinen landen, das sich angeblich auf 1,9 Milliarden Euro summierte. "Für mich war die Frage: Existiert das Geld, und wo ist das Geld?", sagte Leitz. Seinen Vorschlag, den gesamten Betrag als Nachweis auf ein deutsches Konto zu überweisen, habe Wirecard zurückgewiesen.

Wirecard nicht kooperativ

Wirecard habe es den Prüfern schwer gemacht und die geforderten Unterlagen verspätet oder gar nicht geliefert. Verträge mit Händlern habe es nicht gegeben, Transaktionsdaten aus den drei Jahren seien nicht mehr vorhanden und die Geldflüsse nicht nachvollziehbar gewesen, sagte der KPMG-Prüfer aus. "Wir hatten ein Untersuchungshemmnis. All das, was man normalerweise braucht, um die Existenz der Umsatzerlöse nachzuweisen, das fehlte."

Laut Wirecard wollten die Händler nicht mit den Prüfern in Kontakt treten, Bilanzen der angeblichen Wirecard-Partner gab es nicht. Stattdessen habe der Chef der Compliance-Abteilung von Wirecard darauf gedrängt, das KPMG-Team teilweise auszutauschen. "Den Versuch, uns zu beeinflussen, gab es mehrfach", sagte Leitz. (Reuters, 13.4.2023)