Früher Feierabend? Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler schlägt eine deutliche Reduktion der Arbeitszeit vor.
Foto: Getty Images

Pro: Eine neue Gesellschaft

Andreas Babler, Kandidat für den linken Chefsessel im Land, haut mit der Faust auf den Tisch der neuen Arbeitswelt: 32 Stunden bei vollem Lohn für alle. Keine Diskussionen über Viertagewochen, in die 40 Stunden gepfercht werden, oder Exegesen über die Generation Z, sondern schlicht weniger Arbeit, mehr Geld. Firmen in Bedrängnis der Inflation, steigender Zinsen und Personalnöte sollen die Knie schlottern. Träumt der Mann, wer soll zahlen?

Was nur wie ein populistischer Konfrontationskurs daherkommt, ist eine notwendige Positionierung. Vor allem ist das der notwendige Schubs, alte Leistungslogiken an moderne Gesellschaften anzupassen. Was ist Arbeit – und was ist sie wert?

Gehen wir von 32 Stunden als Normalarbeitszeit im Erwerbsjob aus, dann sagen die bisher international gelaufenen Pilotprojekte: Das ist gut für die Gesundheit, das ist kein Verlust der Produktivität. Menschen haben mehr Zeit. Bleibt nur die Frage, wie sich Staat und Unternehmen die Kosten teilen.

Ja, es wird in einer Übergangsphase etwas kosten. Aber dann liegt genau hier das Potenzial für echte gesellschaftliche Innovation abseits vom Erwerbsstundenrechnen in einer Firma. Denn damit eröffnen wir die Chance, uns umeinander zu kümmern, gemeinnützige Arbeit, Care-Arbeit, nicht als das Unbezahlte weiterzuwursteln, sondern als geldwerte Normalität zu leben. Die wahre Rechnung für den Finanzminister wäre viel umfassender – und sie würde aufgehen. (Karin Bauer, 14.4.2023)

Kontra: Utopisch und kontraproduktiv

Wenn Arbeitnehmer nur vier Tage in der Woche arbeiten wollen, so sollten sie diese Chance haben. Wenn gewisse Betriebe entdecken, dass sie bei weniger Arbeitsstunden genauso viel Leistung erhalten, was eine britische Studie zeigt, dann sollen sie gleich viel bezahlen.

Andreas Babler, der SPÖ-Chef und Kanzler werden will, fordert etwas anderes: eine 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, gesetzlich verpflichtend für alle Branchen. Das ist nicht nur utopisch, sondern auch kontraproduktiv.

Arbeitszeitverkürzung war ein Konzept aus den 1980er-Jahren als Mittel gegen hohe Arbeitslosigkeit. Die im Jahr 2000 in Frankreich eingeführte 35-Stunden-Woche hat allerdings keine neuen Jobs geschaffen. Und heute ist das Problem nicht Arbeitslosigkeit, sondern Arbeitskräftemangel, den eine verordnete 32-Stunden-Woche noch verschärfen würde.

Dazu kommt der volle Lohnausgleich, der Mehrkosten von fast einem Viertel verursacht. Betriebe, die für den Inlandsmarkt arbeiten, könnten das über die Preise weitergeben, auch wenn das die Inflation befeuert. Die Exportwirtschaft aber wäre schwer geschädigt. Und wenn der Staat die Kosten übernimmt, fehlen die Budgetmittel für andere Zwecke.

Die meisten Menschen wissen instinktiv, dass dieser Plan nicht funktioniert. Mit diesem Programm bewirbt sich Babler für den Job eines idealistischen Oppositionschefs. (Eric Frey, 14.4.2023)