Dieses Bild hat die KI Midjourney erstellt. Ich schreibe den Prompt: "Mädchen auf einem echten Dinosaurier." Und zack: Der Traum vieler kleiner Kinder wird wahr!

Foto: Midjourney

"Komm, wir gehen jetzt in die Garderobe und ziehen die Schuhe an", sage ich zu meinem Zweijährigen. Der hat – wie so oft – andere Pläne. Weglaufen zum Beispiel. Oder fünfmal hintereinander ganz laut "Nein" schreien. Ich ahne schon, was als Nächstes passiert: Wir spielen Abfangen. Und zwar so lange, bis ich schimpfe, das Kind schnappe und es unter Protestgeschrei in Gatschhose und Gummistiefel stopfe, Mütze obendrauf. Alles nur eine Phase, alles nur eine ..., das Mantra aller Eltern.

Das Problem ist: Kinder sind permanent in irgendwelchen Phasen. Zuerst lässt uns das Neugeborene nicht durchschlafen, dann wird aus dem süßen Baby ein kleiner Wutzwerg, später quält einen der Aufräumverweigerer oder oberschlaue Teenie. Kinder sind großartig und mühsam zugleich. In solchen Momenten sitze ich ratlos da und frage mich: "Was soll ich tun?" Abends tippe ich mein Leid in das Suchfenster von Google ein. Ich durchforste Foren, lese Blogs und Fachbeiträge. Am Ende fühle ich mich erschöpft, erschlagen von der Unendlichkeit, die mir das Internet bietet.

Was ist ChatGPT?

Ich will doch bloß EINE klare Antwort, einen konkreten Tipp. Doch jetzt gibt es etwas, das mir wirklich helfen könnte: künstliche Intelligenz. Das vieldiskutierte Programm ChatGPT etwa. Eine lange Suche im Netz ist mit dem einfachen Chatbot nicht mehr nötig. Alles, was man machen muss, ist, eine Frage in ein Chatfenster zu tippen. Und zack, schon wird einem geholfen – so zumindest das Versprechen. Doch kann ChatGPT ernsthafte Erziehungsfragen so beantworten, dass ich im Alltag mit meinen Kindern davon profitiere?

Im November 2022 hat OpenAI, ein Hersteller für künstliche Intelligenz (KI), den Chatbot vorgestellt. Binnen kürzester Zeit löste er einen regelrechten Hype aus. Eltern von Teenagern durften damit ziemlich sicher schon Bekanntschaft machen, denn mittlerweile werden ganze Hausaufgaben an ChatGPT delegiert. Die KI kann Aufsätze schreiben, Mathematikaufgaben lösen oder lange Lernkapitel kurz zusammenfassen. Das alles in Sekundenschnelle, freilich müssen die Fakten nochmals überprüft werden.

Wie das geht? Ich habe ChatGPT einfach mal gefragt: "Ich wurde mit einem enormen Datensatz trainiert, der aus einer Vielzahl von Texten und Inhalten besteht, die aus dem Internet und anderen Quellen extrahiert wurden. Während des Trainings wurde ich darauf programmiert, menschenähnliche Antworten auf verschiedene Fragen und Anfragen zu generieren, indem ich Muster und Zusammenhänge in den Daten erkenne."

Hilf mir mal bei der Erziehung!

ChatGPT wird bereits von Eltern für Erziehungsfragen genutzt. Zumindest behauptet das Programm: "Als eine künstliche Intelligenz, die in der Lage ist, Fragen zu verschiedenen Themen zu beantworten, werde ich oft nach Erziehungsthemen gefragt."

Hier sind einige Beispiele für Fragen, die ChatGPT von Eltern häufig gestellt werden:

  1. Was kann ich tun, damit mein Kind besser schläft?
  2. Wie gehe ich mit einem trotzigen Kind um?
  3. Wie kann ich meinem Kind beibringen, mit anderen Kindern zu teilen?
  4. Wie motiviere ich mein Kind, mehr zu lesen?
  5. Wie gehe ich damit um, wenn mein Kind in der Schule gemobbt wird?
  6. Wie helfe ich meinem Kind, seine Emotionen zu regulieren?
  7. Wie kann ich meinem Kind beibringen, Verantwortung zu übernehmen?
  8. Wie kann ich mein Kind dazu ermutigen, mehr Gemüse zu essen?
  9. Wie kann mein Kind Freunde finden?
  10. Wie spreche ich mit meinem Kind über Sex?

Na gut, ich mache den Test und tippe ins Chatfenster: "Wieso schreit mein Kind (2), wenn ich ihm die Schuhe anziehen will?" Ich zähle mit. Es dauert genau zwei Sekunden, dann beginnt der Chatbot zu tippen. Binnen weiterer acht Sekunden bekomme ich eine ausführliche Antwort. Ziemlich wow!

Das sagt ChatGPT:

"Es ist nicht ungewöhnlich, dass Kinder in diesem Alter beim Anziehen von Schuhen weinen oder schreien, da sie möglicherweise noch Schwierigkeiten haben, sich auf das Anziehen zu konzentrieren, oder ein gewisses Maß an Autonomie erreichen möchten.

Hier sind einige Tipps, die Ihnen helfen können, die Situation zu bewältigen:

  1. Erklären Sie dem Kind, warum es wichtig ist, Schuhe zu tragen. Zum Beispiel können Sie sagen, dass Schuhe die Füße schützen und verhindern, dass sie wehtun oder schmutzig werden.
  2. Versuchen Sie, das Kind zu belohnen, wenn es die Schuhe anzieht. Sie können ihm zum Beispiel einen Sticker oder eine Süßigkeit geben.
  3. Vermeiden Sie Ablenkungen: Vermeiden Sie Ablenkungen wie Fernsehen oder Spielen, die das Anziehen der Schuhe schwieriger machen können.
  4. Nehmen Sie sich Zeit: Nehmen Sie sich genug Zeit, um die Schuhe Ihres Kindes anzuziehen, ohne sich gestresst zu fühlen. Kinder spüren Stress und können dadurch schwieriger werden.
  5. Positives Feedback geben: Geben Sie Ihrem Kind positives Feedback, wenn es die Schuhe angezogen hat, indem Sie z. B. sagen, wie großartig es ist, dass es das selbst gemacht hat.
  6. Setzen Sie Grenzen: Wenn Ihr Kind extrem unkooperativ ist und sich weigert, die Schuhe anzuziehen, setzen Sie klare Grenzen und kommunizieren Sie diese auf eine klare und ruhige Art und Weise.

Jedes Kind ist anders. Haben Sie Geduld. Wenn das Problem anhält oder sich verschlimmert, können Sie in Erwägung ziehen, professionelle Hilfe von einem Kinderpsychologen oder einem Kinderarzt in Anspruch zu nehmen."

Dann bitte ich die Elternberaterin Sandra Teml, die Antwort von ChatGPT zu beurteilen. Sie sagt: "Die KI liefert gut lesbare Rezepte von der Stange. Bei familiären Konflikten oder anhaltenden Problemen sollte aber in jedem Fall eine echte Beratung erfolgen." Darauf weist die KI im letzten Absatz sogar hin. Dies scheint bei Erziehungsanfragen ein programmierter Standard der KI zu sein.

Beurteilung der Familienberaterin:

"Ich würde, außer Punkt 4 und 5, keinen der Punkte der KI empfehlen. Den Sinn von Schuhen zu erklären ist in diesem Fall sinnlos. Das Kind ist zu klein, um so komplex zu denken. Es muss angeleitet, nicht überredet werden. Auch Belohnungen nutzen sich ab und sind – wie Strafen – sehr manipulativ. Der Fokus würde für mich bei der Führungskompetenz der Eltern liegen. Ein Kind muss durch positive Leitung lernen, sich der äußeren Welt anzupassen."

Sehr kritisch sieht Teml, dass der Chatbot einen Kinderpsychologen oder einen Kinderarzt empfiehlt: "Ich würde es im konkreten Fall zuerst mit Kompetenzenerweiterung der Eltern versuchen, bevor ich das Kind zum Reparieren abgebe."

Widersprüchliche Antworten

ChatGPT ist womöglich kein Ersatz für eine professionelle Familienberatung, liefert aber praktische und vor allem schnelle Tipps für Erziehungsfragen. Ich habe tagelang mit der KI experimentiert, sämtliche Fragen gestellt und war oft über die guten Antworten erstaunt. Auf mich wirkt die KI sehr bedürfnisorientiert, die Tipps lassen sich leicht umsetzen – vor allem aber erspare ich mir die lange Suche nach Antworten bei vielen Quellen.

Als Eltern oder Bezugsperson sollte man sich aber immer darüber bewusst sein, dass es keine Garantie für eine faktenbasierte Antwort gibt. Es kann zum Teil sogar zu irreführenden oder widersprüchlichen Antworten kommen. Ich habe etwa danach gefragt, wie ich mein älteres Kind (fünf Jahre) dazu bringe, sein Zimmer aufzuräumen. ChatGPT erklärte mir zuerst, dass Belohnung nicht gut sei. Konkret antwortete die KI, ich sollte Bestechung oder Belohnungssysteme vermeiden. Diese würden nur dazu führen, dass mein Kind zwar kurzfristig sein Verhalten ändert, aber keine positive Gewohnheit daraus wird. Ich denke mir: Ups, "Zimmer aufräumen, und dann gibt es Naschkram" war also komplett falsch. Ach, deswegen funktioniert es nicht.

Dann, ein paar Tage später, stelle ich dem Chatbot exakt dieselbe Frage noch einmal, und plötzlich heißt es: "Verwenden Sie Belohnungen, um Ihr Kind zu motivieren. Dies kann etwas Einfaches wie ein Sticker oder etwas Größeres wie eine besondere Aktivität sein, die sie gerne machen." Na was jetzt?

Lustige Spielereien

Neben der Rolle als Familienberater kann ChatGPT bei alltäglichen Aufgaben unkompliziert helfen. Etwa um einen Kochplan zu erstellen. Mein älterer Sohn ist gerade in der "Bähhh-Phase". Ihm schmecken nur Nudeln mit Pesto. Auch dazu habe ich ChatGPT befragt. Und mir von der KI einen ganzen Wochenplan mit Rezepten für die Familie generieren lassen. Das ist ein wahrer Eltern-Hack! Keine Suchmaschine der Welt bekommt es hin, ein Menü zu erstellen, das auf die Essensvorlieben von vier Familienmitgliedern Rücksicht nimmt.

Oder man lässt sich jeden Abend eine Gute-Nacht-Geschichte von der KI schreiben, wie es meine Kollegin Bernadette Redl macht. Weitere Eltern-Hacks gibt es in der Infobox (unten). (Nadja Kupsa, 15.4.2023)



Ein Märchen von der KI Chatbot als Geschichtenerzähler

Der Marienkäfer ist traurig, weil er nur fünf Punkte hat, das kleine Müllauto darf nicht mit den großen mitfahren, der grüne Traktor hilft im Wald beim Pilzesammeln – ich habe mir schon jede erdenkliche Geschichte für meinen zweijährigen Sohn ausgedacht, die mir irgendwie eingefallen ist. Doch irgendwann ist auch bei mir der Ofen aus. Wenn der letzte Marienkäfer seinen sechsten Punkt und das kleinste Müllauto einen Freund gefunden hat, fällt mir abends nach einem langen Arbeits-Elterntag einfach auch nichts mehr ein.

Deshalb denkt sich bei uns jetzt ChatGPT die Geschichten aus – in denen nicht nur die liebsten Dinge und Orte (Bagger, Bauernhof und Co) meines Sohnes vorkommen, sondern auch er selbst. Das funktioniert überraschend gut. Er düst auf seinem blauen Roller durch die Stadt, trifft Fantasiefiguren und erlebt mit ihnen aufregende Abenteuer.

Das passende Bild zur Kindergeschichte hat die Autorin mit der KI Midjourney generiert.
Foto: Midjourney

Tipp: Was der Chatbot ausspuckt, spreche ich ein und lade das Ganze auf eine Figur seiner Hörspielbox – die Idee habe ich von Tiktok. Mein Sohn ist begeistert, ich lege die Füße hoch – zumindest für zwei Minuten, bis eine neue Geschichte hermuss. (Bernadette Redl)