Die niederösterreichische FPÖ hat als Preis für ihre Koalition mit der ÖVP erzwungen, dass a) das Land Niederösterreich einen Fonds von 30 Millionen einrichtet, um die "Opfer des Impfzwangs" zu entschädigen; dass b) auf dem Schulhof in den Pausen nur noch Deutsch gesprochen werden darf; und c) niederösterreichische Wirte, die Blunzen mit Sauerkraut ("traditionelle Speisen") statt Kebab anbieten, mit einer Prämie belohnt werden.

Nicht alles wird sich verwirklichen lassen, was im niederösterreichischen Arbeitsübereinkommen von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Udo Landbauer (FPÖ) steht.
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Das alles wird sich so nicht verwirklichen lassen. Weil es teils gesetzwidrig (Deutsch in der Pause), teils nicht praktikabel (Entschädigungsfonds) und insgesamt schlicht blöd ist. Dieser Umstand wird auch Kritikern der Koalition mit der FPÖ von niederösterreichischen ÖVP-Politikern mit Augenzwinkern vermittelt: Das haben wir ihnen halt pro forma zugestanden, umgesetzt wird’s eh nicht.

Verzweiflung der Sozialdemokratie

Aber es beherrscht die öffentliche Debatte. Und die FPÖ setzt damit ihre Schwachsinnsthemen, so als ob das echte Probleme wären. Das leere Wiederkäuen von völlig sinnbefreiten "Lösungen" für Pseudoprobleme verdrängt eine reale Debatte. Der gesellschaftliche Diskurs wird von der Mitte nach rechts verschoben. Das ist ein unschätzbarer Vorteil für die in Teilen rechtsextreme FPÖ und ihr Ziel eines autoritären "Volkskanzlers" Kickl.

Dass eine umnachtete ÖVP sich auf so etwas einlässt, ist ein Zeichen für ihre tiefe Desorientierung. Dass der Salzburger SPÖ-Kandidat Egger auch einen "Impfopfer"-Fonds haben will, zeigt die Verzweiflung der Sozialdemokratie.

Daher ein Appell an eine qualifizierte, an der Demokratie interessierte Öffentlichkeit: Können wir bitte endlich über etwas Vernünftiges reden? Über handfeste, echte, reale, schnellstmöglich zu lösende Probleme?

Das Gesundheitssystem kracht an allen Ecken und Enden. Die Teuerung betrifft besonders die Energie, verschärft durch eine völlig kundenfeindliche, unverständliche Gestaltung der Strom-und Gasrechnungen, mit hohen Vorauszahlungen, die offensichtlich den Versorgern billige Liquidität verschaffen sollen. Über den Mangel an Arbeitskräften in sehr vielen Branchen.

Neubesinnung aufs Wesentliche

Und schließlich sollten sich auch der Kanzler und der Innenminister überlegen, ob es sinnvoll ist, jede Woche irgendetwas mit Migration und Asyl und Grenzen zu fordern – ohne Konzept und mit der Gefahr, dass die Leute nach einer Zeit fragen, was denn jetzt eigentlich geschehen ist (nichts; unter anderem weil das Problem nicht mehr so akut ist). Es gibt zwar viele Asylanträge, aber viel weniger Gewährung der Grundsicherung. Weil nämlich die meisten weitergezogen sind.

Die FPÖ braucht den Krawall. Der Rest des Landes, der noch bei Verstand ist, braucht Lösungen. Das beginnt damit, dass man sich nicht mehr mit "bullshit" beschäftigt. Ob jetzt eine Dragqueen Kindern etwas vorlesen darf oder nicht, ist so wurscht wie nur was. Dass jetzt am Wiener Brunnenmarkt "ausländische" Händler dominieren, ist ein soziologisch leicht erklärbares Phänomen: Bei denen arbeitet die ganze Familie mit. Die Wiener ÖVP könnte berühmt werden, indem sie sich um offenkundige Defizite der Wiener Stadtverwaltung kümmert. Sie treibt Unsinn und der FPÖ Wähler zu.

Die ÖVP versumpert, die SPÖ lässt völlig aus, die Grünen und die Neos wissen nicht, wie sie sich effektiv einbringen sollen. Die demokratischen Parteien verlieren rapid an Kompetenz und Gestaltungskraft, die zweifelhaften Demokraten wittern Morgenluft. Die Konservativen beginnen, sich die extrem Rechten schönzulügen. Am Ende steht Orbánistan.

Schritt eins einer Neubesinnung aufs Wesentliche: keinen populistischen Blödsinn mehr reden. (Hans Rauscher, 14.4.2023)