Nicht ganz ein halbes Jahr ist vergangen, und die Kryptowelt hat sich wieder gewandelt. Am Freitag stieg der Bitcoin vorübergehend auf über 31.000 US-Dollar. Gegenüber dem Kurs von Mitte Jänner ist das ein Plus von rund 80 Prozent, er lässt damit viele andere Anlageklassen weit hinter sich.

Zur Erinnerung: Im November hat es mit FTX eine der größten Kryptobörsen zerrissen, Kundengelder in Milliardenhöhe wurden versenkt, und die ganze Branche schlitterte in eine tiefgreifende "Glaubenskrise". Mit dem Ende des Osterwochenendes überschritt das Flaggschiff der Digitalwährungen dann die psychologisch wichtige Grenze von 30.000 Dollar, damit wurde eine Frage schnell wieder salonfähig: Ist der sogenannte Kryptowinter vorbei? Also jene Zeit fallender Preise und Kurse?

Vertrauensverlust ins Banksystem

Bereits vom Ende des sogenannten Winters zu sprechen wäre wohl überstürzt, da sind sich viele Expertinnen und Experten einig. Abseits der Kursgewinne – es geht auch für die meisten anderen Kryptowährungen nach oben – gibt es aber weitere Anzeichen dafür. Alfred Taudes, Professor an der WU Wien, nennt etwa das möglicherweise nahende Ende der Leitzinserhöhungen und den jüngst gewachsenen Vertrauensverlust in Bezug auf das traditionelle Bankensystem.

Am Freitag stieg der Bitcoin-Kurs zwischenzeitlich auf über 31.000 Dollar. In diesen Höhen bewegte er sich lange nicht.
Foto: REUTERS/Dado Ruvic

Mit dem Zusammenbruch der kalifornischen Silicon Valley Bank im März geriet der Sektor ins Wanken. Kurz darauf musste in der Schweiz UBS die Credit Suisse übernehmen, um einen Kollaps abzuwenden. Derartige Entwicklungen bestärken Krypto-Befürworter in ihrer Haltung, dass Digitalwährungen eine echte Alternative zum Bankensektor darstellen.

Performance wie Tech-Aktien

In den vergangenen Jahren performten Bitcoin und Co an sich wie Tech-Aktien, die lange Nullzinsphase hat riskante Assets interessanter gemacht. Unsicherheit treibt Menschen aber üblicherweise hin zu stabilen Anlageformen wie Staatsanleihen oder Gold. Letzteres wird aktuell stark nachgefragt, der Preis für eine Feinunze liegt wieder deutlich über 2000 Dollar und kratzt an der Rekordmarke von vor drei Jahren. 2072 Dollar kostete eine Feinunze damals. Und somit bekommt Krypto – allen voran der Bitcoin – wieder ein anderes Mascherl.

"Wenn Bitcoin und Aktien gleichzeitig steigen, aber der Goldpreis fällt, herrscht allgemeine Risikobereitschaft", sagt Bitcoin-Experte Niko Jilch zum STANDARD. Momentan sei die Korrelation von Aktien und Bitcoin gebrochen, ob das so bleibe, wisse niemand. "Es kann auch passieren, dass Bitcoin die Zinswende einleitet und Aktien gleich nachziehen."

Ist Bitcoin nun hochriskant oder doch der berühmte sichere Hafen? Fest steht, der Kurs ist volatil, das wird sich auch in naher Zukunft nicht ändern. Jilch sieht es so: "Bitcoin verbindet zwei Welten. Einerseits steht er für technologischen Fortschritt, andererseits für Unabhängigkeit vom Finanzsystem. Das Narrativ wird sowieso erst im Nachhinein gesetzt", sagt Jilch. Bitcoin habe einmal mehr Widerstandsfähigkeit bewiesen. Vom Winterende will er aber nicht sprechen, als "Wärmephase" bezeichnet er den Status quo.

In Nigeria ist das Interesse an Kryptowährungen besonders groß. Das Einführen einer digitalen Staatswährung floppte.
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Ein Blick nach Afrika

Dass Kryptowährungen bei traditionellen Finanzdienstleistern in entwickelten Ländern immer stärker akzeptiert werden, ist kein Geheimnis mehr. WU-Professor Taudes blickt aber auch nach Afrika, wo Digitalwährungen zunehmend eine wichtigere Rolle spielen. "In Entwicklungsländern werden Kryptowährungen immer öfter als Zahlungsmittel verwendet. In Nigeria etwa nutzt beinahe jeder Zweite Kryptowährungen." Gründe dafür seien die hohe Inflation, politische Instabilität und die missglückte Einführung einer digitalen Zentralbankwährung namens eNaira. Krypto-Aktivitäten sind in Nigeria an sich verboten, die meisten Menschen nutzen laut der nigerianischen Zeitung Punch Newspaper aber ohnehin keine nigerianischen Konten und fallen somit nicht unter die staatliche Aufsicht. Der eNaira-Versuch stieß bei der der lokalen Bevölkerung auf so gut wie keine Akzeptanz.

Upgrades bei Ethereum

Ein Blick auf die Nummer zwei des Krypto-Universums darf dieser Tage auch nicht fehlen. Der Ether-Kurs rangierte am Freitagnachmittag bei über 2100 US-Dollar, eine lang nicht gesehene Höhe, die aber auch nicht von irgendwo kommt.

Bei einem großen technischen Update vergangenen Herbst (The Merge) wurde ein neuer Mechanismus eingeführt, der den Energieverbrauch der Ethereum-Blockchain massiv reduziert. Diese Woche folgte das sogenannte Shapella-Upgrade, das, vereinfacht gesagt, jene Anleger belohnt, die besagten Mechanismus am Leben halten, und stellt eine flexiblere Staking-Kultur für Ethereum in Aussicht. (Was das im Detail bedeutet, lesen Sie HIER)

Die Zeichen in der Kryptobranche stehen jedenfalls auf Entspannung, verlorenes Vertrauen kehrt allmählich zurück. Natürlich vorausgesetzt, es geschieht zeitnah kein Fiasko à la FTX.
(Andreas Danzer, 15.4.2023)