"Bei aller Liebe für kulinarische Vielfalt und unterschiedliche Länderküchen geht nichts über das gefüllte Hendl meiner Oma. Als Kind habe ich mich immer gefreut, wenn wir an Feiertagen zu ihr in die Oststeiermark gefahren sind. Schon beim Betreten der Küche ließ mir der Duft des Hendls das Wasser im Mund zusammenlaufen. Umso enttäuschter war ich, wenn sie ausnahmsweise einmal Schnitzel vorbereitet hatte.

Die Oma war eine sparsame Frau, bestrichen wurde es mit Resten aus der Butterverpackung.
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Sie hielt Hühner, die groß werden und frei herumlaufen durften, und sie hat ihnen auch selbst den Kopf abgeschlagen. ‚Das Hendl braucht Butter‘, sagte meine Großmutter, die sonst meist Margarine verwendete. Da sie eine sparsame Frau war, bestrich sie die Haut des Hendls mit den Resten aus der Butterverpackung. Für die Füllung schnitt sie einfach alte Semmeln klein, gab Zwiebeln, Milch und reichlich Petersilie dazu. Die überschüssige Fülle kam in ein zusätzliches Reindl, die haben meine Schwester und ich besonders geliebt.

Das gefüllte Hendl hat meine Großmutter in ihrem Holzofen absteigend gegart. Das bedeutet: zuerst heiß anfangen, dann nur mehr maximal ein kleines Scheit nachlegen und ansonsten die Resthitze des Ofens nutzen. Sie war eben sparsam. Gleichzeitig wurde auf diese Weise die Haut superknusprig, und das Fleisch blieb ganz saftig.

Eva Rossmann
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Vor kurzem habe ich mir selbst einen Holzofen gekauft, aber so perfekt habe ich das gefüllte Hendl bisher nicht hinbekommen. Ich werde üben. Außerdem werden Erinnerungen oft romantisiert, da kann die Realität schwer mithalten. Als meine Großmutter mit weit über neunzig ihrem Tod entgegendämmerte, reagierte sie nur mehr auf zwei Dinge: Gottesmutter Maria – sie war sehr religiös – und das gefüllte Hendl. Die Speise war anscheinend auch für sie etwas ganz Besonderes." (RONDO, Michael Steingruber, 15.5.2023)