Die Neue Burg am Wiener Heldenplatz teilt sich das Haus der Geschichte Österreich derzeit mit vier anderen Institutionen. Das KHM war über den "Eindringling" nie glücklich.

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Das Gezerre um einen angemessenen Standort für das Haus der Geschichte Österreich (HdGÖ) geht offenbar in eine neue Phase über: Seit Monaten schon werden im Kulturstaatssekretariat Pläne gewälzt, wie man dem Haus, das derzeit in der Neuen Burg am Wiener Heldenplatz untergebracht ist, mehr Platz verschaffen kann. Laut APA dürfte sich derzeit ein Standort im nur wenige Hundert Meter entfernten Museumsquartier als Favorit herauskristallisieren.

Konkret werde die Option geprüft, im Hof 2 des MQ, in dem das Zoom-Kindermuseum, der Dschungel Wien und das Tanzquartier untergebracht sind, ein Dach auszubauen. Zumindest 10,6 Millionen Euro aus einem Vergleich wegen des irrtümlich restituierten Klimt-Gemäldes Apfelbaum II stehen dafür zur Verfügung. Die in der Neuen Burg als ungenügend empfundene Fläche von 700 Quadratmetern für Dauer- und 300 Quadratmetern für Sonderausstellungen könne man im MQ zumindest verdoppeln, heißt es.

Ein Dachausbau im Hof 2 des Museumsquartiers dürfte aktuell eine realistische Option für das HdGÖ sein.
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Projekt mit Vorgeschichte

Von den ursprünglich für das HdGÖ von Politik und Experten angedachten 3000 Quadratmetern bliebe man in dieser Variante freilich dennoch weit weg. Zur Erinnerung: Ex-Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) hatte 2015 in der Neuen Burg Großes vor, wollte der Zeitgeschichte an dem historisch hoch aufgeladenen Ort viel Platz einräumen und dafür dem Kunsthistorischen Museum (KHM) versprochene Flächen abtrotzen.

Das KHM hatte mit dem "Eindringling" in der Neuen Burg selbstredend keine Freude, betreibt der Verband doch an dem Standort mit der Hofjagd- und Rüstkammer, dem Ephesos-Museum, dem Weltmuseum und der Sammlung Alter Musikinstrumente, deren Unterstützer sich damals erfolgreich gegen eine Umsiedelung wehrten, vier Ableger.

Ostermayers Nachfolger Thomas Drozda (SPÖ) realisierte das HdGÖ in der Folge unter Zeit- und Finanzdruck als Provisorium in der aktuellen Mini-Variante. Damit konnten weder KHM-Direktorin Sabine Haag noch HdGÖ-Direktorin Monika Sommer glücklich sein. Auf die nunmehrige Option MQ angesprochen, reagiert Sommer aufgeschlossen, aber nicht euphorisch. Nur so viel: Sie freue sich, dass aktuell Standortoptionen geprüft werden und dass "Bewegung in die Sache kommt". Man habe sich als Zeitgeschichtemuseum etabliert, "und es ist evident, dass wir mehr Platz brauchen".

Dachfläche genug für ein weiteres Museum? Gut 3.000 Quadratmeter wären im MQ für das Haus der Geschichte möglich.
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Falls die Fläche in der Neuen Burg frei würde, plant das KHM, diese dem archäologischen Ephesos-Museum zuzuschlagen, konkret soll der bisher nicht gezeigte "Heroon von Trysa"-Fries ausgestellt werden, für den beim Umbau der Flächen bereits sechs Millionen in belastbarere Statik investiert worden seien. Einen Auszug des HdGÖ "begrüßt" Sabine Haag auf STANDARD-Anfrage "ausdrücklich". Dann wäre nämlich auch "ein lückenloser Rundgang durch die KHM-Sammlungen mit einem Ticket" möglich.

Im Kulturstaatssekretariat will man zu den Planspielen derzeit noch nichts sagen. Das MQ sei nur einer von mehreren möglichen Standorten, heißt es auf Anfrage, fix sei noch nichts.

Scheitern einer Vision

Tatsache ist: Zieht das HdGÖ vom Heldenplatz ab, ist die Vision Ostermayers, die im Wesentlichen eine des Zeithistorikers Oliver Rathkolb war, wohl endgültig dahin – der Versuch nämlich, dem Ort mehr Republikssymbolik einzuschreiben.

Vorgeschwebt war Rathkolb eine mutigere Musealisierung des imperialen Habsburg-Baus der Neuen Burg mitsamt seiner zentralen Terrasse, auf der Hitler 1938 die Anschlussrede hielt. Auch das Äußere Burgtor (Heldentor), das im Austrofaschismus instrumentalisiert wurde, hätte Rathkolb in das Gesamtkonzept einbezogen. Konservativer Widerstand, fehlende Finanzierung, aber auch das Bundesdenkmalamt, das weder einen Neubau des HdGÖ am Heldenplatz noch eine Nutzung der Terrasse und andere bauliche Adaptionen goutiert hätte, vereitelten die Pläne.

Zieht das HdGÖ nun ins MQ, dann ist es eine Entscheidung gegen die Symbolik und für die Pragmatik. Zwar würde ein im MQ "verstecktes" Dachgeschoß-HdGÖ ähnlich wie die dortige Kunsthalle mit fehlender Sichtbarkeit kämpfen, Nachbarschaftsstreits und Probleme mit der ungeeigneten Bausubstanz gehörten aber der Vergangenheit an.

In der Neuen Burg bliebe alles beim Alten. Konservierung statt Bewegung. Auch ein Konzept. (ANALYSE: Stefan Weiss, 18.4.2023)