Die anwachsende Fluchtbewegung aus der sudanesischen Hauptstadt Khartum am Montag zeigt, dass die Menschen nicht damit rechnen, dass der Krieg der beiden Putschgeneräle so schnell vorbei sein wird: Die Armee des Militärjuntachefs und die Milizen des Militärjuntavizechefs bekämpfen einander auf dem Boden und in der Luft. Und die sudanesische Zivilbevölkerung ist zwischen den Fronten gefangen.

Beide, Armeechef Abdelfattah al-Burhan und der Kommandant der Rapid Support Forces (RSF), Mohamed Hamdan Dagalo, behaupten, den Sudan auf einen demokratischen Weg führen zu wollen, den der jeweils andere verweigert. 2021 hatten sie noch gemeinsam die Zivilisten aus der Regierung weggeputscht. In der letzten Zeit hatte sich Dagalo, der als der Mann der Vereinigten Arabischen Emirate gilt, als derjenige stilisiert, dem eine Machtteilung mit den Vertretern der Zivilgesellschaft gar nicht schnell genug gehen konnte: Es winkten internationale politische Anerkennung – und dringend benötigte Finanzhilfe. Burhan wirkte wie derjenige, der die militärischen Zügel nicht auslassen wollte.

Rauch über Khartum. Die Zahl der Opfer im Sudan steigt.
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Wie so oft in Ländern in Transitionsphasen war die Reform des Sicherheitssektors der Punkt, an dem der Prozess zerbrach. Dagalo wollte seine Paramilitärs, die seine eigenen wirtschaftlichen Interessen – unter anderem Goldminen – schützen, nicht in die Armee integrieren lassen. Dass Burhan, der der Denkschule des ägyptischen Autokraten Abdelfattah al-Sisi nahesteht, diese Armee wiederum eigentlich nicht unter die Kontrolle von Zivilisten stellen will, ist der zweite Teil der Geschichte.

Schritt zur Freiheit

Die Zivilisten und Zivilistinnen: Es gibt kaum einen arabischen Staat, der trotz jahrzehntelanger Diktatur – im sudanesischen islamisch-militärisch – eine so starke lebendige Zivilgesellschaft bewahren konnte. Die Frauen haben traditionell daran einen starken Anteil. Schon bei den arabischen Unruhen 2011 meldeten sich die Sudanesen und Sudanesinnen lautstark zu Wort. Aber erst 2019 konnte eine breite Protestbewegung, die sich als erstaunlich stabile "Forces of Freedom and Change" (FFC) organisierte, Omar al-Bashir nach dreißig Jahren an der Macht stürzen. Aber als sie auf der Straße für eine Beteiligung an der Regierung weiterdemonstrierten, ließ Dagalo erst einmal seine brutalen RSF-Milizen auf sie los. Die Menschen im Sudan haben es nicht vergessen.

Nur vier Jahre ist es her, dass das ikonische Foto der "Woman in White" um die Welt ging, das Bild einer jungen Frau in weißer Robe und großen mondförmigen Ohrgehängen, die auf einem Autodach stehend mit großer Geste die Protestgesänge in Khartum anführt. Wenige Tage später musste Omar al-Bashir gehen. Aber anders als in anderen arabischen Staaten, die 2011 Regimewechsel erlebt hatten, war der revolutionären Bewegung im Sudan stets bewusst, dass der Sturz des Diktators immer nur der erste Schritt zur Freiheit ist.

Seitdem war es ein ununterbrochener, oft blutiger Kampf. Gerade in den vergangenen Monaten schien eine Wende zu einem echten demokratischen Übergang wieder greifbar: Oder war es wieder einmal nur die Illusion der internationalen Gemeinschaft, die daran glauben wollte, dass Figuren wie Burhan und Dagalo, weil es ihnen ihre politisch versierten Freunde im Ausland raten, zu mehr bereit wären, als höchstens eine zivile Fassade zuzulassen? Aber letztlich haben sie nicht einmal das geschafft. (Gudrun Harrer, 17.4.2023)