Es sei unklar, ob die Weißwähltaktik der FPÖ für die Wahl zur Landeshauptfrau ausgereicht habe, sagte Verfassungsjurist Stöger dem STANDARD.

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St. Pölten – Angesichts einer laut dem Verfassungsjuristen Karl Stöger "unklaren Rechtslage" bei der Wahl von Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) zur niederösterreichischen Landeshauptfrau und von Udo Landbauer (FPÖ) zu ihrem Stellvertreter hat SPÖ-Klubobmann Hannes Weninger in der Sitzung der Präsidialkonferenz Dienstagmittag eine verfassungsrechtlich eindeutige Klarstellung eingefordert. Landtagspräsident Karl Wilfing (ÖVP) konterte dem mit einer Stellungnahme des Juristen Peter Bußjäger, wonach den Wahl rechtens abgelaufen sei. Die niederösterreichischen Grünen unterstützen den roten Vorstoß für eine Beschwerde nicht. Die Beschwerdefrist läuft bis Donnerstag.

"Alle Parteien sollten Interesse daran haben, dass die Wahl der Landeshauptfrau und ihrer Stellvertreter verfassungskonform über die Bühne gegangen ist", betonte Weninger. Um die derzeit "rechtlich unklaren" Verhältnisse nicht im Raum stehen zu lassen, forderte der SPÖ-Klubobmann eine gemeinsame Entscheidung. Kritik übten die Sozialdemokraten an "extra neu gestalteten Stimmzetteln, um der FPÖ die Nichtwahl von Mikl-Leitner zu ermöglichen".

In der vom Land beauftragten Stellungnahme sagt Bußjäger, dass die Verfassung zur Einberechnung ungültiger Stimmzettel bei der Wahl der Landeshauptfrau und ihrer Stellvertreter "schweige". Daher komme die Geschäftsordnung des Landtages zum Zug, die von einer Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen ausgeht. Demnach sei die Wahl Mikl-Leitners und Landbauers gesetzeskonform verlaufen.

Laut Grünen "gesetzmäßig gewählt"

Auch nach Einschätzung der Grünen wurden Landeshauptfrau und Stellvertretung "gesetzesmäßig gewählt". Für Klubobfrau Helga Krismer ist es "bedauerlich und ein politisches Fiasko, dass solche 'Tricksereien' möglich sind und nicht einmal der Koalitionspartner die Landeshauptfrau gewählt hat". Die Grünen fordern weiterhin die Abschaffung des Proporzes, "damit klare und transparente Verhältnisse geschaffen werden und wir uns solche Diskussionen in Zukunft ersparen".

Die Neos haben nach ihren Beratungen bekanntgegeben, dass sie eine etwaige Verfassungsbeschwerde unterstützen würden – ihre drei Abgeordneten würden dafür alleine nicht ausreichen. "Damit der Verfassungsgerichtshof für die Zukunft Klarheit schaffen kann, würden wir uns einer entsprechenden Beschwerde anschließen", sagte Landeschefin Indra Collini. Die Frist für eine Beschwerde läuft laut Landtagsdirektion vier Wochen ab der konstituierenden Sitzung am 23. März.

Eine Beschwerde müsste von mindestens einem Zehntel der 56 Mitglieder des Landtags, also sechs Abgeordneten, eingebracht werden, bestätigte Stöger auf Anfrage einen Bericht des ORF Niederösterreich. Im Kern geht es um die Berücksichtigung der ungültigen Stimmen bei der Wahl von Mikl-Leitner und Landbauer in der konstituierenden Sitzung. Die FPÖ hatte angekündigt, weiß zu wählen. Mikl-Leitner wurde mit 24 von 41 gültigen Stimmen als Landeshauptfrau bestätigt. Ähnlich war die Situation bei Landbauer. Der Freiheitliche kam als neuer LH-Stellvertreter auf 25 von 44 gültigen Stimmen.

Rechtslage "nicht eindeutig"

Die Rechtslage ist für Stöger "nicht eindeutig", dementsprechend habe eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof Chancen. Während für den Juristen zwei Lesarten der Bestimmungen möglich sind, verwies die Landtagsdirektion auf die Geschäftsordnung des Landtags. Demnach werden alle Wahlen im Landtag durch einfache Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen entschieden, leere Stimmzettel sind ungültig. Der Verfassungsrechtler sieht das aber nicht als entscheidend an, da der entsprechende Passus in der Geschäftsordnung nur dann greife, wenn nichts anderes bestimmt ist. Das wäre bei einer möglichen Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs der Fall.

Würde der VfGH die Wahl für ungültig erklären, wären Mikl-Leitner und Landbauer ab der Kundmachung nicht mehr im Amt. In dem Fall würden Vertretungsregelungen greifen, erläuterte Stöger. Die beiden Wahlvorgänge müssten im Landtag erneut durchgeführt werden.

Kritik von der Opposition

Während SPÖ, Grüne und Neos Kritik übten, sah der niederösterreichische ÖVP-Geschäftsführer Bernhard Ebner am Montag eine "völlig eindeutige" Rechtslage. Landtagspräsident Wilfing betonte, es habe weder in der Präsidiale noch während der Abstimmung im Plenum organisatorische oder rechtliche Kritik am Wahlprozedere gegeben. (APA, 18.4.2023)