Viele junge Menschen plagt gerade zu Beginn der Karriere die Ungewissheit. Wir haben uns nach Ratschlägen für Berufseinsteigerinnen und Berufseinsteiger umgehört.

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Hat man den Job in der Tasche, dominiert erst einmal das Gefühl der Erleichterung und der Freude. Und dann fühlt es sich fast so an wie am ersten Schultag: Voller Erwartungen, Vorstellungen und auch einem etwas mulmigen Gefühl starten viele in die Arbeitswelt.

Wie sind die Kolleginnen und Kollegen? Was, wenn ich nicht gleich alles auf Anhieb kann? Viele junge Menschen plagt gerade zu Beginn der Karriere die Ungewissheit und so manche denken sich, hätte ich das doch nur früher gewusst. Wir haben uns deshalb nach Ratschlägen für den Berufseinstieg umgehört.

Mahdis Gharaei, Gründerin Female Factor

Mahdis Gharaei ist Co-Gründerin und Geschäftführerin der Karriereplattform The Female Factor.
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"Wenn es eine Sache gibt, die ich gerne vor dem Berufseinstieg gewusst hätte, dann dass ich mehr Fragen stellen soll. Gerade zu Beginn meiner Laufbahn hatte ich irrsinnig viel Respekt und teilweise auch Angst, unwissend zu erscheinen, wenn ich zu oft nachfrage, und war eher ruhig – das bin ich mittlerweile ganz und gar nicht mehr. Aber ich bereue es, dass ich mich nicht schon früher getraut habe. Jetzt, da ich in der anderen Rolle bin und selbst schon einiges an Erfahrung gesammelt habe, merke ich, wie sehr ich es schätze, wenn junge Menschen kluge Fragen stellen und auch diese Hemmschwelle nicht mehr haben, sich einzubringen. Ich wünschte, mir hätte jemand gesagt: Als Berufseinsteigerin ist man zum Lernen da und muss noch nicht alles wissen.

Genau deshalb finde ich Mentoring so wichtig: Mentorinnen und Mentoren, sind meist schon dort, wo man selbst einmal hinmöchte, aber weil es nicht die eigenen Vorgesetzten sind, kann man sich sehr ehrlich austauschen. Sie stehen jungen Menschen zudem nicht nur mit Ratschlägen zur Seite, sondern können auch Türen öffnen. Man kann auch mehr als eine Mentorin haben. Auf der anderen Seite können Mentoren sehr viel von den Jungen lernen: Nur Erfahrung und das Gewohnte reichen in der heutigen Arbeitswelt einfach nicht mehr, sie befindet sich in einem ständigen Wandel hin zu neuen Bedingungen. Ich bin überzeugt: Es gibt wohl keine bessere Zeit für den Berufseinstieg als jetzt."

Ali Mahlodji, Gründer Watchado

Ali Mahlodji gründete die Berufsorientierungsplattform Watchado, ist Coach und Speaker.
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"Rückblickend wünschte ich, dass mir in der Schule schon jemand gesagt hätte, dass Noten nicht wichtig sind. Wie viel Stress da gemacht wurde für etwas, das in der Arbeitswelt null Relevanz hat. Das finde ich besonders schade, weil oft das Selbstwertgefühl junger Menschen unter schlechten Noten leidet und sie daran hindert, sich zu entfalten. Ein weiterer Ratschlag, den ich gerne selbst gehört hätte, nun aber anderen gebe: Vor 30 müsst ihr nicht wissen, was ihr einmal machen wollt. Lasst euch Zeit, sammelt Erfahrungen und probiert Neues. Mit Ende 20 kann man dann mal schauen, was einem so liegt, und sich dann Gedanken machen, wohin man möchte.

Außerdem wünschte ich, mir hätte als Berufseinsteiger schon jemand gesagt, dass es ein Leben vor der Pension gibt. Dass man nicht erst auf den Ruhestand hinarbeiten muss, um etwas zu erleben oder das zu machen, was man wirklich will. Das habe ich, aber vor allem haben es die Generationen nach mir verstanden und wollen nun danach leben. Durch diesen Antrieb der Jungen realisieren auch immer mehr Ältere, dass sie mit veralteten Glaubenssätzen brechen müssen, wenn sie in Zukunft erfolgreich sein wollen. Insgesamt wissen also gerade die Jungen heute schon besser, was sie von einem Job wollen, und stellen ihre Forderungen an die Unternehmen.

Hinzu kommt: Sicherheit ist in der modernen Arbeitswelt einfach nicht mehr so gegeben wie noch vor einigen Jahrzehnten. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass man nicht mehr nur den einen Job ein Leben lang machen muss. Sich komplett neu zu orientieren fällt jedoch vielen schwer. Das liegt aber auch daran, dass man, je älter man wird, desto mehr denkt, man weiß alles. Dabei wissen sogar Kinder mehr, weil sie offen und neugierig sind. Als Lehrer habe ich meinen Schülerinnen und Schülern immer gesagt: Ich will euch unterstützen, aber ich will auch ganz viel von euch lernen. Ich habe außerdem versucht, möglichst viel zu probieren, und das hat mir gezeigt, wer ich bin und was ich machen möchte – und was nicht. Ich wollte schon als Kind immer alles wissen, habe immer alle gefragt, welchen Job sie machen und warum. Das habe ich mir bis heute beibehalten." (Anika Dang, 21.4.2023)