Schülerinnen und Schüler dort abholen, wo sie stehen: So lassen sich reaktionäre Weltbilder eindämmen.

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Es ist erschreckend, wie sichtbar sich antijüdisches Denken in Österreich hält. Jeder Dritte glaubt laut einer Studie, dass Juden einen Vorteil haben, weil sie Opfer in der NS-Zeit waren. Unglaublich ist auch, dass etliche junge Erwachsene der Meinung sind, man solle nicht mehr so oft auf die Verbrechen des Holocaust hinweisen. Noch tragischer erscheint aber, dass der Antisemitismus unter Musliminnen und Muslimen ungleich stärker ausgeprägt ist – auch wenn sie hier aufgewachsen und zur Schule gegangen sind.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) präsentierte am Dienstag den dritten Antisemitismusbericht.
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Das deutet darauf hin, dass in vielen muslimischen Familien oder im Freundeskreis eine verstärkte antijüdische Haltung bestehen und florieren muss – befeuert durch den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern. Aber genau dieser ist in Österreichs Schulen zu wenig Thema. Auch das geht aus der Studie hervor. Im Fokus steht in der Regel die europäische Geschichte rund um die Nazi-Verbrechen. Das ist immens wichtig, aber am Ende doch zu wenig.

Nur wenn man Schülerinnen und Schüler dort abholt, wo sie gerade stehen, lassen sich reaktionäre Weltbilder frühzeitig eindämmen. Darin liegt eine große Chance. Antisemitismus ist etwas zutiefst Antidemokratisches. Wer solche Ansichten einmal hegt, ist weiteren radikalen Ideologien schon viel zu nahe. Derzeit verpassen wir diese Gelegenheit in den Schulen. Das muss sich ändern. Danach ist es oft zu spät. (Jan Michael Marchart, 18.4.2023)