Abstrakt bleibt die Bühne von Patrick Loibl.

Foto: Marcel Köhler

Die Wiener Theaterautorin Claudia Tondl richtet im Stück Schnee ihr Brennglas auf die Alltäglichkeit des Sterbens, genauer auf den schändlichen Umstand, dass den Tod einer alten Frau niemand bemerkt hat. Betagte Menschen werden in Hochleistungsgesellschaften systematisch ignoriert und abgewertet.

"Stell dir vor, die Nachbarin haben sie heute abtransportiert", sagt jemand zu Beginn. Sie sei bereits vor Wochen verstorben. Das über lange Zeit hin gut hörbar ins Leere geläutet habende Telefon hat keinen gestört. Diese Situation schärft Tondl nun genau nach. In sich wiederholenden und jedes Mal in neuen Paarkonstellationen gesprochenen Dialogen umkreist sie die Momente des Nichtkümmerns.

In unterschiedlichen Modulen steuern in Ingrid Langs Uraufführungsinszenierung im Hamakom-Theater Wien drei in knallige Komplementärfarben gekleidete Nachbarsfiguren (gespielt von Katharina von Harsdorf, Isabella Knöll und Christoph Radakovits) auf diese Augenblicke des Abwendens zu. Bemerkenswert daran ist, wie sich der Zustand der gewissen Gleichgültigkeit, dem im Alltag niemand dauerhaft entkommt, immer wieder von Neuem herauskristallisiert. Denn schon in dem eigentlich belanglosen Dialog um ein Abendessen wird jener Egoismus spürbar, der viele Jahre später einmal im entscheidenden Nichtabheben des Telefons manifest wird.

Drehbarer Kubus

Die Alltagsszenen bespiegeln sich also reihum gegenseitig. Man folgt den Abläufen in sich leicht variierenden Schleifen. In diesen Wiederholungen erreichen Autorin und Regisseurin aber auch eine gesteigerte Konzentration. Abstrakt bleibt auch die Bühne von Patrick Loibl, der auch das Kostümbild verantwortet. Zentral ist darin ein drehbarer Kubus, dessen Innenleben sich je nach Drehung offenbart. Drinnen sitzt dann der gut verkabelte Hausmeister, den man gern zur Rechenschaft ziehen möchte.

Verkörpert wird er vom Cellisten Lukas Lauermann im grauen Kittel, der mit seinem Streichinstrument sowie am Synthesizer ruhige und unruhig werdende Soundflächen ausspielt. Auch die Musik leistet dem Abstraktionsgrad der Inszenierung Vorschub. Lang verleiht Tondls formstrengem, strophig arrangiertem Text, eine eher theoretisch-begriffliche szenische Umsetzung. Das ergibt zwangsläufig eine tendenziell mechanische Performance, hat aber Hand und Fuß. (Margarete Affenzeller, 18.4.2023)