Auch im Supermarkt stiegen die Preise deutlich. Hätte die Regierung dagegen mehr tun können?

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Abgerechnet wird in der Teuerungskrise wie schon in der Pandemie erst zum Schluss. Wie gut oder schlecht ein Staat durch die Phase der Rekordinflation steuert, wird final also erst in einigen Jahren feststehen. Aber es lassen sich Zwischenergebnisse und Tendenzen ablesen. So viel zeichnet sich ab: Es sieht nicht gut aus für Österreich.

Die türkis-grüne Regierung ist als Reaktion auf die sprunghaft steigenden Preise in extremen Aktivismus verfallen, hat enorme Geldmengen mobilisiert, ohne dass klar wäre, was wir uns dafür eigentlich genau erkauft haben. Die heimische Inflationsrate liegt trotz des Rückgangs im März seit Jahresbeginn beharrlich über den Werten in der Eurozone, und laut Prognosen der Ökonomen soll sich daran auch in den kommenden Monaten wenig ändern. Der Internationale Währungsfonds etwa sagt für Österreich eine Teuerungsrate heuer von 8,2 Prozent voraus, in der Eurozone sollen es nur 5,3 Prozent werden.

Das ist nicht nur ein Problem, weil damit ein Schnitzel im Restaurant, eine Autoreparatur oder ein Kinobesuch für einen Teil der Gesellschaft zunehmend schwer leistbar sein wird. Für Bezieher der Notstandshilfe etwa wird es zusehends finanziell knapp.

Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, geraten damit langfristig unter Druck, weil die Preissteigerungen von heute die Lohnerhöhungen von morgen sind. Eine dauernde Differenz zum Euroraum ist also wirtschaftspolitisch eine Gefahr.

Wo also hakt es? Drei Bereiche lassen sich nennen: Wichtige Maßnahmen haben gefehlt, es gibt zu viel Klientelpolitik, und das Tempo ist und war oft falsch.

Markteingriffe, nein danke

So hat sich die Regierung wohl vor allem aus ideologischen Gründen beharrlich dagegen gesträubt, in die Preisgestaltung von Unternehmen einzugreifen. Ob am Energiemarkt, wo dies zugegeben komplex geworden wäre, oder bei Mieten, wo eine zeitlich begrenzte Mietpreisbremse leicht machbar hätte sein können, schreckten Grün aber vor allem Türkis stets davor zurück, Preisanstiege zu begrenzen. Auch eine Kostenexplosion bei Holz und Pellets, wo sich die Preise in Österreich von jenen in Europa völlig abgekoppelt haben, wurde tatenlos zugelassen.

Nun geht es nicht darum, nach dem dirigistischen Staat zu rufen. Wohl hätten aber zwei oder drei kluge Eingriffe auf die Inflationsrate dämpfend gewirkt. Zugleich wurden Chancen ausgelassen, parallel dazu Versuche zu unternehmen, den Wettbewerb und das Wettbewerbsrecht zu stärken. Auch mehr Wettbewerb kann ja dafür sorgen, dass Preise sinken.

Zaghaft und zu spät

Dort, wo man dann tätig geworden ist, kam es oft sehr spät. Damit wären wir beim Tempo. Etwa bei der Strompreisbremse. Diese senkt tatsächlich die Preise für Haushalte. Die Bremse wurde aber erst Ende 2022 auf den Weg gebracht. Sie konnte ihre Wirkung außerdem nicht voll entfalten, weil parallel dazu die höheren Netzentgelte bei Strom und Gas auf die Haushalte durchschlagen, was wiederum erst jetzt korrigiert wird.

Diesen zaghaften und wenig strukturierten Eingriffen steht ein wahrer Aktivismus gegenüber, wenn es ums Geldausgeben geht. Der Brüsseler Thinktank Breugel rechnet aktuell vor, dass überhaupt nur in drei Ländern in Europa noch mehr Ressourcen im Kampf gegen die Teuerung mobilisiert werden als in Österreich. Konservativ gerechnet sollen es um die zehn Milliarden Euro sein, rechnet der Fiskalrat vor.

Dieses Geld wurde oft mit der Gießkanne verteilt, und oft profitieren dabei jene, die gar keine Unterstützung brauchen. Weil alle, vom Arbeitslosen bis zum Millionär, den Klimabonus über 500 Euro bekommen haben, hat das vermutlich den Konsum befeuert. Mehr Nachfrage führt bei gleichem Angebot zu höheren Preisen, also höherer Inflation.

Zugleich geht es bei einem zentralen Kapitel der Hilfen, den Unternehmensförderungen, weniger um Inflationsbekämpfung denn um Klientelpolitik. Anders ist der Energiekostenzuschuss nicht erklärbar, mit dem die ÖVP Geld an ihre Anhängerinnen und Anhänger verteilt.

Mehr als 2.000 Euro Belastung für eine Familie

Fast fünf Milliarden Euro gehen über zwei Jahre an Betriebe. Etwas weniger als die Hälfte der Ausgaben im Kampf gegen Teuerung fließt also in Form von Betriebshilfen. Pro Kopf bedeutet das für jede Bürgerin und jeden Bürger in Österreich eine Belastung von 550 Euro. Das entspräche bei einer vierköpfigen Familie 2.200 Euro.

Das ist vermutlich die größte Gießkanne der Republik: Denn mit dem Energiekostenzuschuss werden nicht nur energieintensive Industrien gefördert, die im internationalen Wettbewerb stehen und unter Druck sind, wo dies vielleicht gut zu erklären wäre. Auch jedes Gasthaus, jede Supermarktkette und jedes Hotel bekommt die Förderung für bis zu zwei Drittel der Zusatzkosten bei Energie.

Geld, das nicht gebraucht wird

Dabei zeigt sich aktuell, dass viele Branchen diesen Geldregen nicht brauchen. IHS-Chef Fritz Neusser hat soeben demonstriert, dass ein großer Teil des höheren Preisanstieges in Österreich auf die Gastronomie zurückgeht. Sie hat in Österreich nicht nur einen größeren Anteil am Warenkorb, mit dem die Teuerung gemessen wird. Auch haben Gastronomen die Preise stärker angehoben, als etwa in Deutschland. Die Betriebe können also höhere Kosten jedenfalls oft weitergeben an ihre Kundschaft. Kurzum: Es fließen Milliarden an Förderungen, die nicht gebraucht werden.

Da wäre es sogar besser gewesen, mit dem Geld die Umsatzsteuer für Lebensmittel zu senken. Auch das ist absolut nicht zielgerichtet, sorgt aber vorübergehend zumindest für ein paar Preissenkungen.

Die Regierung brüstet sich damit, dass im vergangenen Jahr die schlimmsten sozialen Verwerfungen verhindert werden konnten. Und das ist wohl auch richtig, gerade für niedrigere Einkommensbezieher gab es auch Unterstützung. Und richtig ist sicher auch, dass eine Inflationskrise für Politik keine einfache Herausforderung ist. Natürlich passieren Fehler, und Einschätzungen können sich ändern. Dass die Ökonominnen und Ökonomen der führenden heimischen Institute lange zu wenig kritische Worte in Richtung Politik gefunden haben, gehört auch zur Wahrheit dazu. Und für viele der Unterschiede kann die Regierung nichts, etwa dafür, dass hohe Energiekosten in Österreich schneller weitergegeben werden als in manch anderen Ländern.

Aber die vierthöchsten Kosten in Europa zu verantworten bei so miserablen Kennzahlen lässt nur einen Schluss zu: Die Regierung droht am Management der Inflationskrise zu scheitern. (András Szigetvari, 19.4.2023)