Begonnen hat Peter Filzmaiers TV-Karriere mit US-Präsident Bill Clinton. In Österreich hat der Politologe in den vergangenen 25 Jahren mittlerweile an die 50 Wahlen erklärt.

Foto: Heribert Corn

Im Prater auf der Hauptallee war Schluss. Es ist der Ort, an dem Peter Filzmaier gescheitert ist. "Kläglich gescheitert", wie der Sportfanatiker in ihm bedauert. Denn dort endete seine Karriere als Marathonläufer – "wegen mangelnder Rennintelligenz und fehlender Laufstrategie", analysiert er sich selbst. Dabei lag seine Halbmarathon-Bestmarke bei der eindrucksvollen Laufzeit von einer Stunde und zwölf Minuten. Aber wer an einem heißen Tag einfach so drauflos rennt ... "Strategische Planung ist das wirklich Wichtige", sagt der 55-Jährige, der als Kind Sportreporter werden wollte – nicht nur im Sport, sondern auch in der Politik. Dort sollte der verhinderte Langstreckenläufer später beruflich sein ureigenstes Habitat finden: Die Strategieanalyse wurde das zentrale Thema und wissenschaftliche Fachgebiet des heute wohl bekanntesten Politikwissenschafters des Landes.

Peter Filzmaier wollte als Kind Sportreporter werden – seit drei Jahren kommentiert er für den ORF Oberösterreich den Linz-Marathon.
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Der Mann mit dem Plan

"Talent ist zwar ein Riesenvorteil", sagt er, "aber es genügt nicht." So wie im Sport für Spitzenleistungen langfristiges strategisches Training notwendig sei, bräuchten auch Politikerinnen und Politiker klare Strategien, eine "inhaltliche Langzeitplanung", wie sie ein bestimmtes Ziel erreichen wollen. Das Problem dabei: "Es ist einer der Kardinalfehler der Politik, aber auch vieler Medien, Taktik mit Strategie zu verwechseln", sagt Filzmaier beim Treffen in einem Café. Zum Gespräch kommt er per Klapprad, mit dem er in der Stadt flexibel mobil ist. Der FC-Barcelona-Fan wählt eine Fußballmetapher: "Zu oft geht es um einmalige Wow-Effekte. Ein Fallrückzieher ist eine akrobatische Leistung, aber keine sinnvolle Taktik und schon gar keine Strategie." Wer die Meisterschaft, ein Rennen oder eine Wahl gewinnen will, braucht einen längerfristigen Plan.

Diesem versucht Filzmaier, der selbst "fast immer einen Plan hat", auf die Spur zu kommen und für die Wählerschaft zu entschlüsseln, so es eine solche Strategie überhaupt gibt: "Wir hören ja oft politische Aussagen, die vielleicht im Moment gut klingen, aber strategisch keinen Sinn machen." Das nächste Mal gibt er den obersten Politikerklärer der Nation an diesem Wochenende bei der Salzburger Landtagswahl. Es ist ungefähr seine 50. Wahl, bei der er wieder im Rundumeinsatz ist.

Multifunktionstool für die Mediengesellschaft

Wer ist der Mann, der den Österreicherinnen und Österreichern vom öffentlich-rechtlichen Podest aus breitenwirksam die Welt der Politik erklärt? Der aktuell im größten Boulevardmedium des Landes, der Kronen Zeitung, Sonntag für Sonntag zwei Seiten füllt und davor Kolumnen im STANDARD sowie in einigen Bundesländerzeitungen hatte? Der zuletzt seinen Podcast mit ZiB2-Anchorman Armin Wolf für die Generation Print auch in Buchform unter dem Titel Der Professor und der Wolf: Das 1 × 1 der Politik publizierte?

Nun: Peter Filzmaier ist so eine Art menschliches Schweizermesser, ein Multifunktionswerkzeug für die Mediengesellschaft. Sein Material und Geschäftsfeld ist Politik in allen Formen. Seinen Stoff walkt er als Wissenschafter, als Kommunikator und als Unternehmer durch.

"Talent ist zwarein Riesenvorteil, aber es genügt nicht", sagt Politikwissenschafter Peter Filzmaier: "Strategische Planung ist das wirklich Wichtige, nicht nur im Sport, auch in der Politik."
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  • Der Wissenschafter: Am Anfang war die Wissenschaft von der Politik, im Zentrum standen immer schon Wahlforschung und politische Kommunikation – vor allem in den USA, "der größten Mediendemokratie", die Filzmaier mit Fritz Plasser, einem der Doyens der österreichischen Politikwissenschaft, von der Uni Innsbruck aus beackerte. Sein Ziel war immer, "Politik-Professor zu werden". Mit 34 war er es. Zuerst "außerordentlich" in Innsbruck, 2006 wurde er an der Donau-Uni Krems Universitätsprofessor für Demokratiestudien und Politikforschung, 2010 kam ein Lehrstuhl für Politische Kommunikation in Graz dazu. Beide hat er inzwischen zeitlich auf eine Drittelprofessur geschrumpft, seine Studierenden sehen ihn nur in geblockter Seminarform – oder im Fernsehen. Einige von ihnen sind selbst zu Analyseobjekten ihres ehemaligen Professors geworden. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) absolvierte Filzmaiers Unilehrgang für politische Kommunikation in Krems, den er bis vor sechs Jahren leitete, ebenso wie der um die SPÖ-Parteiführung ritternde Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, FPÖ-Fraktionsführer im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss Christian Hafenecker und Ex-Grünen-Mandatar Dieter Brosz. Ganz aufgeben würde Filzmaier die Uni nie, sagt er: "Sie zwingt mich, wissenschaftlich up to date zu sein. Auch die Studierenden sind ein gutes Regulativ, durch das man gefordert wird."

    Zu den Sparringpartnern des omnipräsenten TV-Analytikers gehört Sora-Wahlforscher Christoph Hofinger. Mit ihm spricht Filzmaier "sogar am Wahlabend vor der ersten Hochrechnung noch kurz. Wir denken Szenarien durch und suchen Erklärungshypothesen, die wir nach Wahrscheinlichkeit reihen. Wenn wir gut gearbeitet haben, können wir die hinteren schnell streichen." Kritischen Austausch gibt es auch mit Kolleginnen wie Katrin Praprotnik von der Uni Graz, die das männlich dominierte Politikerklärmonopol ebenso aufgebrochen hat wie Kathrin Stainer-Hämmerle von der FH Kärnten, die in Innsbruck Filzmaiers Mitarbeiterin war. Von "sich matchen" spricht er auch, wenn in seinem privaten Forschungsinstitut "die medial gesagten Ideen, Thesen und Schlussfolgerungen diskutiert und kritisiert werden. Das ist ganz wichtig."

  • Der Kommunikator: Eigentlich gibt es heuer ein "Filzmaier on TV"-Jubiläum zu feiern: Vor 25 Jahren, am 27. Jänner 1998, ist der damals noch völlig unbekannte Unilektor in die ZiB 3 "reingestolpert", erinnert er sich, und sollte Erhellendes über die Clinton-Lewinsky-Affäre sagen. Das tat er so eloquent, er wedelte so unfallfrei durch lange Wortslaloms, dass er – ohne je ein Medientraining absolviert zu haben – über die Jahre zum mobilen Ein-Mann-Einsatzkommando des ORF wurde. Wenn wieder einmal was passiert (ist) im politischen Bereich, muss Filzmaier ran. Das kann eine bei Ibiza gekenterte Regierung sein oder eine Wahl. Bund, Länder, Gemeinden, EU oder Präsident: "Filzi" kommt, notfalls als "achte Wahl", weil davor sieben Politiker absagen. Er bringt Ordnung ins Chaos, sortiert die Dinge für das Publikum vor dem Einschlafen und sucht nach Erklärungen selbst für bizarrste Vorfälle. Nicht immer wird er fündig. Aber danke, Herr Professor, für Ihren Besuch im Studio.

    Für seinen Status als "primus inter pares" der Politikversteher muss er sich selbst zwar in den Stand-by-Modus begeben, um dem ORF in Bild und Ton exklusiv und auch kurzfristig zur Verfügung zu stehen, aber das Pauschalhonorar dafür dürfte das entsprechend aufwiegen. Wie viel bekommt er? Betriebsgeheimnis. Der Kooperationsvertrag verbietet ihm zudem jegliche Tätigkeit – "vom Vortrag bis Studien" – für Parteien bis zur EU-Ebene. Macht nichts, der "Markt" für politikwissenschaftliche Expertise ist groß.

  • Der Unternehmer: Peter Filzmaier ist auch erfolgreicher Unternehmer. Vor 15 Jahren gründete der Sohn einer ehemaligen Bank-Austria-Managerin, die ihn lieber als Betriebswirt gesehen hätte, das Institut für Strategieanalysen (ISA). Sein Produkt sind Studien zu Themen, "die potenziell jeden betreffen", sagt er. Das können Wohnvorstellungen älterer Menschen für einen Immobilienentwickler sein, Mobilitätsfragen für die Westbahn, ein Sicherheitsradar für eine Versicherung oder früher ein Gesundheitsbarometer für das Gesundheitsministerium. Projektabhängig arbeiten am ISA bis zu zehn Personen: "Maximal, das ist die magische Grenze, ab dann ist es ein anderer Typus von Unternehmen", sagt er.

    Das Modell funktioniert, die Geschäfte laufen prächtig. "Wir hatten nur gute und sehr gute Jahre", erzählt Filzmaier. Das heißt? Dass die Frage lautet, ob der Umsatz sechs- oder siebenstellig ist. Jedenfalls schreibt die Dachgesellschaft über seinen Unternehmen jedes Jahr klar sechsstellige Gewinne. Die werden auch in Spanien mit der Firma BrainRun S. L. erwirtschaftet. Eine unternehmerische Expansion dorthin erlaubt nicht nur Seminare unter mallorquinischer Sonne in der Filzmaier’schen Finca, sondern bietet dem Vielarbeiter auch einen Ort für privaten Rückzug – und falls wieder was passieren sollte, ist die Balearen-Insel nicht aus der Welt.

  • Der Privatmensch: Apropos: Wie ist Peter Filzmaier eigentlich privat? Streng genommen genügt dafür ein Wort: privat. Sein Privatleben ist für die Öffentlichkeit eine absolute No-go-Area. Diese Grenze lässt sich vielleicht so beschreiben: Bei seinem letzten Auftritt in Willkommen Österreich trug er eine für den öffentlich-rechtlichen Erklärbären in Sachen Politik vielleicht etwas exzentrische "Winnie Puuh"-Krawatte und verriet, dass er damit einen Kindheitstraum seiner inzwischen 21-jährigen Tochter erfülle. Das bärige Accessoire hatte er an ihrem ersten Schultag getragen, und sie wollte immer, dass er sie einmal auch im Fernsehen anzieht. Papa, der Medienprofi, wusste natürlich: "Ein bisschen schwierig in der ZiB2." Aber auch: ein sicherer Gag bei Grissemann und Stermann. Näher herankommen lässt er das Publikum nicht. (Lisa Nimmervoll, 23.4.2023)