Hohe Zinsen und hohe Baupreise treiben die Kosten und setzen dem Wohnungsbau zu.

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Wien – Der starke Euro und Rezessionsängste trüben die Aussichten für die österreichische Exportindustrie. So schlecht wie vor ein paar Monaten im Lichte von Ukrainekrieg und Energiekrise vorausgesagt war die Konjunkturentwicklung allerdings bei weitem nicht. Und die Entwicklung wird in den kommenden sechs Monaten auch nicht so schwarz gesehen. "Stagnative Entwicklung" nannte dies der Chefökonom der Industriellenvereinigung (IV), Christian Helmenstein, am Dienstag bei Vorlage des jüngsten IV-Konjunkturbarometers.

"Die erhoffte Frühjahrserholung wird ausbleiben, es wird auch keinen breiten Aufschwung geben", sagte Helmenstein mit Verweis auf die "milde Rezession", mit der die US-Notenbank Fed rechnet. Die Auftragsbestände in der produzierenden Industrie seien auf relativ hohem Niveau mehr oder weniger eingefroren, und die Auftragseingänge zeigten zwar wieder nach oben. Insgesamt bewege man sich aber nach wie vor im negativen Terrain, schilderte IV-General Christoph Neumayer – weit entfernt von einem "auftragsaffinen Niveau". Schützenhilfe aus dem Ausland sei nicht zu erwarten, denn die Auftragseingänge aus dem Ausland seien rückläufig. So gesehen könnte die sich andeutende Stabilisierung der Auftragsbestände trügerisch sein, warnt der IV-Ökonom.

Schwacher Dollar

Hier kommt der erstarkte Euro ins Spiel. Denn die rasche Aufwertung der Einheitswährung gegenüber dem US-Dollar um zwölf Prozent binnen sechs Monaten werde die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie außerhalb des EU-Binnenmarkts zusätzlich beeinträchtigen, sagt Helmenstein. Exporte in Drittländer werden somit teurer.

Mit beträchtlichen Herausforderungen sehen sich angesichts der hohen Energiepreise die Papierindustrie und der Hochbau konfrontiert, im Speziellen der Wohnungsbau. Die Papierproduktion ging laut Berechnungen des Industriewissenschaftlichen Instituts um 8,5 Prozent zurück, dem Wohnbau machen steigende Zinsen und strengere Eigenmittelvorschriften der Banken bei der Kreditvergabe sowie steigende Baukosten zu schaffen. Wie so oft ist es auch hier ein Bündel von Maßnahmen, das "simultan negativ" wirkt, sagt Helmenstein.

Energie und digital

Besser geht es Branchen mit Bezug zu Energiewende und Digitalisierung, also Energieausrüstern sowie IT- und Kommunikationstechnologie. Sie profitieren von der expansiven Dynamik. Nach mehrjähriger Durststrecke schwenkten zuletzt die Automobilzulieferer wieder auf Wachstumskurs ein – sehr zum Wohle der heimischen Autozulieferbetriebe.

Die Erzeugerpreise sinken seit geraumer Zeit, die Großhandelspreise auch. In den Haushaltsbudgets kommt das kaum an, vor allem nicht bei den Energiepreisen.
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Ein gewisser "disinflatorischer Beitrag" sollte von der Front der Erzeugerpreise kommen, erwartet der Industrieökonom, denn auf der Ebene der Erzeugerpreise sei der obere Wendepunkt der Preisauftriebsdynamik bereits vor geraumer Zeit durchschritten worden. Davon sollte eine erhebliche inflationsmindernde Wirkung ausgehen.

Auf der Bremse bei Investitionen

Auf der Ertragsseite ist von Aufwind keine Spur, die Ertragslage verharrt laut der IV-Umfrage konstant auf der Nulllinie. Dabei zehrten die Industrieunternehmen von besseren Zeiten, als es noch Covid-Hilfen gab, bei denen insbesondere die Kurzarbeitshilfen wirkten. Wachstum? Fehlanzeige, sagt Helmenstein. Von einem investitions- und ertragsorientierten Aufschwung könne man derzeit nur träumen. Entsprechend verhalten ist die Investitionsneigung, im Schnitt planten die befragten Unternehmen keine nennenswerten Expansionsschritte.

Hohe Fluktuation

Was die Jobs betrifft, hellt sich die Stimmung leicht auf. Mehr als ein Vierteil der Befragten beabsichtigt, den Beschäftigtenstand binnen drei Monaten auszuweiten. Allerdings sagen gleichzeitig 18 Prozent der 417 befragten Unternehmen (mit 335.000 Beschäftigten), Arbeitsplätze abbauen zu müssen. Das verstärkt die Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt, wobei die Aussicht, einen neuen Job zu finden, steige, sagt Helmenstein, weil das Matching zwischen Angebot und Nachfrage verstärkt wird.

Freihandel hilft

IV-General Neumayer nutzte die Gelegenheit, um für das Mercosur-Abkommen mit südamerikanischen Staaten zu werben: "Wir haben vielleicht den naiven Glauben, dass sich die sachliche Diskussion durchsetzt." Die brauche es dringend, appelliert er an die Regierung, die unter anderem zum Schutz der Landwirtschaft auf der Bremse stehe. In Deutschland befänden der grüne Wirtschafts- und der grüne Landwirtschaftsminister Mercosur für gut, "vielleicht wirkt das doch noch nach Österreich herein".

Freihandelsabkommen hätten immer starke positive Effekte für Österreichs Industrie entwickelt. Ceta etwa habe die Exporte nach Kanada geradezu beflügelt (plus 600 Prozent)– sogar während der Corona- und der anschließenden Lieferkettenkrise, als Europa- und Fernexporte zeitweise lahmgelegt waren. Der Handel mit Chile sei seit 1995 gar um tausend Prozent gestiegen, mit Ägypten seien es immerhin 200 Prozent gewesen.

"Nichts Gutes" aus Deutschland

Sorgen macht Wifo-Chef Gabriel Felbermayr die Industrie in Deutschland. Diese befinde sich seit Herbst 2017 im Abwärtstrend, der Industriestandort schwächle unter anderem, weil weniger investiert werde. 6,5 Prozent des BIP würden investiert, in Österreich seien es 7,5 Prozent. Für die stark mit Deutschland verflochtene österreichische Industrie bedeute das langfristig "nichts Gutes", sagte Felbermayr bei einer Pressekonferenz der Deutschen Handelskammer (DHK) in Österreich. An sich hätten aber beide Märkte die Herausforderungen von Corona- bis Energiekrise und Teuerung verhältnismäßig gut bewältigt, betonten der Wifo-Chef und DHK-Präsident Hans Dieter Pötsch. Ein Grund sei, dass es kaum ein Länderpaar in der EU verstehe, die Vorteile des Binnenmarkts so gut zu nutzen wie Österreich und Deutschland.

Wichtiger Exportmarkt

Österreichs Exporte nach Deutschland beliefen sich im Boomjahr 2022 auf 57,7 Milliarden Euro, das war ein Plus um 21,5 Prozent im Vergleich zum Jahr davor, was sich nur zum Teil aus den Preissteigerungen erklärt. So stieg der deutsche Export weltweit um 14,1 Prozent, jener nach China aber etwa nur um drei Prozent. Österreich ist damit das zehntwichtigste Importland Deutschlands. Die deutschen Exporte nach Österreich stiegen um 22,7 Prozent auf 88,8 Milliarden Euro und lagen damit so hoch wie nie zuvor. Österreich stieg damit im Ranking der wichtigsten deutschen Exportmärkte vom zehnten auf den sechsten Platz auf. 2023 erwarten die Länder im bilateralen Handel ein Wachstum von zehn Prozent.

Dank für Hilfe bei E-Fuels

Beide betonen, wie wichtig die Kooperation der beiden Länder sei, insbesondere bei der grünen Transformation. Pötsch bedankte sich artig für die österreichische Unterstützung auf EU-Ebene in Sachen E-Fuels und konzediert, dass Österreich zu den innovativsten Volkswirtschaften gehöre. Auch die von Deutschlands Autobauern abhängige Zulieferbranche sei "dabei, sich auf den Wandel vorzubereiten. Ich sehe eine gute Zukunftsfähigkeit."

Was die deutlichen Preisunterschiede bei Strom betrifft, müssten Österreich und Deutschland noch enger zusammenarbeiten, betonte der Wifo-Chef. Er plädiert für mehr Investitionen in grenzüberschreitende Infrastruktur. Dass Strom in Österreich um bis zu 25 Prozent teurer sei als beim nördlichen Nachbarn, dürfe es in einem Binnenmarkt nicht geben. Da die Preisdynamik hierzulande höher sei, bedürfe es verstärkter Anstrengungen, um die Inflation herunterzukriegen. (Regina Bruckner, Luise Ungerboeck, 25.4.2023)