Der großvolumige Wohnbau schrumpfte nach dem Höhenflug der letzten Jahre wieder auf die Hälfte aller Baubewilligungen.

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Die Wohnungsproduktion in Österreich wird heuer noch einen Rekordwert erreichen, danach dürfte es aber rasant nach unten gehen. Darauf ließen schon jüngst einige Meldungen, wie etwa von den Gemeinnützigen, schließen – und nun liefert auch der Fachverband der Immobilientreuhänder in der Wirtschaftskammer (WKÖ) gemeinsam mit dem Unternehmen Exploreal Daten dazu. Exploreal analysiert das Wohnbaugeschehen in Österreich seit einigen Jahren und "scannt" dafür das ganze Land nach Projekten von Bauträgern mit fünf oder mehr Wohneinheiten.

Absturz nach Rekordjahr

Und diese Daten stellen sich folgendermaßen dar: Mit rund 47.700 Wohneinheiten ist für das heurige Jahr noch ein Rekord zu erwarten, denn auch das Jahr 2022, in dem Bauträger – gemeinnützige wie gewerbliche – im ganzen Bundesgebiet knapp 46.000 Wohneinheiten fertigstellten, dürfte übertroffen werden. Ab 2024 wird es aber bergab gehen, ab 2025 steil bergab – obwohl diese Prognosen natürlich noch von Unsicherheit behaftet sind. Denn es könnten sich beispielsweise manche für heuer geplanten Wohneinheiten auf 2024 verschieben, sagt Alexander Bosak von Exploreal. Und schon 2022 hatten sich übrigens rund 4.500 Einheiten auf heuer verschoben, das ist ein Mitgrund dafür, dass heuer ein Rekord erwartet wird.

Für 2024 sind derzeit knapp 36.000 Wohneinheiten in der Pipeline, für 2025 erst 13.000 – für Branchenvertreter ein Alarmsignal: "Der Markt wird einbrechen, wenn nicht gegengesteuert wird", sagt Bosak. Denn die Haushaltsentwicklung hat zuletzt wieder einen Sprung auf annähernd 50.000 neue Haushalte pro Jahr gemacht, womit 2022 die Zahl der neuen Wohneinheiten übertroffen wurde. Nicht eingerechnet sind in diese Zahl natürlich die Einfamilienhäuser, die jedes Jahr gebaut werden, zuletzt immer mehr als 15.000 pro Jahr. Doch durch die äußeren Umstände – hohe Grundstücks- und Baukosten, hohe Zinsen, strenge Kreditvergabe – wird bei den Einfamilienhäusern ebenfalls ein starker Einbruch erwartet.

Lange Verfahren

Und genau diese Gemengelage sorgt eben auch im mehrgeschoßigen Wohnbau für Disruption, wie das neuerdings heißt. In Wien komme noch dazu, dass Bauverfahren lang dauern, "die Planung von Projekten ist extrem ins Stocken geraten", sagt der Obmann der Wiener Fachgruppe der Immobilientreuhänder, Michael Pisecky. Zudem gebe es gerade einen großen Anstieg der Nachfrage nach Mietwohnungen, weshalb der Verkauf von Eigentumswohnungen langsamer läuft, "und das verlangsamt wiederum Projekte". Einige wurden bereits verschoben oder vorläufig auf Eis gelegt.

Die langen Verfahren in Wien rühren aus Pisecky Sicht daher, dass sie unnötig bürokratisch aufgebaut sind ("Man muss schon bei der Einreichung viele Unterlagen bringen, die man eigentlich erst bei der Fertigstellung braucht"), aber auch daher, dass die Baubehörde nach der Pandemie "personell ausgedünnt" sei.

Weniger Baubewilligungen

Dabei sollten die Baubehörden eigentlich wieder weniger zu tun haben als in den vergangenen Jahren: Laut Statistik Austria wurden 2022 in Österreich 58.900 Wohnungen baubewilligt, das war die drittniedrigste Zahl seit 2010. Gegenüber den Spitzenwerten der Jahre 2017 (86.300) und 2019 (84.800) waren Rückgänge von 32 bzw. 31 Prozent festzustellen.

Der großvolumige Wohnbau schrumpfte nach dem Höhenflug der letzten Jahre wieder auf die Hälfte aller Baubewilligungen. Der Anteil der Einheiten in neuen Ein- und Zweifamilienwohnhäusern betrug 29 Prozent, der Rest entstand durch An-, Auf- und Umbautätigkeit in bereits bestehenden Gebäuden.

Wien meldet weiterhin keine An-, Auf-, Umbauten

Allerdings: Quasi traditionellerweise sind in den Zahlen zu An-, Auf- und Umbauten keine Wiener Zahlen enthalten, denn die Stadt Wien schafft es seit vielen Jahren nicht, diese zu melden. Das hätte eigentlich ab heuer besser werden sollen, doch das wird es nicht, wie DER STANDARD erfuhr: Laut Auskunft der Statistik wird nun "erst Ende des Jahres stufenweise damit begonnen" werden, diese Daten zu melden, "vorbehaltlich der zur Verfügung stehenden Ressourcen".

Keine laufenden Flächenwidmungsverfahren

Und noch etwas anderes fällt beim aktuellen Wiener Wohnbaugeschehen ins Auge: Derzeit ist kein einziges Flächenwidmungsverfahren in der öffentlichen Auflage, in keinem der 23 Wiener Bezirke. Das ist doch recht ungewöhnlich, wie es von Bauträgern und Entwicklern gegenüber dem STANDARD heißt. "Das kommt zwar durchaus immer wieder vor, aber eher im Sommer", sagt dazu ÖVI-Bauträgersprecher Klaus Wolfinger.

Andreas Baur, Sprecher der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ), teilt mit, dass öffentliche Auflagen von Plandokumenten in der Regel sechs Wochen dauern würden. "Daher kommt es immer wieder vor, dass es kurze Phasen gibt, in denen keine Plandokumente öffentlich aufgelegt sind." Mit Mai sollten aber weitere starten, und für riesige Gebiete wie Rothneusiedl, Am Heidjöchl oder die Erzherzog-Karl-Straße Süd würden eben größere Prozesse laufen.

Und dennoch: Heuer waren erst sieben öffentliche Auflagen zu verzeichnen, berichtet Wolfinger, "darunter mehrheitlich kleine Adaptierungen". Alles in allem würden "die sich laufend komplizierter gestaltenden Abläufe" dazu beitragen, "dass tatsächlich eher wenig vorankommt", so die Einschätzung des Bauträgersprechers des Österreichischen Verbands der Immobilienwirtschaft. (Martin Putschögl, 25.4.2023)