Karmasin sagte teils mit brüchiger Stimme aus. Die WKStA porträtierte sie hingegen als gierig. Sie habe mit "maximalem Vorsatz" gehandelt.

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Einen großen Fehler habe sie begangen, sagte Ex-Ministerin Sophie Karmasin vor Gericht: den Wechsel in die Politik. Wäre sie nicht für die ÖVP Familien- und Jugendministerin geworden, hätte sie nicht ihr Familienunternehmen verkaufen müssen. Und sie hätte sich sinngemäß einige weitere Fehler erspart, wie Karmasin ausführte. Sie habe sich einspannen lassen, sie habe Dinge "auf die leichte Schulter" genommen, räumte die einstige Meinungsforscherin ein und eine "völlig unnötige Aktion geliefert". Das tue ihr leid.

VIDEO: Am Dienstag hat am Wiener Landesgericht der Prozess gegen Ex-Familienministerin Sophie Karmasin begonnen.
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Es sind zwei Versionen von Sophie Karmasin, die das Gericht am Dienstag präsentiert bekam. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein.

Für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist Karmasin gierig. "Immer mehr, nie genug, und zahlen sollen die anderen": Das sei Karmasins Motto gewesen, meinte Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic in seinem Plädoyer.

Die Ex-Ministerin habe mit "maximalem Vorsatz" gehandelt, als sie nach ihrem Ausscheiden aus der Politik rund 78.000 Euro Gehaltsfortzahlung bekam, obwohl sie bereits wieder beruflich tätig gewesen sei. Selbst ein Vortragshonorar sei neben der Gehaltsfortzahlung nicht erlaubt, informierte sie ein Mitarbeiter des Kanzleramts.

"Ich darf nichts verdienen"

Missverstehen habe Karmasin daran nichts können, dem zuwidergehandelt habe sie trotzdem. "Bitte aber noch nichts verrechnen, erst im Juni, ich darf nichts verdienen", zitiert der Staatsanwalt aus einer E-Mail Karmasins an ihre damalige Geschäftspartnerin Sabine Beinschab.

Die Gehaltsfortzahlung habe sie später zwar zurückgezahlt, allerdings war da schon ermittelt worden, und es habe schon Medienanfragen dazu gegeben, erläuterte der Staatsanwalt, der deshalb eine "tätige Reue" ausschloss.

Ganz anders sieht das Karmasins Anwalt Norbert Wess. Wegen der Gehaltsfortzahlung sei noch nicht ermittelt worden, als Karmasin das Geld zurücküberwiesen habe. Aus seiner Sicht ist lediglich ein Honorar über 800 Euro rechtlich kritisch zu sehen.

Die Ex-Ministerin sagte selbst dazu, sie habe die Entgeltfortzahlung "auf die leichte Schulter" genommen. Sie habe nicht gedacht, dass die Anbahnung von Tätigkeiten die Gehaltsfortzahlung ausschließe. Das sei ein Fehler gewesen, der ihr leid tue.

Ein ähnliches Muster zeigte sich bei dem zweiten Anklagepunkt rund um Absprachen bei Angeboten für Aufträge aus dem Sportministerium. Der Oberstaatsanwalt sprach von einer "Farce" und von Scheinangeboten, die Beinschab und eine weitere Meinungsforscherin als "Vergleichsmarionetten" von Karmasin gelegt hätten. Als "Karmasin-Kartell" bezeichnete er das; ein mittlerweile freigestellter Abteilungsleiter aus dem Sportministerium habe darüber Bescheid gewusst – er ist mitangeklagt und bestreitet einen Vorsatz.

"Unbedacht und unnötig"

Karmasins Anwalt Wess versuchte daraufhin, die rechtliche Einschätzung der WKStA zu zerlegen. Die Staatsanwälte seien "falsch abgebogen", die Einordnung sei "eklatant falsch". Sinngemäß argumentierte Wess, dass das Sportministerium gar nicht drei Angebote gebraucht hätte, um Karmasin den Auftrag zu erteilen. "Seids mir nicht bös, aber das geht sich hinten und vorne nicht aus", sagte er in Richtung WKStA. Auch die Interne Revision des Sportministeriums habe nichts strafrechtlich Relevantes festgestellt. Es könne keine wettbewerbsbeschränkenden Absprachen geben, wenn es keinen Wettbewerb gibt, so Wess: Und den gab es eben nicht, weil das Ministerium "nur Karmasin" wollte.

Karmasin selbst räumte auch da Fehler ein, manches sei "unbedacht und unnötig" gewesen. "Ich habe niemanden geschädigt oder getäuscht", sagte die Ex-Ministerin mit brüchiger Stimme. Fragen der WKStA wollte sie wegen erlittener "Traumata" nicht beantworten.

Sie hat juristisch schon einiges hinter sich: Mehr als 25 Tage verbrachte sie in Untersuchungshaft. Da soll ihr von der WKStA geraten worden sein, den Anwalt zu wechseln, behauptete Wess. Er fordert einen Freispruch für Karmasin, die auch in der "großen" Inseratenaffäre beschuldigt wird. Da wird es bis zu einem etwaigen Prozess freilich noch dauern. Die Ermittlungen rund um Scheinrechnungen von Karmasins Ex-Mitarbeiterin ans Finanzministerium und einen Deal Inserate gegen gute Berichterstattung für Sebastian Kurz (ÖVP) werden noch lange dauern. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Beamter: Sektionschef habe Karmasin vorgestellt

Am Dienstagnachmittag wurde dann auch noch der zweite Angeklagte, der Abteilungsleiter aus dem Sportministerium, befragt. Er erklärte, dass sein Sektionschef für Beauftragungen zuständig gewesen sei und ihm auch Karmasin vorgestellt habe. Deren Konzept habe "Gefallen gefunden", man habe eine Direktvergabe machen wollen. Das sei aber nicht gegangen; gleichzeitig wären Vergleichsangebote schwierig gewesen, da Karmasin ja das Urheberrecht an ihrer Expertise gehabt habe und man das nicht weiterleiten konnte. Deshalb habe er die Ex-Ministerin gefragt, ob sie nicht andere vertrauenswürdige Institute kenne, die Angebote legen könnten.

Zunächst wird am Donnerstag weiterverhandelt, aussagen soll unter anderem Sabine Beinschab. Deren Aussagen wurden von Karmasin am Dienstag bestritten. Sie habe Beinschab Arbeit abgenommen und von ihr für deren Aufträge aus dem Finanzministerium Provision verlangt, weil sie den Kontakt zu Schmid hergestellt habe. Sie habe über das Unternehmen ihres Mannes abgerechnet, "weil kein anderes Unternehmen da war". Zu der Frage, ob sie als Ministerin etwas dazuverdienen dürfe, habe sie sich nicht erkundigt.

Ein Urteil ist frühestens am 9. Mai zu erwarten. (Fabian Schmid, Renate Graber, 25.4.2023)