Rechtsanwalt Oliver Peschel erklärt im Gastblog, wieso "Sofortentschädigungen", bei denen Spielende nur einen Bruchteil des Verlusts zurückbekommen, eine moralisch und rechtlich bedenkliche Angelegenheit sind.

Viele Österreicher und Österreicherinnen erleiden Spielverluste bei illegalen Online-Casinos. Besonders während der Corona-Pandemie fingen viele Menschen in Österreich zum Zocken und "Gambeln" an – mit teils gravierenden Auswirkungen auf ihr Privatleben: Persönliche Beziehungen litten unter dem Spielen, und Schulden wurden angehäuft. "Gewinner" bei Online-Casinos gibt es wenige. Das Spiel im Online-Casino birgt einen immens hohen Suchtfaktor, der von vielen Menschen unterschätzt wird – sie erkennen erst, dass sie ein Problem haben, wenn schon ein Großteil ihres Vermögens verspielt wurde.

Rechtlich ist es möglich, Spielverluste bei illegalen Online-Casinos zurückzufordern. Dies wird auch durch zahlreiche aktuelle Urteile bestätigt: So urteilte der Oberste Gerichtshof erst vor kurzem, dass auch Online-Poker Verluste direkt vom Casinobetreiber zurückgefordert werden können.

Verluste beim Online-Poker können zurückgefordert werden. Dies ist auch manchen Unternehmen nicht entgangen, die daraus Profit generieren möchten.
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Diese Klagen werden aufgrund der finanziellen Probleme der Spielenden und der hohen Prozesskosten oft über Prozesskostenfinanzierer finanziert. Die meisten in diesem Gebiet agierenden Anwaltskanzleien arbeiten mit solchen Prozesskostenfinanzierern zusammen. Diese verlangen eine gewisse Beteiligung am Erfolg – und auch nur im Erfolgsfall. Geld erhalten die Spielenden in diesem Fall somit erst, wenn Geld tatsächlich erfolgreich zurückgeholt werden konnte, was oft längere Zeit in Anspruch nimmt.

Es scheint, als wäre diese Beteiligung einigen Unternehmen nicht hoch genug und so kamen manche auf die Idee, Spielenden eine sofortige Abschlagszahlung für ihre Forderungen gegen die Online-Casinobetreiber anzubieten.

Angebotene "Sofortentschädigungen"

Manche Unternehmen bieten sogenannte "Sofortentschädigungen" oder "Sofort-Erstattungen" an. Wie funktioniert das?

Diese Unternehmen lassen sich die Ansprüche, also die Verluste von Spielern im Online-Casino, abtreten und klagen diese Ansprüche dann selbst im eigenen Namen ein. Für diese Ansprüche werden teilweise nur 15, 10 oder gar nur 5 Prozent "Sofortentschädigung" angeboten. Der Spieler oder die Spielerin erhält zum zweifelhaften Vorteil der raschen Bezahlung nur einen Bruchteil der erlittenen Verluste zurück.

Diese Unternehmen wissen natürlich genau, bei welchen Casinos man am ehesten mit einer Zahlung rechnen kann und nutzen dieses Wissen, um mit den Abtretungen selbst hohe Gewinne einzustreifen. Dieses Vorgehen ist moralisch mehr als bedenklich, werden damit Spieler und Spielerinnen gleich ein zweites Mal zur Kasse gebeten – zuerst vom illegalen Online-Casino ohne Lizenz in Österreich, danach von einem Unternehmen, das diese Verluste billig abkauft, um damit selbst ein gutes Geschäft zu machen. Doch sind diese Abtretungsverträge rechtlich wirksam?

Die Abtretungen aus rechtlicher Sicht

Wenn man die Geldnot von Spielenden ausnutzt, macht man sich womöglich des Wuchers schuldig. Laut Wuchergesetz sind Verträge nichtig, wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage oder Unerfahrenheit eines anderen ausbeutet. §1 des Wuchergesetzes lautet wie folgt:

§ 1. Ein Vertrag ist nichtig, wenn jemand den Leichtsinn, die Zwangslage, Verstandesschwäche, Unerfahrenheit oder Gemütsaufregung eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine Leistung eine Gegenleistung versprechen oder gewähren lässt, deren Vermögenswert zu dem Werte seiner Leistung in auffallendem Missverhältnis steht.

Man wird wohl bejahen können, dass bei Ausnutzen der finanziellen Not einer Person eine "Zwangslage" vorliegt. Bei Konsumenten und Konsumentinnen liegt es auf der Hand, dass auch die Unerfahrenheit im Rahmen von Glücksspielverfahren ausgenutzt werden könnte.

Das Missverhältnis der Leistung ist offensichtlich – für eine Forderung von 100 Prozent erhält man zum Beispiel nur 5 Prozent. Die Voraussetzungen des Wuchers könnten damit erfüllt sein. Verträge, die den Tatbestand des Wuchers erfüllen, sind gemäß § 879 ABGB sittenwidrig und nichtig.

Zusätzlich denkbar ist eine Anfechtung wegen Irrtum, da Personen womöglich nicht oder falsch darüber informiert wurden, mit welchen Erfolgsaussichten sie einen Prozess gegen ein Online-Casino selbst oder mithilfe eines (normalen) Prozessfinanzierungsvertrags führen können.

Rechtlich und moralisch bedenklich

Rechtlich gesehen sind diese Verträge in vielen Fällen anfechtbar. Es mag Fälle geben, wo "Sofortentschädigungen" wirtschaftlich angemessen und rechtlich wirksam sein können. Wird jedoch eine finanzielle Zwangslage von Personen oder auch die Unerfahrenheit in rechtlichen Belangen ausgenutzt, um die Person mit einer geringen Sofortzahlung abzuspeisen, so ist dieses Vorgehen neben moralischen Bedenken auch rechtlich zweifelhaft. (Oliver Peschel, 28.4.2023)