Landeshymnen müssen nicht immer mit der Blasmusik daherkommen.

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Aktuell ist wieder einmal eine Debatte über die problematischen Texte beziehungsweise die politische Gesinnung diverser Dichter von österreichischen Landeshymnen aufgekommen. Die IG Autoren Autorinnen forderte gerade Umdichtungen problematischer Stellen in den Liedtexten beziehungsweise komplette Neubearbeitungen der Landeshymnen von Niederösterreich, Oberösterreich, Kärnten, Salzburg oder Tirol.

Die Vorwürfe bezüglich der radikalen antisemitischen oder deutschnationalen Gesinnungen diverser Autoren sind nicht neu. Der antisemitische oberösterreichische Heimatdichter Franz Stelzhamer und der Text der Landeshymne Hoamatgsang aus dem 19. Jahrhundert standen die Jahre zuvor schon mehrfach in der Kritik, unter anderem auch wegen der absolutistischen Untertanenmentalität in den Zeilen, die davon künden, dass man sein Oberösterreich liebe "wiar a Hünderl sein Herrn". In Kärnten schreibt man noch immer "mit Blut" die Landesgrenzen. Das Andreas-Hofer-Lied in Tirol und auch die Salzburger Hymne schielen hinüber in die deutsche "Volksgemeinschaft".

Pop gegen Chauvinismus

Speziell das rechte Lager verwahrt sich gegen etwaige Modifikationen und bettet problematische Inhalte lieber "historisch" ein. Die bekannten Heimatgesänge würden schließlich auch vom Schulkindalter an Identifikation mit dem Vaterland und der Mutterscholle sowie ein heimeliges Zusammengehörigkeitsgefühl schaffen.

Vielleicht auch aus diesem Grund sind in Österreich herauf von der Nachkriegszeit immer wieder Lieder von weniger über den Trachtenverein und die Blasmusik, sondern popkulturell und international initiierten Künstlerinnen aufgetaucht. Bei aller Liebe zu Land und Leuten geht man da kritisch mit Patriotismus, Chauvinismus und deren Folgen um. Ein kurzer Rundgang durch die heimische Popmusik der letzten Jahrzehnte weist durchaus auch Alternativen zu den gängigen Landeshymnen auf.

Michael Köhlmeier - Topic

Reinhold Bilgeri und Michael Köhlmeier war mit ihrem Lied Oho Vorarlberg von 1975 der bis heute größte Erfolg beschieden. Obwohl sie sich im Lied über das Kleinkarierte ihrer Landsleute lustig machen, ist die bis heute hunderttausendfach verkaufte Satire weitaus bekannter als die offizielle Landeshymne 's Ländle, meine Heimat.

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Etwas härter mit dem Kleinkariertentum gehen die oberösterreichischen Volksmusikpunks Attwenger 2002 mit dem Land in Kaklakariada um. Speziell der Rassismus und die Borniertheit werden frontal wie hochaktuell attackiert.

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In Kärnten betonte der schlageraffine Fuzzman, über die engen Landesgrenzen hinaus, 2012 seine Abgrenzung gegenüber dem "braunen Sumpf" im Song Haltet Abstand / Hände weg von allem.

Gert Steinbäcker - Topic

Jetzt einmal abgesehen von Steirermen Are Very Good von Die Stoakogler oder dem Klassiker Fürstenfeld: Gert Steinbäcker von STS bemühte sich 1994 in seinem Lied Steiermark um eine ausgewogene Heimatliebe. Auf den Spuren von Rainhard Fendrichs I Am From Austria ging es neben einem guten steirischen Gefühl auch um den "dummen Stolz" einiger Landsleute und den "Nazimief", der eben auch angesprochen gehört, wenn ein Lied nicht in billigem und hohlem Pathos ersaufen soll.

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Ob in den braunen Liederbüchern, die man in Niederösterreich offenbar noch immer aufschlägt, auch Rainhard Fendrichs blauäugige Ode an Niederösterreich zu finden ist? Eher nicht. Vielleicht hat er sich 2008 mit dieser kitschigen Hymne auch nur um einen günstigen Baugrund im Speckgürtel Wiens bemüht: "Kaum a Land is so gesegnet wia dei Niederösterreich!"

Heimatvolk und Marijana

Rainhard Fendrich fragt jetzt gerade auf Youtube, ob man Wien schon bei Nacht gesehen habe. Und man stellt fest, dass zwar das Burgenland mit seinen kräftig in die Bundeshauptstadt einpendelnden Bewohnern mit dem problematischen Ständestaatlied Mein Heimatvolk, mein Heimatland sowohl eine offizielle als mit dem kroatischen Volkslied Marijana auch eine eindeutig herzlichere, weltoffenere Alternative zu bieten hat.

André Heller - Topic

Wien selbst als eine der meistbesungenen Städte der Welt hat keine offizielle Landeshymne zu bieten. Inoffiziell hat man die Qual der Wahl. Da kommen je nach Gusto "die Engerl auf Urlaub nach Wien" oder liegt der Hofa von Wolfgang Ambros als Leiche im Rinnstein, bevor er auf dem Zentralfriedhof Party macht. Wean du bist a Taschenfeitl von André Heller und Helmut Qualtinger von 1972 bietet sich ebenfalls als Hymne an: "Wean, du bis a Taschenfeitl / Unter an Himmel aus Schädelweh / A zehnmal kochtes Burenhäudl / Auf des i ned haas bin und trotzdem steh!"

hamrecords

Aber eigentlich fing Kurt Sowinetz im selben Jahr die Grundstimmung der Stadt mit Alle Menschen san ma zwider in einer Umdichtung von Beethovens Europahymne am gültigsten ein. (Christian Schachinger, 27.4.2023)