Zwischen Niederösterreich und den Kunstschaffenden hängt der Haussegen seit der umstrittenen ÖVP-FPÖ-Koalition im Land schief.

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Ein aus zahlreichen namhaften Autoren bestehendes Personenkomitee hat am Donnerstag die Neuausschreibung der niederösterreichischen Landeshymne gefordert. Verfasser Franz Karl Ginzkey wurde in einer Aussendung als nationalsozialistisch vorbelastet erachtet. Die Beteiligung mit Vorschlägen für eine neue Hymne sollte "allen ermöglicht werden", wurde betont. Seitens des Landes wurde in einer Reaktion eine wissenschaftliche Aufarbeitung angekündigt.

Niederösterreich habe mit Ginzkey als einziges Bundesland "einen nationalsozialistisch vorbelasteten Dichter als Verfasser seiner seit den späten 1940er-Jahren inoffiziellen und ab den 1960er-Jahren offiziellen Landeshymne", hieß es in der Aussendung. Ginzkey habe sich u.a. im Bekenntnisbuch österreichischer Dichter 1938 für den Anschluss Österreichs an Nazideutschland ausgesprochen, 1941 die NSDAP-Mitgliedschaft beantragt und diese ein Jahr später nach einer Befürwortung Adolf Hitlers erhalten. Hinweise auf Ginzkeys grundlegend geänderte Haltung und vollkommen andere Gesinnung nach 1945 gebe es nicht, so das Komitee.

"Nicht länger vertretbar"

"Wir halten es als Vertreter und Vertreterinnen der Kunst, Kultur und Wissenschaft des heutigen Österreich für nicht länger vertretbar, dass die Hymne Ginzkeys bei Kunst-, Kultur- und Wissenschaftspreisverleihungen gesungen wird, wir halten es für nicht mehr vertretbar, dass sich Menschen zu den Worten eines Autors mit dieser Vorgeschichte von ihren Sitzen erheben, um dessen Worte mitzusingen", wurde betont. Es sei Zeit, mit einer "neuen Hymne in der Gegenwart eines weltoffenen, demokratischen Niederösterreich anzukommen".

In einem Begleitschreiben richtete sich die Autorengruppe auch direkt an Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Laut Aussendung gehören dem Personenkomitee u.a. Robert Menasse, Doron Rabinovici, Thomas Sautner und Gerhard Ruiss an.

Dr. Ludwig

"Wir nehmen das Schreiben der 29 Künstlerinnen und Künstler zur Person Franz Karl Ginzkey auf und beauftragen das Landesarchiv unter Einbindung einer Historiker-Kommission unter der Leitung von Univ. Prof. Dr. Stefan Karner mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Person Franz Karl Ginzkey", teilte Landesrat Ludwig Schleritzko (ÖVP) am Donnerstagabend in einer schriftlichen Stellungnahme mit.

Kein Anlass für Veränderung

Anlass zu einer Veränderung der Hymne sieht Schleritzko jedoch keinen: "Mit keinem Wort unserer Hymne werden antisemitische oder fremdenfeindliche Andeutungen verbunden – mit dem Text wird einzig und allein die Verbundenheit mit unserer Heimat zum Ausdruck gebracht. Wir sehen daher keinen Anlass diesen Text zu ändern, werden das aber dennoch wissenschaftlich aufarbeiten lassen."

Verwiesen wurde von Schleritzko darauf, dass auf der offiziellen Seite des Landes auf die "problematische Person Ginzkey" bereits hingewiesen werde und u.a. weiterhin ein Platz in Salzburg sowie Straßen in Linz und Graz nach dem Dichter und Schriftsteller benannt seien. Die Vergangenheit Ginzkeys sei in dem Zusammenhang in mehreren wissenschaftlichen Studien beleuchtet worden. "Nichtsdestotrotz sind wir auch in Niederösterreich an einer wissenschaftlichen Aufarbeitung seiner Rolle in der NS-Zeit und seiner Kontextualisierung in der Nachkriegszeit interessiert."

Autor von "Hatschi Bratschis Luftballon"

Neu ist die NS-Belastung Ginzkeys jedenfalls nicht. Die Stadt Wien widmete2015 sein Ehrengrab um. Im Historikerbericht der Stadt Salzburg hinsichtlich belasteter Straßennamen ist Ginzkey in der Kategorie 2 mit Erläuterungstafel zu finden.

Ginzkey wurde u.a. als Mitbegründer der Salzburger Festpiele und Autor des heute umstrittenen Kinderbuchs Hatschi Bratschis Luftballon bekannt. Seine Verherrlichung der NS-Diktatur und deren Angriffskriege ist dokumentiert, nach dem Krieg dichtete Ginzkey den als Heimatlied betitelte Text zu einer Melodie Beethovens. 1965 wurde es per Landtagsbeschluss offizielle Landeshymne.

Hintergrund für den Protest von Kulturschaffenden, der sich nun auch gegen die NS-belastete Hymne richtet, ist offenbar das nach der letzten Landtagswahl geschlossene Arbeitsübereinkommen der ÖVP mit der FPÖ. Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler hatten zuletzt ihrem Unmut darüber Luft gemacht. (APA, red, 21.4.2023)