Die SPÖ unter Klubchefin Pamela Rendi-Wagner hat am Donnerstag den "Notstand in Spitälern" auf die Tagesordnung gesetzt.

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Die zunehmenden Versorgungsprobleme und Personalengpässe im österreichischen Gesundheitssystem sind nicht mehr zu übersehen: Alarmierende Berichte über fehlende Pflegekräfte in den Spitälern und unbesetzte kassenärztliche Stellen häufen sich. Am Donnerstag wurde das aktuelle Thema auf Verlangen der SPÖ auch im Nationalrat heftig diskutiert.

Pflege als Schwerarbeit, mehr Studienplätze

SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner, einst selbst rote Gesundheitsministerin, sparte bei ihrer Rede nicht mit dramatischen Worten: "Die Lage ist mehr als ernst." Sie vernehme "erschreckende Hilferufe" von Ärztinnen und Ärzten sowie von Pflegekräften, die Pandemie habe ein ohnedies bereits ermüdetes Gesundheitspersonal vollends erschöpft. In der Steiermark sei etwa mittlerweile jedes achte Spitalsbett gesperrt. Doch der türkis-grünen Regierung fehle der politische Wille, um gegenzusteuern und mehr Geld in die Hand zu nehmen, meinte Rendi-Wagner. Zudem habe die türkis-blaue Krankenkassenreform ein "Milliardenloch" im Gesundheitswesen erzeugt.

Als Lösungsansätze präsentierte die rote Parteichefin etwa eine bessere Bezahlung von Medizinberufen und die Anerkennung des Pflegeberufs als Schwerarbeit. Auch eine Verdopplung der Medizinstudienplätze schwebt Rendi-Wagner vor – obwohl sämtliche Rektoren der Medizin-Unis diese Maßnahme als sinnlos einstufen, weil es in Österreich keinen quantitativen Mangel an Absolventen und Ärzten gebe.

Willkommenskultur für ausländische Pflegekräfte

Da sowohl Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) als auch Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) aufgrund bereits länger geplanter Dienstreisen bei der Parlamentssitzung verhindert waren, übernahm Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) die Verteidigung der Bundesregierung. Kogler verwies darauf, dass die Struktur des österreichischen Gesundheitssystems seit langem "ein bissl seltsam" sei. Von der Ärztekammer bis zu den Ländern würden zahlreiche Player ihre eigentliche Kompetenz überschreiten und sich übermäßig in die Gesundheitspolitik einmischen. Es sei Minister Rauch anzurechnen, dass er dagegen vorgehen wolle und das System nun anlässlich der Finanzausgleichsverhandlungen offen zum Thema gemacht habe.

Ein strukturelles Defizit ortet Kogler in der intransparenten Datenlage zu den Budget- und Personalbedarfen in den Bundesländern. Auch ein zentraler Überblick über präzise Krankheitsdiagnosen sei aufgrund des Datendschungels nicht möglich, so der Vizekanzler.

Wie auch Rendi-Wagner plädierte Kogler für einen Ausbau von Primärversorgungszentren, im Unterschied zu früheren Jahren gehe da aber mittlerweile einiges weiter, befand Kogler. Notwendig sei auch eine Attraktivierung von Pflegejobs in Spitälern, doch aus dem Inland werde man den Personalbedarf nicht decken können: "Wir brauchen im medizinischen Bereich endlich wieder eine Willkommenskultur und keine Vertreibungskultur."

ÖVP lobt Regierungsreformen

ÖVP-Gesundheitssprecher Josef Smolle erklärte, die sozialdemokratische Schuldzuweisung an die Bundesregierung sei "zu einfach". Zahlreiche Kompetenzen lägen eben bei den Ländern – etwa die Pflegeschulen –, die Gehälter seien wiederum eine Sache der Spitalserhalter und der Sozialpartner.

Die Bundesregierung mache dort, wo sie Handlungsmacht habe, ohnehin viel, meinte Smolle. So arbeite man an einer Befugniserweiterung für Pflegefachassistenzkräfte und fördere den Ausbau der Primärversorgungszentren. Insgesamt gebe es in Österreich jedenfalls eine hervorragende Gesundheitsversorgung, die sich international sehen lassen könne. Der Personalstand in den Spitälern sei im letzten Jahrzehnt sogar gestiegen.

Fünf vor zwölf

FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak holte hingegen zum Rundumschlag aus. Die Regierung habe in den letzten Jahren nichts zur Lösung der Probleme getan, doch auch die SPÖ sei angesichts zunehmender Gefährdungsanzeigen der Spitäler im roten Wien nicht glaubwürdig.

Neos-Gesundheitssprecherin Fiona Fielder nahm neben der aktuellen Regierung ebenfalls die SPÖ in die Verantwortung, weil diese von 2008 bis 2017 das Gesundheitsressort führte. Es brauche nicht – wie von Rot gefordert – mehr Studienplätze, sondern jetzt strukturelle Reformen. Der Ausbau der Primärversorgungszentren geht den Neos zu schleppend: "Kommen Sie endlich ins Tun, es ist fünf vor zwölf im Gesundheitssystem!" (ta, 27.4.2023)