Beim Streaming-Publikum stürzte "Peter Pan & Wendy" bislang ab.

Foto: Disney

Alexander Molony als Peter Pan.

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Jude Law als Catpain Hook.

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Ever Anderson als Wendy.

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Es wäre nicht weit hergeholt zu glauben, dass Peter Pan dem Hause Disney selbst hätte entspringen können. Der Bub, der nie erwachsen werden will, die Zelebrierung des Kindseins gehen Hand in Hand mit dem Fokus des Studios auf das Kind in einem selbst. Ausgedacht hat sich die Figur jedoch der englische Schriftsteller J. M. Barrie Anfang des 20. Jahrhunderts. Das Bühnenstück, das er zum Roman umschrieb, wurde zu einem Welterfolg.

Farb- und freudlose Adaption

Die Disney-Verfilmung von 1953 mag nicht die einzige Adaption sein, aber sie ist eine der bekanntesten. Dass das Maushaus nun eine neue Version präsentiert, ist somit nicht gezwungenermaßen ein Ausverkauf der Kreativität. Doch auch hier gilt, man muss der Geschichte etwas Neues hinzufügen, um deren Wiederauflage zu rechtfertigen.
David Lowerys Film gelingt es, der Vorlage einige frische Ideen hinzuzufügen: die Neuinterpretation Peter Pans als weitaus düstere Figur etwa und die Besetzung des indisch-stämmigen Alexander Molony als Peter Pan und der afroamerikanischen Yara Shahidi als Tinkerbell, was im Vorfeld für unnötige Aufregung gesorgt hatte.
Aber trotz des neuen Charakterzugs Peters und der interessanten Besetzung mit Jude Law als Captain Hook und Milla-Jovovich-Tochter Ever Anderson als Wendy bleibt Lowerys farb- und freudloser Film hinter den Erwartungen zurück.

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Klassiker-Dumping auf dem Home-Video-Markt

Dies mag ein Grund sein, warum auch die Peter Pan-Live-Action-Adaption nur auf Disney+ gelandet ist. Susi und Strolch musste sich 2019 zuerst mit dem Heimkino begnügen, Pinocchio letztes Jahr ebenso. Der gerade abgedrehte Lilo & Stitch wird auch nur auf Disney+ zu sehen sein.

Die Ausbeutung der Klassiker für den Home-Markt ist nichts Neues. Dschafars Rückkehr zog ab 1994 eine regelrechte Plage an Direct-to-Video-Sequels nach sich. Qualität war weniger die Devise als der billige finanzielle Gewinn. Pixar widerfährt gerade ein ähnliches Schicksal. Soul, Turning Red und Luca erschienen alle nur auf Disney+. Eine Tatsache, die unter den Pixar-Angestellten bereits zu öffentlich ausgedrücktem Frust geführt hat, denn ungleich den Animations-Sequels waren die neueren Filme stets fürs Kino geplant.

Warum das Entsorgen auf der Streaming-Plattform?

Warum also das Entsorgen auf der Streaming-Plattform? Geht es um Werbung für Disney+? Oder werden die knappen Kino-Termine lieber an Marvel-Produktionen vergeben? Finanziell wäre das nicht nachvollziehbar, denn Kinderfilme boomen. Der Super Mario Bros. Film hat bisher weltweit fast 900 Millionen Dollar eingespielt. 2022 lagen Minions – Auf der Suche nach dem Mini-Boss und Der gestiefelte Kater unter den Top zwölf der Kinocharts.

Die direkte Streaming-Veröffentlichung in der Post-Covid-Ära mag nicht mehr automatisch ein schlechtes Licht auf einen Film werfen. Während der Pandemie war es die einzige Art, das Publikum mit Ware zu versorgen. Disney+ gelang schnelles Wachstum, da Serien wie The Mandalorian zahlreiche Abonnenten anlockten. Zudem erspart sich das Studio den Spießrutenlauf der Berichte über die Eröffnungswochenenden. Soul und Luca führten online die Top-Ten-Listen an. Das gelang leichter, als ein Hit im Multiplex zu sein.

Zuspitzung des Streaming-Kriegs

Ein weiterer Grund für vermehrte Onlinereleases könnte die Zuspitzung des Streaming-Kriegs sein. Vorbei sind die Zeiten, als Netflix der alleinige Platzhirsch war. Inzwischen hat fast jedes Studio eine eigene Plattform, Inhalte werden aus Netflix oder Amazon Prime abgezogen. In dem Dschungel aus Hulu (Disney), Peacock (Universal Pictures), Paramount, HBO (Warner Bros), Apple TV+ oder Lionsgate+ hat der Kunde viel Wahl, aber begrenztes Budget. Um das Abo bei Disney+ schmackhaft zu machen, muss man exklusive Inhalte bieten. Die Realverfilmungen der Lieblingsfilme der Kindheit sind ein solches Verkaufsargument.

Müssen Streamingfilme erwachsen werden?

Vielleicht spielt aber doch auch die miesere Qualität der Streamingfilme eine Rolle für das Onlinedumping. Während in den frühen 2010er-Jahren Alice in Wunderland, Maleficent oder Das Dschungelbuch noch eigene kreative Entscheidungen trafen, ging es ab König der Löwen nur noch darum, den Animationsfilm detailgenau zu kopieren.

Peter Pan & Wendy unterliegt auch dem altbekannten Nostalgiediktat. Letztendlich entfaltet sich der Film inhaltlich wie ein hastig zusammengestoppelter Grau-in-Grau-Fleckerlteppich bekannter Szenen und ist (wiedermal) eine vergebene Chance, Erwachsenwerden nicht nur als lineare Entwicklung zu verkaufen. Man kann erwachsen werden und sich dennoch seine kindliche Freude behalten.

Autor Barrie sah Peter Pan später weniger als eine Zelebrierung ewiger Jugend, sondern als ein Urteil über sich selbst. "Verzweifelter Versuch, erwachsen zu werden, aber es geht nicht", schrieb er. Der neue Peter Pan & Wendy mag zwar kein ganz verzweifelter Versuch sein, die Figur erneut für Disney auszuloten. Aber die erste gute Live-Action-Verfilmung seit langem gelang dem Studio leider auch nicht. (Susanne Gottlieb, 1.5.2023)