Die Mayatempel waren nach astronomischen Gesichtspunkten ausgerichtet. Zur Tag-und-Nacht-Gleiche treffen sich heute noch Menschen beim Tempel von Dzibilchaltun.
Foto: HUGO BORGES / AFP

Die Maya waren verrückt nach Astronomie und hatten einen hoch entwickelten Kalender. Innerhalb des komplexen Kalendersystems, das über Jahrhunderte in Verwendung war, gab es auch einige erstaunlich lange Zählzyklen. Einer davon ging kurz vor Weihnachten im Jahr 2012 zu Ende und sorgte damals für einige Aufregung. Nicht wenige Menschen sorgten sich, die Welt würde zu diesem Zeitpunkt enden.

In Wirklichkeit ging nur das 13. Bak'tun zu Ende, ein Zyklus, der im Jahr 3114 vor Christus seinen Anfang hatte. Es gab bei den Maya eine ganze Reihe unterschiedlicher Zähleinheiten, die die Maya-Expertin Estella Weiss-Krejci dem STANDARD einmal so erklärte: "K'in ist ein Tag wie bei uns, Uinal ein Monat von 20 Tagen, Tun ist ein Jahr mit 360 Tagen – 20 mal 18. Und dann multiplizieren Sie immer weiter mit 20, um auf die höheren Zeitebenen zu kommen." Am Ende stehe das Bak'tun, sagt Weiss-Krejci: "Es ist 144.000 Tage lang."

So weit, so komplex. Doch es gibt noch einen weiteren Zählzyklus, der 819 Tage dauert und in verschiedenen archäologischen Funden nachgewiesen wurde.

Zwei Mauerfragmente aus der archäologischen Stätte San Bartolo, die zwischen 300 und 200 vor unserer Zeitrechnung entstanden und einen der ältesten Belege für die Verwendung des Mayakalenders darstellen.
Foto: Karl Taube/Courtesy of the Proyecto Regional Arqueologico San Bartolo/Handout via REUTERS

Verbindung zu den Planeten

Schon bisher hatte man vermutet, dass dieser Zyklus etwas mit den Planeten zu tun haben könnte, denn der Mars braucht genau 117 Tage, um wieder dieselbe Position in Bezug zu Erde und Sonne einzunehmen. Dieser Durchlauf wird als synodische Periode bezeichnet. Mit sieben multipliziert, ergibt diese Zahl 819. Doch die anderen Planeten schienen nicht recht ins Schema zu passen.

Diese Verbindung erklärt nun eine neue Studie, die im Fachjournal "Ancient Mesoamerica" erschien. Die beiden Forschenden John H. Linden und Victoria R. Bricker zeigten, dass nicht ein einfacher, sondern ein zwanzigfacher Durchlauf des 819-Tages-Zyklus eine Übereinstimmung mit den anderen Planetenzyklen ermöglicht. Vergleicht man nämlich nicht einzelne synodische Perioden von Planeten mit dem Maya-Zyklus, sondern Vielfache davon, erhält man die gesuchten Übereinstimmungen.

So braucht etwa Saturn 378 Tage, um zum selben Ort auf dem Nachthimmel zurückzukehren. Dreizehn dieser Zyklen ergeben 4.914 Tage, was sechs mal 819 entspricht. Sieben Venus-Zyklen entsprechen fünf 819-Tages-Zyklen. Bei Jupiter stimmen 39 Wiederkehrzyklen mit 19 Mayazyklen überein.

Auch Übereinstimmungen mit den bisher bekannten Mayakalenderzyklen konnte das Team ausmachen. Sie könnten es den Maya ermöglicht haben, die synodischen Perioden der Planeten zu bestimmen.

Chichén Itzá gehört zu den wichtigsten archäologischen Stätten der Maya-Hochkultur.
Foto: AP Photo/Tomas Stargardter, File

Zahlenspiele

Etwas Vorsicht ist bei solchen Zahlenanalysen angebracht. So wurden kürzlich Zweifel an einer Studie laut, die die britische Kultstätte Stonehenge als Kalender interpretierte und allerhand Belege dafür in der Geometrie von Stonehenge erkannt haben wollte. Eine Studie im Fachjournal "Antiquity" hält der ebenfalls in "Antiquity" erschienenen Kalenderstudie vor, sich falscher Astronomie und Zahlenmystik zu bedienen. Das Auffinden von Mustern bedeutet nicht immer, dass sie auch Absicht sind.

Dass sich in Systemen mit Zahlen leicht Muster finden lassen, hat mathematische Gründe. Wir Menschen neigen dazu, intuitiv die Anzahl der Kombinationsmöglichkeiten von Mengen zu unterschätzen. Schülerinnen und Schüler können etwa beobachten, dass auch in normal großen Klassen überraschend viele junge Leute am selben Tag Geburtstag haben, was doch angesichts von 365 Möglichkeiten sehr unwahrscheinlich sein sollte. Ist aber nicht ein bestimmter Tag gefragt, sondern nur die Übereinstimmung zweier beliebiger Geburtsdaten, so ist die Wahrscheinlichkeit dafür sehr hoch.

Der Effekt ist die Grundlage jeder Zahlenmystik. Mit etwas Geschick lassen sich überall scheinbar mysteriöse Zusammenhänge finden, eine Tatsache, über die sich bereits Umberto Eco in seinem Buch "Das Focaultsche Pendel" lustig machte.

Ob sich die neue Erklärung für den Kalenderzyklus der Maya durchsetzt, werden weitere Forschungen zeigen können. Dass die Planeten eine Rolle spielen, ist jedenfalls sehr plausibel.

Kalender zählt weiter

Neue Ängste vor einem Weltuntergang wird das Ergebnis eher nicht entfachen. Das Ende eines Zählzyklus hat keine praktische Bedeutung. "Der Kalender zählt einfach weiter, es passiert überhaupt nichts", betonte auch Weiss-Krejci. (Reinhard Kleindl, 1.5.2023)