Haupteingang zur Weltausstellung 1873 im Prater mit der Rotunde im Hintergrund. Dieses Gebäude – die damals weltgrößte Kuppel – wurde zum Wahrzeichen und Symbol der gigantomanischen Schau.
Foto: Michael Frankenstein / gemeinfrei

Das Wetter an diesem 1. Mai 1873 meinte es nicht gut mit Wien und seinem Großereignis – dem wohl größten, das die Reichs- und Residenzstadt je sah. Tout Vienne und hohe Gäste aus aller Welt hatten sich an diesem Donnerstag für die Eröffnung der megalomanischen Weltausstellung fein herausgeputzt. Und dann verwandelte der Dauerregen die Zugänge zur riesigen Rotunde im Prater, die immer noch nicht ganz fertiggestellt war, in Matsch.

Das sollte der pompösen Eröffnungsfeier aber keinen Abbruch tun. 15.000 geladene Personen hatten sich in dem zeltartigen Bau unter der damals mit Abstand größten Kuppel der Welt eingefunden. Darunter waren nicht weniger als 900 Sänger und vier Militärkapellen, die für den musikalischen Aufputz sorgten.

1. Mai 1873 in der Rotunde: Der Kaiser eröffnet die Weltausstellung.
Illustration: Vinzenz Katzler / gemeinfrei

Nachdem Kaiser Franz Joseph I. als Höhepunkt der Veranstaltung die Weltausstellung für eröffnet erklärt hatte, strömten die Besucherinnen und Besucher in den angrenzenden Industriepalast, um die dort ausgestellte Pracht des Fortschritts zu bestaunen.

Die Weltausstellung im Wiener Prater war die erst fünfte ihrer Art nach jeweils zwei Expos in London (1851 und 1862) und Paris (1855 und 1867), zwei der damals wichtigsten Weltmetropolen. Das zeigt die Ansprüche, die man in Wien hatte. Entsprechend wollten die Organisatoren – federführend Wilhelm von Schwarz-Senborn – eine Schau der Superlative gestalten, was zumindest bei den Dimensionen gelang: Das Gelände der Weltausstellung in Wien war fünfmal größer als jenes in Paris.

Der Plan zeigt die enormen Dimensionen der internationalen Leistungsschau.
Illustration: Gemeinfrei / Wikimedia

Umbau zur modernen Metropole

Das schnell wachsende Wien zählte Anfang der 1870er-Jahre eine Bevölkerung von rund einer Million und befand sich mitten im Umbau von einer barocken Residenz- in eine moderne Weltstadt. Zu Beginn des Jahrzehnts waren die Bahnverbindungen einigermaßen ausgebaut, der Bau der Ringstraße war in vollem Gang und die Donauregulierung in die Wege geleitet. Für die Wasserversorgung der Metropole und zur Seuchenbekämpfung wurde eine Hochquellenwasserleitung geplant.

Mit der Weltausstellung wollte man den Modernisierungsrückstand im Vergleich zu anderen westlichen Ländern aufholen, die mit der Industrialisierung bereits weiter waren. Zudem galt es, die Niederlage von Königgrätz zu kompensieren. "Diese Umstände haben mit dazu beigetragen, dass man sich mit der Weltausstellung in Wien übernommen hat", sagt der Zeithistoriker Oliver Rathkolb von der Uni Wien, der an einem Buch über die beiden Globalisierungen Ende des 19. Jahrhunderts und Ende des 20. Jahrhunderts arbeitet.

"Weniger wäre in dem Fall mehr gewesen", meint Rathkolb mit Blick auf die 53.000 Aussteller aus 35 Ländern und die insgesamt 194 Pavillons, von denen etliche im Stil des Historismus errichtet wurden. Denn der Fortschritt sollte in Wien mit traditionellen Kostümen camoufliert werden.

Der Nahe und der Ferne Osten

Zu den besonderen Attraktionen der Expo anno 1873 zählte die Präsenz des Nahen und Fernen Ostens, was insbesondere die Kunst der folgenden Jahrzehnte inspirieren sollte: Japan präsentierte sich erstmals groß im Westen; etliche der damaligen Ausstellungsobjekte sind heute im Weltmuseum zu bestaunen. Auch die Anwesenheit des Schahs von Persien erregte große öffentliche Aufmerksamkeit. Der 17-jährige Maturant Sigmund Freud allerdings war wenig angetan, wie er in einem Brief notierte: "Der Schah ist gestern angekommen, allein er ist eine langweilige Bestie und mir ganz gleichgiltig."

Ein 14-jähriger US-Amerikaner, der nach Wien gekommen war, weil sein Vater die Expo-Delegation der Vereinigten Staaten leitete, war ebenfalls ostentativ gelangweilt. "Die letzten Wochen verbrachte ich in der trostlosesten Monotonie", vertraute er seinem Tagebuch an. Er schuf Abhilfe, indem er in der Suite des Grand Hotel Hühner und Hasen sezierte und in Arsen konservierte. Sein Name war Theodore Roosevelt. Keine dreißig Jahre später sollte er 26. und bis heute jüngster Präsident der USA werden.

Nordamerikanischer Wigwam als Teil der traditionellen US-amerikanischen Selbstdarstellung.
Foto: Gemeinfrei / Wikimedia

Die Vereinigten Staaten hatten sich da längst angeschickt, Europa als Innovationszentrum den Rang abzulaufen: "Davon war in Wien 1873 noch wenig zu sehen, als sich die USA traditionell mit einem riesigen Wigwam präsentierten", sagt Rathkolb: "Doch 1893 bei der Weltausstellung in Chicago war bereits alles elektrisch, während die in Wien noch von der Dampfmaschine geprägt war."

Börsenkrach und Cholera

Hier ging die Kosten-Nutzen-Rechnung der Regierenden und Veranstalter, Wien zur Weltmetropole zu machen, indem die Welt nach Wien geholt wurde, nur bedingt auf. Das lag aber auch an zwei Katastrophen, die nur mittelbar auf das Großereignis zurückgingen. Zum einen kam es bereits am 9. Mai 1873, also gut eine Woche nach der Eröffnung, zum "Schwarzen Freitag" an der Wiener Börse. Er verpasste sowohl dem Wirtschaftswachstum der Gründerzeit wie auch der Fortschrittseuphorie des Liberalismus ihren ersten nachhaltigen Dämpfer.

Zu allem Überfluss überschattete auch noch eine Epidemie in Wien die Ausstellung. Im Juni starben erste angereiste Besucher der Ausstellung an der Cholera. Das lag auch daran, dass die Wiener Hochquellenwasserleitung erst wenige Tage vor Ende der Weltausstellung – wieder vom Kaiser – feierlich eröffnet werden konnte.

Zeitgenössische Karikatur, die Wilhelm Schwarz-Senborn angesichts des Defizit die Haare raufen lässt.
Illistration: Gemeinfrei / Wikimedia

Die Expo endete deshalb im November in einem finanziellen Fiasko: Statt der erhofften 20 Millionen Gäste kamen "nur" 7,2 Millionen. Das Defizit der Weltausstellung betrug mehr als 15 Millionen Gulden (heute gut 200 Millionen Euro), weshalb sie der Publizist Ferdinand Kürnberger gar als "unser zweites Königgrätz" bezeichnete.

"Die Weltausstellung war Höhepunkt und Endpunkt des Liberalismus in Wien", resümiert Rathkolb. Und weil dieser es verabsäumt habe, das Elend der für die Modernisierung benötigten Zuwanderer zu lindern, kam es in den Jahren danach zur radikalen Veränderung der politischen Verhältnisse – Stichwort Karl Lueger, der zur Zeit der Weltausstellung noch liberal eingestellt gewesen sei.

Wenig Bleibendes im Stadtbild

Architektonisch blieb von der Riesenausstellung nicht allzu viel. Die meisten der eigens errichteten Gebäude wurden bald nach 1873 demontiert und wichen allmählich wieder der Grünanlage, die der Prater zuvor gewesen war und nach 1873 wieder werden sollte. Die Rotunde, deren Abbau zu teuer war, wurde 1937 Opfer eines Großfeuers. Das zur Weltausstellung errichtete Aquarium an der Prater Hauptallee, das zuerst als Vivarium und dann als Biologische Versuchsanstalt weitergenützt wurde, brannte im April 1945 in den letzten Tagen des Kampfs um Wien aus.

So ist von den damaligen Bauten nur der südliche Pavillon für Kunst erhalten, in dem sich Bildhauerateliers des Bundes befinden. Viele der damals errichteten Hotels existieren nach wie vor. Im Hotel Donau in der Nordbahnstraße, wo die Cholera ausbrach, residiert heute die Immobilienverwaltungszentrale der ÖBB. Bleiben vor allem einige Straßenbezeichnungen im zweiten Bezirk, die an das globale Großereignis erinnern, etwa die Ausstellungsstraße, die Rotundenallee oder die Vivariumsstraße.

Ein bleibendes Relikt ist auch der Konstantinhügel im Prater, benannt nach Konstantin zu Hohenlohe-Schillingsfürst, einem der Bauleiter der einzigen Weltausstellung Wiens. Die sieben Meter hohe Erhebung war vor 150 Jahren durch das damals angefallene Aushubmaterial der Rotunde entstanden. (Klaus Taschwer, 30.4.2023)