Anika Pages als Winnie, eingezwängt im Ehebett vor der Pistole, in "Glückliche Tage".

APA/Rita Newman

Es muss nicht gleich ein "Arsch explodieren" und "eine Kerz’n herausschiaßen", wie Thomas Bernhard einmal seinen Gedanken zur Komödientheorie freien Lauf ließ. Komisch anzusehen ist schon eine Anstrengung, die den Interessen des handelnden Subjekts widerstrebt. Auf zweierlei Weise wird man dieser Anstrengung derzeit im Theater in der Josefstadt gewahr.

Theater in der Josefstadt & Kammerspiele

Regiealtmeister Dieter Dorn verfiel der grenzgenialen Idee, Samuel Becketts Glückliche Tage und Georges Feydeaus Einakter Herzliches Beileid zu einem Doppelabend zusammenzuspannen. Es treffen hier zwei Ehen gegenverkehrt aufeinander, von denen die eine mit beharrlicher Frohlockung das apokalyptische Schlussstadium ihrer biologischen Existenz hinnimmt, während die andere trotz aller Annehmlichkeiten nur unnötigen Ärger wälzt. Das ist zum Lachen, doch läuft der Abend immer wieder neben der Spur.

Kuss oder Pistole

Dorn, der ab den 1980er-Jahren in München Theatergeschichte geschrieben hat und heuer seinen 88. Geburtstag feiert, findet für dieses jeweils von Anika Pages und Michael von Au gespielte Tandem nicht den passenden Ton. Hängt der Feydeau-Part auch wegen mäßigen Slapsticks zu sehr durch, überspannt sich das Winnie-und-Willie-Duett Becketts in Karikaturhaftigkeit. Vor allem die betonte Spielzeugfigurenstimme Winnies entzieht dem Text Energie.

Einige Male erreicht der Abend tragikomische Momente, etwa dann, wenn die in der Matratze des Ehebettes an der Rumpfmitte feststeckende Winnie nicht ganz sicher ist, ob sich ihr ebenfalls weitgehend körperlos gewordener Gatte mühsam robbend ihren Lippen (zum Kuss) oder doch der am Laken liegenden Pistole entgegenstreckt.

Montur des Sonnenkönigs

In selbigem Ehegemach (Bühne: Julia Schultheis) spinnt das Paar aus Feydeaus Einakter seine Querelen körperlich deutlich vitaler weiter. Lucien und Yvonne gehören einem bürgerlichen Zeitalter an, das nur mehr im Bilderbuch existiert. Die Frau wartet des Nachts sauertöpfisch auf ihren Ehemann, der in schillernder Sonnenkönigsmontur den örtlichen Künstlerball beehrt hat und nach polternder Heimkehr nichts Besseres weiß, als seiner Angetrauten von den schönen Brüsten eines Models vorzuschwärmen.

Als den Haushalt eine schlechte Nachricht ereilt, fällt Madame in Ohnmacht, das Hausmädchen ist genervt, und auf holprige Weise offenbaren sich nach und nach sämtliche schlechte Eigenschaften aller Beteiligten. Beinahe explodiert auch ein "Arsch" (s. oben). Der Abend gleicht einem Blick zurück in eine abgelaufene Zeit, in der ganz andere Fragen als heute gestellt wurden. (Margarete Affenzeller, 29.4.2023)