Kogler eröffnete die Diskussion mit einem Video auf seinen Social-Media-Kanälen.

Foto: Heribert Corn

Wien – Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler startet einen neuen Anlauf für eine Erbschaftssteuer. In einem Video, das am Samstag per Social Media veröffentlicht worden ist, fordert Kogler eine "Millionärssteuer" für "Millionenerben". Wenn jemand eine "fette Villa" oder "astronomische Aktienpakete" erbe, zahle er nämlich derzeit "nix – null, niente, nada" für die Gemeinschaft, ortet der Grünen-Chef eine "himmelschreiende Ungerechtigkeit". Die Grunderwerbssteuer, die für die Villa anfiele, lässt Kögler dabei außen vor.

"Wer sein Leben lang hackelt, zahlt für dieses Arbeitsleben hunderttausende Euro Steuern und Abgaben", etwa für Kindergärten, Schulen und Krankenhäuser, leitet Kogler sein Plädoyer ein.

"Das ist nicht christlich, das ist nicht sozial"

Bei immer weniger Menschen komme ein immer größeres Vermögen an, konstatierte Kogler, "und die Anderen kriegen nichts – das ist doch eine himmelschreiende Ungerechtigkeit", findet er. "Das ist nicht christlich, das ist nicht sozial", richtete Kogler seinem Koalitionspartner ÖVP aus, die gegen solche Steuern ist, "das ist nicht fair und eben nicht gerecht". Denn dieses "leistungslose" Einkommen "widerspricht doch jedem Leistungsprinzip", meint der Vizekanzler.

Zu einer "verantwortungsvollen Zukunft" gehöre nicht nur mutiger Klimaschutz, sondern auch die Beseitigung derartiger Ungerechtigkeiten. "Deshalb bin ich für eine Millionärssteuer", wirbt Kogler. "Die Millionenerben sollen ihren fairen und gerechten Beitrag leisten."

Profitieren soll Personal in Pflege und Kindergärten

Zugute kommen sollten die zusätzlichen Einnahmen jenen, "die viel leisten, aber wenig verdienen", erklärte Kogler, beispielsweise dem Pflegepersonal und Kindergartenpädagoginnen. Nach dem Ende der Corona-Pandemie und der Sicherung der Energieversorgung sei "jetzt der Zeitpunkt gekommen, weiter in die Zukunft zu schauen und eine durchaus ältere Gerechtigkeitsfrage neu zu diskutieren", hieß es seitens der Grünen zur APA.

Gerade in einer immer angespannteren Personalsituation in vielen Bereichen, in denen viel für den gesellschaftlichen Zusammenhang geleistet werde, aber die Einkommen gering seien, wolle man damit eine Umverteilungsdebatte anstoßen. Details ließ man offen: Kogler will nun mit "den Betroffenen", Experten, Wissenschaftlern und Politikern darüber reden, wie man eine solche "Millionärssteuer für Millionenerben" am sinnvollsten gestalten könne.

Sachslehner spricht von "Klassenkampf aus der Mottenkiste"

Koglers Regierungspartner, die ÖVP, wollte die Vorschläge des Grünen Parteichefs" auf Anfrage am Samstag zunächst nicht kommentieren. Laura Sachslehner, ÖVP-Gemeinderätin in Wien und ehemalige Generalsekretärin der Türkisen im Bund, schrieb auf Twitter zu Koglers Vorstoß: "Anstatt erneut den Klassenkampf aus der Mottenkiste zu holen, sollten die Grünen endlich für eine Entlastung der Menschen in diesem Land eintreten." Die Ergebnisse "solch veralteter Konzepte" seien laut Sachslehner "Betriebe, die zusperren und abwandern und Menschen, die auf der Straße stehen. Nicht ohne Grund wurden Vermögenssteuern schon vor einigen Jahren in Österreich abgeschafft."

Auch der Wirtschaftsbund, eine Teilorganisation der ÖVP, reagierte: "Mit Verwunderung mussten wir Samstagfrüh Vizekanzler Kogler zusehen, wie er sich für neue Steuern stark macht und so die Neiddebatte kommunistischer Linkspopulisten bestärkt", sagte Wirtschaftsbund-Generalsekretär und Nationalratsabgeordneter Kurt Egger in einer Aussendung. Bei Schenkung und Erbe von Grundstücken werde Grunderwerbsteuer gezahlt, betonte er. "Klassenkampf und Spaltung können nicht die Antwort auf schlechte Wahlergebnisse sein."

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch nannte die Aussagen von Kogler zur Millionärssteuer "völlig unglaubwürdig". Die Grünen würden seit drei Jahren die ÖVP-Klientelpolitik, etwa die Senkung der Konzerngewinnsteuer, widerstandslos mittragen – "und entdecken jetzt plötzlich das Thema Steuergerechtigkeit. Die Grünen haben in den vergangenen Jahren die Anträge der SPÖ für eine Millionärsabgabe immer wieder abgelehnt", sagte Deutsch. Kogler halte die Bevölkerung "am Schmäh".

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch meinte, dass neue Steuern in Zeiten der Rekordteuerung "das Letzte" seien, das Österreich brauche. Auch Belakowitsch nannte Koglers Ankündigung eine "verstaubte Uralt-Idee aus der altmarxistischen Mottenkiste". Die Millionärssteuer sei eine getarnte Erbschaftssteuer. Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker forderte gegenüber der APA statt "populistischen Inszenierungen" Maßnahmen, damit mehr Netto von weniger Brutto bleibe.

ÖGB-Chef Katzian will nicht "Zniachterl" alles tragen lassen

Auch ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sprach sich am Wochenende einmal mehr für Vermögenssteuern aus. Es gebe viele, die nichts oder fast nichts beitragen. "Ob das jetzt Vermögenssteuer, Millionärssteuer oder sonst wie heißt, ist mir egal. Der Punkt ist: Es müssen die großen Vermögen einen Beitrag leisten", forderte der ÖGB-Präsident, dasselbe gelte für große Erbschaften. "Breite Schultern können mehr tragen als ein Zniachterl mit schmalen Schultern."

Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, begrüßte Koglers Vorstoß in einer Aussendung: "In vielen Bereichen fehlt Geld, die Herausforderungen der Zukunft sind enorm. Nur, wenn Millionäre und Milliardäre endlich ihren gerechten Beitrag leisten, können wir die Schieflage im Steuersystem bekämpfen."

Die Industriellenvereinigung kritisiert, Österreich brauche "in herausfordernden Zeiten keine wachstumsfeindlichen und kontraproduktiven Steuern, sondern eine Debatte über Anreize für arbeitende Menschen in diesem Land". Der Aufbau von Vermögen müsse erleichtert werden, indem die hohe Steuer- und Abgabenquote, die derzeit bei 43,3 Prozent liege, gesenkt werde. (APA, krud, miwi, 29.4.2023)