Dass die Waffenruhen im Sudan nicht halten, belegen unter anderem Rauchschwaden über Khartum.

Bei einem Andauern der Kämpfe im Sudan dürften nach Einschätzung der Uno mehr als 800.000 Menschen in die Nachbarländer flüchten. "Ohne eine rasche Lösung dieser Krise werden wir erleben, dass weitere Menschen auf der Suche nach Sicherheit und grundlegender Unterstützung zur Flucht getrieben werden", sagte der stellvertretende UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Raouf Mazou, am Montag in Genf. Der Koordinator der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten im Sudan, Abdou Dieng, sagte, die humanitäre Krise könne in eine "totale Katastrophe" münden.

Der Hergang ist zum makabren Ritual geworden. Die Uno oder die USA geben bekannt, dass die Konfliktparteien des Sudan einer Feuerpause zugestimmt hätten, während die Kämpfe in der Hauptstadt Khartum unvermindert oder sogar heftiger weitergehen. Einmal mehr hatten am Wochenende sowohl die Armee wie die Rapid Support Forces (RSF) genannte Miliz einer dreitägigen Verlängerung der von der US-Regierung eingefädelten Waffenruhe zugestimmt – nur um am Montag unvermindert weiterzukämpfen.

Vorratslager größtenteils geplündert

Über Khartum und dessen Zwillingsstadt Omdurman flogen Kampfjets der Luftwaffe wieder Bombeneinsätze, während RSF-Milizen am Boden ihre Kontrolle über zentrale Teile der Stadt auszudehnen versuchten. Streitkräftechef Abdelfattah al-Burhan und Milizenchef Mohamed Hamdan Dagalo (Hemeti) bezichtigten sich gegenseitig, für den Bruch der Waffenruhe verantwortlich zu sein. Seine Kämpfer würden seit Tagen ununterbrochen bombardiert, klagte Hemeti: Gespräche um eine Beilegung des blutigen Konflikts seien unter diesen Umständen ausgeschlossen.

Unterdessen droht die humanitäre Lage in Khartum nach den Worten des UN-Nothilfekoordinators Martin Griffiths einen "Schwellenwert" zu erreichen. Viele der rund fünf Millionen Einwohner der Stadt hätten Schwierigkeiten, an Wasser, Nahrungsmittel oder Treibstoff zu kommen. Vielen fehlten die Mittel, sich in Sicherheit zu bringen. Die UN-Vorratslager seien größtenteils geplündert worden, fuhr Griffiths fort.

Ärzte werden entführt

Am schlimmsten sei das Gesundheitswesen der Stadt betroffen, berichtet die New York Times. Über 70 Prozent der medizinischen Einrichtungen Khartums seien zerstört oder verwaist, mehr als ein Dutzend medizinische Fachkräfte ums Leben gekommen, Hunderte von Ärzten geflohen. RSF-Milizionäre entführten Mediziner, um sie zur Behandlung ihrer Kämpfer zu zwingen, schreibt die Zeitung weiter. In der Stadt verbliebene Ärzte behandelten Patienten teilweise in ihren Wohnungen, an Medikamente zu kommen sei praktisch ausgeschlossen. Am Montag teilte das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) allerdings mit, ein mit acht Tonnen an medizinischen Notmitteln beladenes Flugzeug sei in der Hafenstadt Port Sudan gelandet.

Der Strom der Flüchtlinge bricht unterdessen nicht ab: Zehntausende von Einwohnerinnen und Einwohnern hätten bereits Khartum verlassen, teilte die Uno mit. Als chaotisch wird die Lage sowohl in Port Sudan wie an der am Nil gelegenen Grenze nach Ägypten beschrieben. Dort warteten Hunderte von Flüchtlingen oft tagelang, bis sie die Grenze überqueren können. Obwohl die Beziehungen zwischen den Regierungen in Kairo und Khartum als freundschaftlich gelten, werden vor allem junge Männer oft abgewiesen.

Im Hafen Port Sudans warten Tausende von Menschen, um einen Platz auf einer Fähre in die saudische Hafenstadt Jeddah zu ergattern. Und aus dem Südsudan wird von Flüchtlingen berichtet, die die über 400 Kilometer lange Strecke von Khartum zur Grenze zu Fuß zurückgelegt hätten.

Kämpfe in Darfur

Auch aus den Darfur-Provinzen werden heftige Kämpfe gemeldet. Vor allem in Al-Geneina, der Hauptstadt Westdarfurs, soll es zu heftigen Kämpfen mit Hunderten von Toten gekommen sein. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen stellte aus Sicherheitsgründen vorübergehend ihre dortigen Tätigkeiten ein. Die Region ist vom Konflikt besonders betroffen, weil aus ihr ein Großteil der RSF-Kämpfer kommt.

Sudans kurzzeitiger Premierminister Abdalla Hamdok wählte am Wochenende drastische Worte für die Situation im Sudan: "Dieser sinnlose Krieg droht zu einem Albtraum der Welt zu werden." (Johannes Dieterich, red, Reuters, 1.5.2023)