Sozialmarkt in Wien: Immer mehr Menschen können sich Lebensmittel zu Supermarktpreisen nicht leisten – was tun?

Foto: Regine Hendrich

Zwar hat die schwarz-grüne Regierung familienbezogene Gelder erhöht – konkret werden Familienbeihilfe, Kinderabsetzbetrag, Kinderbetreuungsgeld, Studienbeihilfe und Krankengeld ab 2023 alljährlich der Teuerung angepasst. Bei anderen Zahlungen, die noch wichtiger sind, um einen Absturz in die Armut zu verhindern, ist das hingegen nicht der Fall. Gefordert wird daher:

·Arbeitslosengeld und Notstandsunterstützung valorisieren

"Die ausständige Inflationsanpassung inklusive Familienzuschlägen muss schnellstmöglich nachgeholt werden", sagt Caritas-Wien-Direktor Klaus Schwertner. Die Aufstockung des Arbeitslosengeldes und der Notstandsunterstützung als Folgeleistung hätte im Zuge einer Arbeitsmarktreform stattfinden sollen, auf die sich ÖVP und Grüne nicht einigen konnten.

Diakonie-Vizechef Martin Schenk sieht Änderungsbedarf abseits der Valorisierung: Wer in Österreich arbeitslos wird, bekommt nur 55 Prozent des letzten Tagesnettoeinkommens ausbezahlt. Das sei europaweit einer der niedrigsten Sätze. Die Ersatzquote müsse steigen.

·Sozialhilfe bedarfsorientiert erhöhen

Seit der Sozialhilfe-neu-Reform unter Türkis-Blau werden laut dem bundesweit geltenden Sozialhilfe-Grundsatzgesetz den ausbezahlenden Ländern Höchstsätze vorgegeben: Sie dürfen nicht mehr als diese Summen ausbezahlen. Davor waren es Mindestsätze, die Länder waren je nach Notlage einer betroffenen Person flexibel.

Die jetzige Regelung treibe viele Menschen ins Elend, sagt Schwertner. Er und Schenk fordern eine Rücknahme der Sozialhilfe neu. Stattdessen brauche es bedarfsorientierte Kinderrichtsätze und ein Verbot, andere Sozialleistungen wie etwa die Familienbeihilfe an die Sozialhilfe anzurechnen. Auch Wifo-Expertin Mayrhuber empfiehlt, die Sozialhilfe zu stärken.

·Kampf gegen die Energiearmut

Maßnahmen wie die Strompreisbremse oder die Aufstockung des Wohn- und Heizkostenzuschusses hätten vorübergehend geholfen. Statt sie auslaufen zu lassen, müssten sie institutionalisiert werden, fordern Schwertner und Schenk. Schwertner schlägt vor, die Maßnahmen in einem eigenen Energiearmutsgesetz zu bündeln. Das Thema Energiepreise werde immer relevanter. (Irene Brickner, 5.5.2023)