Der Parteiensenat entschied, dass Kurz' "Bergauf"-Tour in die Wahlkampfkosten einzurechnen war. Dennoch geht sich die Einhaltung der Kostengrenze 2019 aus.

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Im Jahr 2019 gelang der ÖVP unter Sebastian Kurz mit einem Ergebnis von 37 Prozent bei der Nationalratswahl ein Riesenerfolg. Doch ob sie dabei die Wahlkampfkostenobergrenze gesprengt hat oder nicht, war seither Gegenstand von Debatten und Verfahren. Nun kam der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) zu dem Schluss, dass die ÖVP im legalen Rahmen geblieben sei. Die Partei jubiliert, ihr Ex-Kanzler Kurz schreibt auf Twitter, er habe immer gewusst, dass die Vorwürfe falsch seien. Die Medien kritisierte er dafür, dass sie in der Vergangenheit zu ausführlich über die Vorwürfe berichtet hätten. Er wertet das als "Manipulation der öffentlichen Meinung". Doch worum ging es eigentlich all die Jahre, und was sind die strittigen Punkte? Ein Überblick.

Frage: Wie viel Geld durfte die ÖVP 2019 für den Wahlkampf ausgeben?

Antwort: In Österreich gilt für Parteien in dem rund dreimonatigen Zeitraum zwischen dem Stichtag einer Nationalratswahl und dem Wahltag eine Maximalsumme, die sie für Belange des Wahlkampfs ausgeben dürfen. 2019 betrug die Grenze sieben Millionen Euro.

Frage: Wie viel hat die ÖVP laut eigenen Angaben ausgegeben?

Antwort: Das hat sie im Laufe der Zeit nach oben verändert. In ihrer ersten Berechnung, die sie 2020 dem Rechnungshof (RH) vorgelegt hat, nannte sie 5,6 Millionen. Der RH hielt diese Zahl allerdings für unplausibel niedrig. Da er selbst nicht in die Bücher der Parteien hineinschauen darf, schickte der RH externe Wirtschaftsprüfer in die Zentrale der ÖVP-Bundespartei. Im Zuge der Überprüfung korrigierte die ÖVP ihre Angaben auf insgesamt 6,6 Millionen, also auf eine Million Euro mehr als ursprünglich.

Frage: Das wäre doch noch im Rahmen?

Antwort: Das schon noch, aber der RH war nach Durchsicht der Unterlagen der Wirtschaftsprüfer der Meinung, dass sogar noch weitere knapp 900.000 Euro dazugerechnet werden müssten, weil diese eben für den Zweck des Wahlkampfs angefallen seien. Damit wäre man auf etwa 7,5 Millionen gekommen – Strafen von bis zu 75.000 Euro hätten den Türkisen als Sanktion gedroht.

Frage: Worauf bezog sich die Meinung des RH?

Antwort: Im Wesentlichen auf drei Posten: Die "Bergauf"-Tour, eine groß inszenierte Wanderung mit Sebastian Kurz im Sommer 2019 um mehr als 200.000 Euro; rund 300.000 Euro unter der Rubrik "Wahlprämien ÖVP Bundespartei"; weitere rund 300.000 als "Leistungszulagen ÖVP Niederösterreich". Die ÖVP wollte all das nicht zu den Wahlkampfkosten rechnen und argumentierte im Widerspruch zum RH sinngemäß, dass all diese Ausgaben nicht auf den Wahlkampf zugeschnitten gewesen seien, sondern ohnehin stattgefunden hätten.

Frage: Wer entscheidet über diese gegensätzlichen Argumente?

Antwort: Für die rechtliche Entscheidung samt etwaiger Verhängung von Bußgeldern ist nicht der RH zuständig, er übermittelt seine Auffassung dem Transparenzsenat (UPTS). Der UPTS entscheidet meistens im Einklang mit der RH-Position. Es handelt sich um eine unabhängige Behörde, die zum Bundeskanzleramt ressortiert. Die Mitglieder des Senats werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung für fünf Jahre bestellt.

Frage: Und der UPTS hat nun der ÖVP inhaltlich recht gegeben?

Antwort: Teilweise. Er hat im Unterschied zum RH die "Wahlprämien" und "Leistungszulagen" nicht dem Wahlkampf zugeschlagen. Die Wahlprämien seien nicht für eigens rekrutierte Wahlkampfmitarbeiter vorgesehen worden, sondern für fixes, ganzjähriges ÖVP-Personal. Die Leistungszulagen waren laut UPTS nicht für die Nationalratswahlen, sondern die niederösterreichische Wahlen konzipiert. Bei der Bergtour teilt der Senat hingegen die Sicht des RH: Die Wanderung und ihre PR-Vermarktung hätten sich an die breite Öffentlichkeit gerichtet und der Mobilisierung von Stimmen gedient.

Frage: Was heißt das im Endeffekt?

Antwort: Inklusive Bergtour kommt der UPTS auf rund 6,8 Millionen Euro. Er hat das Verfahren wegen Überschreitung der Kostengrenze daher eingestellt.

Frage: Was sagt der Rechnungshof zu den konträren Ergebnissen des Senats?

Antwort: Nicht viel. Man habe den eigenen Bericht "wohlüberlegt" verfasst, nehme aber den Bescheid des Transparenzsenats zur Kenntnis. Intern heißt es beim RH, man würde wieder so handeln. Eine Möglichkeit, den Bescheid des UPTS rechtlich zu bekämpfen, hat der Rechnungshof nicht. Es gibt zwar mit dem Bundesverwaltungsgericht noch eine höhere Instanz, diese kann jedoch nur von der betroffenen Partei angerufen werden und nicht vom RH selbst. Die ÖVP wird logischerweise keine Beschwerde gegen den für sie günstigen Bescheid erheben, damit wird die Entscheidung des Senats rechtskräftig werden. (Theo Anders, Walter Müller, 4.5.2023)