Im Gastblog schildert Jurist und Mediator Ulrich Wanderer, wie die Lösung von Konflikten rund um das Thema Erbschaft mit Mediation begleitet werden kann.

Der Tod naher Angehöriger ist in der Regel mit einem Kaleidoskop von Emotionen verbunden. Trauer und Schmerz spielen oftmals genauso eine Rolle wie Wut und Kränkung aufgrund der gemeinsamen Erlebnisse. Die Gefühlswelt ist im Aufruhr, Erinnerungen kommen hoch und stürzen die Hinterbliebenen in eine emotionale Herausforderung sondergleichen. Sorgt dann vielleicht auch die Eröffnung des Testaments beim Notar für eine missliebige Überraschung, so ist guter Rat … wichtig. Nicht unbedingt teuer, aber jedenfalls wichtig. Zumal einerseits die Emotionen und Bedürfnisse anerkannt werden müssen, andererseits aber auch die rechtlichen Fakten eine wesentliche Rolle spielen.

Überraschung im Testament

Frau G. staunte nicht schlecht, als der Notar ihr eröffnete, dass ihre kürzlich ehe- und kinderlos verstorbene Schwester entgegen anderweitiger Ankündigungen doch bei einem Notar ein Testament erstellt hatte und in diesem gegen alle Andeutungen zu Lebzeiten nicht G. als nächste Angehörige bedacht war, sondern ein Verein, der sich mit der Erforschung und Behandlung jener seltenen Krankheit beschäftigte, an der die Verstorbene jahrzehntelang gelitten hatte und schlussendlich auch verstorben war. Auch war G. durchaus überrascht, als sie von der Höhe des Vermögens ihrer Schwester erfuhr. Nachdem die beiden bis vor kurzem über lange Zeit nur sporadischen Kontakt hatten, war G. nicht über eine Erbschaft ihrer Schwester informiert worden, die dieser eine mittlere sechsstellige Summe ins Eigentum gebracht hatte. Dieses Vermögen sollte von besagtem Verein zur Behandlung jener unheilbaren und schlussendlich fatalen Krankheit verwendet werden.

Anstatt ihre Schwester im Testament zu nennen, vererbt eine Frau all ihr Vermögen einer NGO. Die Schwester war davon nicht informiert.
Foto: imago images/suedraumfoto

Frau G. respektierte den Wunsch ihrer Schwester und war dennoch etwas enttäuscht. Nicht primär wegen des Geldes, sondern auch aufgrund des offensichtlichen Misstrauens der Verstorbenen. G. hätte sich gewünscht, in die Überlegungen der nächsten Angehörigen einbezogen zu werden, anstatt vom Notar vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Sie wandte sich an den betreffenden Verein, erhielt jedoch nur ein kurzes und formalistisch gehaltenes Schreiben, in dem nach einer kurzen Beileidsbekundung auf die Rechtmäßigkeit des notariellen Testaments hingewiesen wurde. Auf den Wunsch von G. nach einem Gespräch und der Rückerstattung der Begräbniskosten, welche laut Versicherungspolizze dem Erben zugestanden waren, wurde nicht eingegangen.

Die andere Position verstehen

Frau G. wandte sich an den Mediator mit der Bitte, zwischen ihr und dem Verein zu vermitteln. Der Mediator nahm Kontakt mit dem Verein auf und unterrichtete die zuständigen Personen vom Wunsch von G. nach einem mediierten Gespräch, wobei hier die Betonung auf den Bedürfnissen von G. nach Anerkennung der Trauer und der Wertschätzung der Arbeit für ein würdevolles Begräbnis lag.

Die Vertreterin des Vereins zeigte sich grundsätzlich einverstanden, stellten aber noch einmal die Rechtmäßigkeit des Testaments an sich außer Frage. Als der Mediator klarstellte, dass G. kein Interesse an der Anfechtung des Testaments hatte, sondern schlicht nur die entstandenen Kosten des Begräbnisses aus der Versicherungssumme refundiert haben wollte, konnte in kurzer Zeit ein Termin vereinbart werden.

Als sich Frau G. nun in den Büroräumlichkeiten des Mediators mit der Vertreterin des Vereines traf, schien die Stimmung erst angespannt. Zu sehr war Frau A. auf ihre Aufgabe, die Vertretung der Vereinsinteressen bedacht, als dass sie einen Blick auf die Befindlichkeiten und Bedürfnisse von G. haben konnte. G. hingegen hatte bereits einen großen Teil der Trauerarbeit geleistet und konnte in beachtlich ruhiger und neutraler Form über ihre Gedanken sprechen. "Schauen Sie, ich verstehe meine Schwester, dass sie Ihnen und Ihrem Verein helfen wollte. Nein, natürlich habe ich mich nicht gefreut, aber was soll ich sagen… mir geht es ja gut. Soll ich mit meiner Schwester tauschen wollen? Sie musste ihr halbes Leben leiden, konnte selbst, als sie diese Erbschaft machte, nichts damit machen. Sie wollte, dass es anderen besser geht und dazu etwas beitragen, das ist ihr Wille!"

Weiters lobte Frau G. auch die Arbeit des Vereins, sie hatte sich offenkundig gut informiert und zeigte sich auch selber bereit, durch einen Beitritt die Ziele der Schwester und des Vereins zu unterstützen, wenn auch ihre Anliegen und Bedürfnisse gehört werden würden.

Weg zum Konsens

Von diesen Aussagen überrascht, öffnete sich auch A. dem Gespräch. Sie erzählte vom Wunsch der verstorbenen Schwester, den Verein zu fördern und gab Einblicke in die nun durch die Erbschaft möglichen neuen Forschungen. Den Wunsch von G. nach einem Vereinsbeitritt nahm sie gerne auf und versprach im Gegenzug auch eine besondere Erwähnung im Vereinsnewsletter, gemeinsam mit einer, von G. verfassten Würdigung der Großspenderin.

Nun schien der Weg für eine gütliche Einigung geglättet, doch als die Sprache auf den Wunsch nach Rückerstattung der Kosten kam, stockte das Gespräch wieder kurz. Nachdem der Verein in seinen Statuten die strenge Kontrolle der Spendengelder verankert hatte und diese nur zum Erreichen des Vereinszweckes – also der Forschung und Behandlung der betreffenden Erkrankung – zu verwenden waren, schienen formale Gründe einer Rückerstattung der Kosten im Wege zu stehen. Nachdem beide Parteien jedoch an einer guten und auch zufriedenstellenden Lösung interessiert waren, bat Frau A. um eine kurze Pause, um sich mit dem Vereinsobmann zu besprechen. Dieser versprach, sich der Sache anzunehmen und stellte eine Lösung im Sinne von Frau G. in Aussicht.

Der Vereinsobmann nutzte seine Kontakte dahingehend, dass die Auszahlung an den Verein rückabgewickelt werden konnte und die Gelder in weiterer Folge an Frau G. ausgezahlt werden. G. konnte in weiterer Folge für den Verein gewonnen werden und verfasste wie versprochen auch einen Nachruf auf Ihre Schwester im Newsletter, in dem sie das Anliegen der Verstorbenen würdigen konnte. Im abschließenden Gespräch in den Räumlichkeiten des Vereins stach ein Schild an der Wand des Vereinsbüros ins Auge. Auf diesem stand zu lesen: "NEIN ist eine Abkürzung: Nur Eine Idee Notwendig." Dieses Motto sollte den Verein, aber auch den Mediator in Zukunft anspornen und begleiten.

Lösung auch im NGO-Interesse

NGOs sind unter anderem auf die finanzielle Unterstützung durch ihre Förderinnen und Förderer angewiesen. Unter anderem, aber nicht nur. Ebenso sind der gute Ruf und die Presse ein wichtiges Asset der Stiftungen und Vereine zum Erreichen des Vereinsziels. Konflikte mit Spenderinnen, Spendern und deren Verwandten sind dabei im höchsten Maße störend, weswegen auch bei letztwilligen Vermögenszuwendungen höchste Sorgfalt zu wahren ist. Nicht nur bezüglich der Erstellung der Testamente und Vermächtnisse, sondern insbesondere auch in Bezug auf den Umgang mit Konflikten, die sich mit übergangenen potenziellen Erbinnen und Erben ergeben könnten, gilt es, einen sensiblen Ton zu wählen. Hier hilft unter Umständen Mediation, um übergangenen Erbinnen und Erben Gehör und Wertschätzung zu verschaffen wie auch den Willen der verstorbenen Person zu respektieren. (Ulrich Wanderer, 18.5.2023)