Wiens Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos, links) und Neos-Mitbegründer Matthias Strolz in trauter Harmonie, wenn es um ihr Herzensthema Bildung geht.

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Im Dachgeschoß der Wiener Vinzi Rast wurde am Mittwoch viel versprochen. Nicht nur von einem "Wiener Bildungsversprechen" war da die Rede, sondern auch davon, die Bundeshauptstadt "zur zentraleuropäischen Hauptstadt für Bildungsinnovationen" zu machen. Wem all das vorschwebt: Wiens Bildungsstadtrat und Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos), der Österreichs Bildungssystem in einem Patt verortet. Nur zu sagen, was der Bund machen soll, reiche ihm aber nicht. "Wir wollen selber Innovationen in die Stadt bringen." Mit an Bord ist Neos-Mitbegründer Matthias Strolz, der sich angesichts der Bildungsprojekte gewohnt enthusiastisch gab.

Wiederkehr: Schule als gern besuchter Ort

Mehr Innovationen für die Bildung seien für Wiederkehr nötig, weil sich die Welt rasant verändere – gerade mit Blick auf die künstliche Intelligenz, die vor den Schulen nicht haltmacht. "Wir brauchen Kinder, die hinterfragen und ein selbstständiges Leben führen können", sagt Wiederkehr im Rahmen eine Hintergrundgesprächs vor Medienvertreterinnen und betonte, dass die Schule auch jener Ort sein soll, wo Kinder gerne hingehen. Derzeit sei das oft nicht der Fall.

Inspiration holte sich Wiederkehr laut eigenen Angaben aus Finnland: Dort hätte er gesehen, wie Bildungsinnovationen gelebt werden. In Wien könne er keine Lehrpläne erstellen oder Fächerkanone entrümpeln – womit ihm bildungspolitisch vom Bund die Hände gebunden seien. Das sieht er gelassen: "Wir können trotzdem Hebel in Bewegung setzen", sagt er. Wo genau, dazu erfolgt eine kurze Auflistung.

  • Zentrum für Bildungsinnovation

Angelehnt an das finnische "Helsinki Education Hub" will Wiederkehr auch in Wien ein Zentrum für Bildungsinnovationen einrichten. In Helsinki fördert die Stadt innovative Projekte, etwa im Bereich der psychischen Gesundheit, die in weiterer Folge an Schulen zum Einsatz kommen. Wie ein solches Zentrum in Wien aussehen soll, wird gerade von einer Studie eruiert. "Es soll ein Ort der Vernetzung und des Voneinander-Lernens sein", sagt Wiederkehr. Nächstes Jahr soll das Projekt in Umsetzung gehen. Mit an Bord soll ein privater Akteur sein, die Finanzierung komme aber selbst von der Stadt Wien.

  • Bildungsfestival

Diesen Herbst soll das erste Bildungsfestival in Wien stattfinden. Ziel sei es, unterschiedliche Akteure zusammenzubringen – von Pädagoginnen bis hin zu Start-ups. Ein "Learning" aus Helsinki sei gewesen, dass es Räume brauche, wo sich Leute aus dem Bildungsbereich treffen können. Wiederkehr sieht darin eine Möglichkeit, um eine bessere Vernetzung zwischen Schulen und externen Vereinen und Initiativen zu ermöglichen und "Orte der Begegnung zu schaffen".

  • Wiener Bildungschancen

Mit kommendem Schuljahr starten die Wiener Bildungschancen, für die die Stadt Wien vier Millionen Euro in die Hand nimmt. Ziel sei es, außerschulische Projekte und Initiativen in die Schulen zu holen. Diese könnten von Anti-Mobbing-Workshops im Bedarfsfall bis hin zu Erlebnispädagogik reichen: "Beispielsweise kann sich eine Schulklasse im Rahmen eines Ausflugs anschauen, wie Bienenvölker funktionieren", sagt Wiederkehr. Es soll ein buntes Angebot sein, aus dem die rund 300 Wiener Pflichtschulen selbst Workshops und Projekte auswählen können. Bis dato seien bereits 60 Initiativen dabei.

  • Wiener Bildungsversprechen

Das Wiener Bildungsversprechen wurde bereits im Herbst 2022 vorgestellt, und es sieht vor, dass im Rahmen von Projekten aktuelle Themen in der Schule besprochen werden. Diese reichen von Reduktion von Fehlstunden bis hin zu Attraktivierung des Schulareals. Anders als bisher sind nicht nur Schulleitungen damit befasst, sondern auch Schulkinder, deren Eltern sowie Pädagoginnen und Pädagogen. Innerhalb von zwei Jahren soll daran gearbeitet werden, diese Projekte umzusetzen. In diesem Zusammenhang appellierte Wiederkehr auch erneut an den Bund, mehr Autonomie an Schulen zuzulassen.

Strolz mit viel Lob

Jemand, der Wiederkehr während seiner Rede mit Begeisterung betrachtet, ist Ex-Neos-Chef Matthias Strolz. Denn Bildung sei sein Herzensthema, sagt er. "Und zu spüren, dass du eine Vision hast, etwas willst, über die Kante des nächsten Tages schaust, finde ich großartig", schmeichelt er dem Bildungsstadtrat. Dass er als Berater bis Herbst für Wiederkehr tätig ist, habe aber nichts mit einer "parteipolitischen Logik" zu tun, versicherte Strolz. Letztlich habe er schon bei vielen Bildungsprojekten mitgearbeitet – unter anderem auch mit Ex-Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP).

Ob es dennoch einen Zusammenhang gebe mit Strolz' Engagement und der Wahlschlappe in Salzburg, wo die Neos kürzlich aus dem Landtag flogen, streiten beide auf STANDARD-Nachfrage ab. Dieses sei schon vor der Salzburg-Wahl erfolgt. Eine generelle Neos-Krise will Wiederkehr jedenfalls nicht sehen. In Niederösterreich und in Kärnten, so betonte er, habe man dazugewonnen. Das Ergebnis in Salzburg sei aber ein "sehr schlechtes" gewesen, gesteht Wiederkehr ein.

"Flügelheber-Hauptstadt"

Die Mittel, die die Stadt Wien für die Innovationsprojekte aufwendet, sehen beide auf Nachfrage dort am besten aufgehoben. Sie sind der Meinung, dass solche Projekte den Beruf wieder attraktivieren – und so dem Lehrermangel entgegenwirken könnten. "Die Welt dreht sich schneller als das Schulsystem", sagt Strolz und verweist dabei auf den enormen Erfolg des Nachhilfe-Start-ups Go Student, den er äußerst kritisch beäugt. Mit den vorgestellten Innovationsprojekten soll Wien daher nicht nur zur "Flügelheber-Hauptstadt" werden; sie sollen auch die Gefahr reduzieren, dass Bildung – wie im Bereich der Nachhilfe – privatisiert werde. Denn das könne sich niemand wünschen. (Elisa Tomaselli, 8.5.2023)