Sebastian Kurz hat im Oktober 2022 sein Start-up mit NSO-Gründer Hulio bekanntgegeben.

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Überwachte Journalisten in Ungarn, ausgespähte Staats- und Rechtsanwälte in Polen und abgehörte Oppositionspolitiker in Griechenland: In der Europäischen Union gibt es ein Problem mit dem missbräuchlichen Einsatz von Spionagesoftware. Das zeigten nicht zuletzt Recherchen zahlreicher Medien, die 2020 den Einsatz der israelischen Pegasus-Software in vielen Ländern offenlegten. Daraufhin hat sich ein Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments mit der Sache beschäftigt und Nachforschungen angestellt. Am Montagabend wurde der Bericht des Gremiums im Ausschuss abgenommen. Doch es kam zu Scharmützeln.

Denn die Europäische Volkspartei (EVP) soll zahlreiche Passagen in einem Rohbericht kritisiert haben und deren Löschung verlangt haben. Die Erstversion des Ausschussberichts liegt dem STANDARD vor – und Österreich spielt darin eine prominente Rolle. Gleich elfmal wird Ex-Kanzler Sebastian Kurz genannt: Der frühere ÖVP-Chef arbeitet ja einerseits mit Shalev Hulio zusammen, dem Mitgründer des Pegasus-Herstellers NSO Group. Andererseits ist Kurz auch für den US-Unternehmer Peter Thiel aktiv, der Palantir Technologies mitgegründet hat: Das Unternehmen hat sich auf die Analyse großer Datenmengen spezialisiert und zählt zahlreiche Polizeibehörden und Nachrichtendienste zu seinen Kunden.

"Alarmierende Verbindung"

Dass Kurz für Thiel und mit dem NSO-Gründer arbeite, sei eine "indirekte, aber alarmierende Verbindung" zwischen den beiden, heißt es in dem Rohbericht. Außerdem kommt der Ex-Kanzler indirekt im Zusammenhang mit DSIRF vor, einer österreichischen Softwarefirma, die selbst Spyware herstellen soll. Laut Rohbericht ist DSIRF unter anderem für Russian Machines tätig gewesen, die dem Oligarchen Oleg Deripaska zuzurechnen ist. Diese Kooperation wird im Umfeld von DSIRF bestritten. Bei Russian Machines wiederum war der österreichische Manager Siegfried Wolf zwischen 2010 und 2018 Aufsichtsratsvorsitzender. Wolf wird in einer Rohversion des EU-Berichts als "mächtiger lokaler Unternehmer" und Wirtschaftsberater von Sebastian Kurz bezeichnet. Diese Passagen sollten dem Vernehmen nach aus Sicht der EVP gestrichen werden.

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Zum STANDARD sagt der EU-Abgeordnete Lukas Mandl (ÖVP), der Mitglied des Untersuchungsausschusses war, es handle sich bei den Warnungen vor Kurz' Verbindungen um eine Passage, die "völlig sachfremd und nicht Teil des Untersuchungsgegenstands" sei. Dass Kurz in diesem Zusammenhang genannt werde, sei politisch motiviert, und das lehnt Mandl ab. Insgesamt bezeichnet er den Bericht aber als "sehr gutes Dokument", das auf Kompromissen aufgebaut sei. Kurz selbst betonte mehrfach, mit Palantir nichts zu tun zu haben. Sein Start-up mit NSO-Gründer Hulio sei zudem nicht im Bereich der Spionagesoftware tätig, sondern solle sich um Cybersicherheit bei kritischer Infrastruktur kümmern. Hulio habe außerdem seine Verbindungen zu NSO gekappt.

Diese Passage wurde am Montagabend angenommen
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"Der fragliche Satz im Bericht zu Österreich stand während der Verhandlungen nie zur Debatte", sagte dagegen die grüne Berichterstatterin Hannah Neumann. "Dass die EVP dieses Fass nun aufmachen will, zeigt erneut, wie abgewirtschaftet die ÖVP ist: Ihr geht es weder um die Wahrheit noch um den Schutz von Grundfreiheiten, sondern allein darum, ihr ramponiertes Image irgendwie zu retten." Auch zahlreiche andere Stellen des 163-seitigen Berichts, die Österreich nicht betreffen, waren umkämpft. Das zeigten zahlreiche Abänderungsanträge, die bereits vorab eingebracht worden waren.

DSIRF sperrt zu

In Österreich hat zuletzt vor allem DSIRF Schlagzeilen gemacht: Gegen einen Ex-Mitarbeiter der Softwarefirma wird ermittelt, und Microsoft warnte vor dem Spionageprogramm Subzero, mit dem eine bekannte Wiener Anwaltskanzlei attackiert wurde. Außerdem wurde rund um die Geschäftsbeziehung von DSIRF zu René Benkos Signa eine Kickbackzahlung an einen einstigen Signa-Manager vermutet. Das wird von diesem bestritten. Am Montag hat DSIRF angekündigt, alle Investitionen im deutschsprachigen Raum einzustellen und die Firmen zu schließen. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, Michael Nikbakhsh, 8.5.2023)