Wie bekommt man die steigenden Preise etwa bei Lebensmitteln in den Griff? Die Mehrwertsteuer senken? Oder lieber doch nicht?
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PRO: Weiter nichts zu tun ist fatal

von Petra Stuiber

Handelsverband-Sprecher Rainer Will ist ein streitbarer Mann. Im ZiB 2-Interview vertrat er die Sache der Lebensmittelhändler sinngemäß so: Die Regierung habe in Pandemie und Energiekrise dem Handel nicht geholfen

– jetzt niedrigere Preise zu verlangen sei unfair und nicht machbar. Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer, argumentierte im Ö1-Morgenjournal ähnlich: Der Handel leide selbst an der Teuerung, für die Konsumentinnen und Konsumenten könne er gar nichts tun. Leider, bitte weitergehen und anderswo versuchen.

Als Lobbyist für ein Handels-Oligopol kann man sich bei einer Teuerungskrise natürlich ins Leo stellen. Als Politikerin oder Politiker darf man das nicht. Zwar lässt sich trefflich philosophieren, dass sich die Menschen, "verwöhnt" von den üppigen Corona-Hilfen im Gießkannen-Modus, zu sehr auf den "Nanny-Staat" verlassen, der uns das Leben in jeder Lage erleichtern soll.

Man muss aber die Fakten sehen. Die Inflation ist in Österreich höher als in anderen Staaten des Euroraums. Das ist zum Teil auch ein hausgemachtes Problem. Viele Menschen leiden, wenn der Wocheneinkauf um ein Drittel teurer ist als bisher; viele, darunter viele Junge, können sich die Mietwohnung kaum noch leisten – geschweige denn Eigentum anschaffen. Die Mittelschicht ächzt unter den Kosten, 200.000 Menschen im Land wohnen in absoluter Armut.

Diese Entwicklungen dürfen an der Politik nicht spurlos vorübergehen. Die Mittelschicht, seit Wirtschaftswunder-Zeiten die Säule des österreichischen Wohlstands, darf nicht wegbrechen. Das hat nämlich nicht "nur" ökonomische Folgen. Die vergangenen Landtagswahlen haben gezeigt, dass dies die politischen Ränder stärkt: die KPÖ, die sich wie eine Weltverbesserungs-NGO geriert, vor allem aber die FPÖ. Längst führen die Blauen in Umfragen, demnächst sind sie, nach Oberösterreich und Niederösterreich, auch in Salzburg mit an der Macht.

Umso unverständlicher ist es, dass die Regierung – ohnehin sehr verspätet – einen "Lebensmittelgipfel" einberuft, und das Ergebnis sind lediglich weitere Gespräche. Mehr war nicht möglich? Nicht einmal ein Minimalkompromiss? Das ist, freundlich formuliert, unprofessionell. So treibt man nicht nur die Preise weiter in die Höhe – sondern Herbert Kickl und der FPÖ Wählerinnen und Wähler in die Arme. (Petra Stuiber, 8.5.2023)

KONTRA: Mit unerwünschten Folgen

von Eric Frey

Die Inflation ist ein Hund. Jeder spürt sie, viele schmerzt sie, und das bei jedem Einkauf. Politisch ist sie daher für jede Regierung reines Gift. Umso größer ist die Versuchung, entschlossene Maßnahmen gegen die Teuerung anzukündigen und dann rasch umzusetzen.

Doch so populär das auch sein mag, klug ist es nicht. Denn es gibt aus staatlicher Sicht keine wirkungsvollen Rezepte, um die Inflation zu stoppen. Genau gesagt: Es gibt sie, aber sie richten meist noch größeren wirtschaftlichen Schaden an.

Österreich hat sich seit dem Anstieg der Inflation im Vorjahr dazu entschlossen, auf Eingriffe in die Preise von Gas, Treibstoff und Lebensmittel zu verzichten und stattdessen den Kaufkraftverlust durch staatliche Förderungen auszugleichen. Das haben die Menschen zwar bemerkt, aber bald wieder vergessen; das hat die Regierung daher nicht populärer gemacht.

Die Inflation ging nicht zurück, im Gegenteil: Weil die Menschen viel Geld zur Verfügung haben, bleibt die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen hoch, was wiederum die Inflation antreibt. Auch deshalb ist Österreich EU-weit im Spitzenfeld. Und die Kosten für den Staatshaushalt bedeuten, dass für andere, langfristig wichtigere Zwecke weniger Geld zur Verfügung steht, etwa für Klima oder Bildung.

Mit großer Verspätung wird deshalb nun doch über Eingriffe in die Preisgestaltung nachgedacht, vor allem bei Lebensmitteln, wo die Teuerung am sichtbarsten ist. Doch auch hier gilt: Jede Maßnahme bringt unerwünschte Folgen mit sich.

Eine Senkung der Mehrwertsteuer ist besonders teuer, sozial überhaupt nicht treffsicher und führt dann, wenn sie wieder wegfällt, zu einem neuerlichen Preisschub. Dem Handel Preisdeckel für bestimmte Grundnahrungsmittel vorzuschreiben erfordert viel Bürokratie und verursacht bei den Unternehmen zusätzliche Kosten, die sie anderswo weitergeben werden. Das gilt auch für die detaillierte Preistransparenz, die nach dem Gipfel am Montag im Raum steht.

Dass Lebensmittel in Österreich teurer sind als in Deutschland, ist nicht neu, die Schere ist nicht weiter aufgegangen. Mehr Wettbewerb wäre wünschenswert, lässt sich aber nicht erzwingen. Und die vielen Aktionen zeigen, dass die Handelsriesen sehr wohl mit Preisen um die Kundschaft buhlen.

Aus langfristiger ökonomischer Sicht sollten Regierungen den Kampf gegen die Teuerung den Notenbanken überlassen, die mit Zinserhöhungen die Inflationserwartungen dämpfen. Doch in einer Zeit, in der jeder vom Staat Abhilfe von jedem Übel erwartet, ist diese Botschaft schwer zu verkaufen. (Eric Frey, 8.5.2023)